Zehn Jahre Hartz IV : Kein Grund zum Feiern

Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland jetzt Hartz IV für Langzeitarbeitslose. Die Agentur für Arbeit spricht in ihrer Bilanz von einem „beachtlichen Erfolg“ der Reform. Doch nicht nur Hinz&Künztler, die davon leben müssen, sehen das ganz anders.

Die vierte Stufe im Hartz-Konzept - Symbolbilder
Seit dem 1. Januar 2005 gilt in Deutschland das als Hartz-IV-Gesetz bekannt gewordene vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.

„Früher hab ich 648 Mark Sozialhilfe bekommen“, erinnert sich Hinz&Künztler Dennis. „Damit kam ich Ende der 1990er Jahre gut über die Runden. Heutzutage muss ich mit etwa halb so viel Geld leben.“ Tatsächlich lag das seit dem 1. Januar 2005 geltende neue Arbeitslosengeld II (ALG II) deutlich unterhalb des Niveaus der bis dahin geltenden Sozialhilfe. Als einen Fehler bezeichnet das inzwischen sogar Peter Hartz, ehemaliger VW-Vorstand und Namensgeber der Arbeitsmarktreform. Auf die Frage, was damals falsch lief, erwiderte der Leiter der nach ihm benannten Hartz-Kommission gegenüber der Welt: „Wir hatten eine höhere Grundsicherung vorgeschlagen, auf dem Niveau der durchschnittlichen Arbeitslosenhilfe, die damals 511 Euro betrug. Beschlossen wurden dann 359 Euro.“

Mit dem Hartz-Konzept wollte die rot-grüne Bundesregierung die Zahl der Arbeitslosen innerhalb von vier Jahren halbieren. Zehn Jahre später bleibt festzuhalten, dass sie immerhin von zeitweise 5,3 Millionen auf inzwischen unter 3 Millionen reduziert wurde. Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, spricht daher gegenüber der Welt von einem „beachtlichen Erfolg“.

„Das ist doch Quatsch“, sagt Dennis. „Mit den Ein-Euro-Jobs wurden nur die Statistiken bereinigt.“ Hinz&Künztlerin Nadine pflichtet ihm bei: „Es gibt kaum noch Angebote, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen.“ Sogar die viel kritisierten Ein-Euro-Jobs werden Stück für Stück zurückgefahren. Und mit dem Euro sei zudem alles viel, viel teurer geworden, sagt Nadine. So beträgt der Regelsatz beim Arbeitslosengeld II heutzutage gerade einmal 391 Euro.

Auch beim DGB hat man keinerlei Verständnis für die Einschätzung von Frank-Jürgen Weise. Durch die verschärfte Hartz-IV-Regelung sei vor allem der Druck auf Arbeitslose erhöht worden, „schlechter entlohnte und ungünstigere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren“, heißt es in einer Studie zur Arbeitsmarktreform. Hartz IV habe im Endeffekt zu einer Ausbreitung von Niedriglohn und prekärer Beschäftigung geführt. Als Beleg führt der Deutsche Gewerkschaftsbund an, dass nach zehn Jahren immer noch mehr als 6 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind.

Insgesamt waren nach Angaben der Gewerkschaften in den vergangenen zehn Jahren sogar mehr als 15 Millionen Menschen zumindest zeitweilig auf Hartz IV angewiesen. Und auch wenn die Zahl der Langzeitarbeitslosen wieder unter eine Millionen gesenkt werden konnte, gäbe es zugleich mehr als 200.000 Menschen, die seit 2005 ununterbrochen Arbeitslosengeld kassieren. Die Caritas schätzt zudem, dass etwa 400.000 Menschen derzeit als „absolut chancenlos“ auf dem Arbeitsmarkt gelten.

Aber nicht nur das wenige Geld und die schlechten Chancen seien ein Problem, so Dennis. „Du musst erst mal schaffen, deinen Antrag richtig auszufüllen“, sagt er. Ein falsch gesetzter Haken könnte dazu führen, dass man deutlich weniger Geld bekäme. „Außerdem findest du doch heutzutage überhaupt keine Wohnung mehr“, schiebt er hinterher. „Und wer unter 25 Jahre alt ist, muss bei seinen Eltern wohnen. Das finde ich unmöglich, aber da redet auch keiner mehr drüber.“

Text: Jonas Füllner

Foto: action press/ Bernhard Classen