Hinz&Künztler Norbert : „Ich mache Hinz&Kunzt, damit ich leben kann“

Als Norbert wegen Republikflucht im DDR-Knast saß, nahm er erstmals harte Drogen. Nach vielen Jahren Sucht ist er heute endlich davon weg. Während er Hinz&Kunzt an der Bahnstation Klein Flottbek verkauft, träumt Norbert von seiner eigenen Karpfenzucht in Dithmarschen.

(aus Hinz&Kunzt 278/April 2016)

Fast täglich trifft man Norbert zusammen mit seiner Hündin Jacky im Verkaufsraum von Hinz&Kunzt. Er holt sich einen Kaffee, klönt ein wenig mit anderen Verkäufern, macht sich auf den Weg zu seinem Verkaufsplatz. „Ich brauche Struktur im Leben“, sagt er. Dass sei für ihn ganz wichtig. Zu lange habe er chemische Drogen konsumiert. „Da vergisst man sogar zu essen.“

Sein Leben geriet zeitweise völlig aus den Fugen. „Jetzt achte ich darauf, dass ich meine Mahlzeiten einhalte.“ Heutzutage würde er zwar noch kiffen, „aber von dem ganzen harten Scheiß bin ich weg“.

In Kontakt mit harten Drogen kam Norbert bereits als 18-Jähriger. Damals saß er im Knast. Sein Verbrechen: Republikflucht. Norbert stammt aus der DDR, wuchs in der Nähe von Stendal auf. Seine Eltern arbeiteten in einem LPG-Betrieb. „Ich habe immer schon Tiere um mich herum gehabt“, erinnert sich der Hundeliebhaber.

So gut er mit Tieren zurechtkommt, so kompliziert muss sein Umgang mit Menschen gewesen sein. Schon damals war Norbert ein ziemlicher Querdenker. Einer, der sich nichts sagen ließ und schnell bei anderen aneckte. Eines Tages griff ihn die Polizei im Grenzgebiet auf.

Eigentlich sei er auf dem Weg zur Jugendweihe gewesen, erinnert sich Norbert. Allerdings habe er sich im Datum geirrt. Die Polizei nahm ihm das nicht ab. Im Freundeskreis hatte er zudem verlauten lassen, dass er wegwollte. Norbert landete im Knast. Dort fing er an, Drogen zu nehmen. Nach dem Ende seiner Haftstrafe wurde er schließlich 1985 in den Westen „abgeschoben“.

In der Bundesrepublik arbeitete er nun wie sein Vater in landwirtschaftlichen Betrieben. Erst im Süden, später in Dithmarschen. Die Drogen begleiteten ihn. Als er schließlich Anfang der 1990er in Hamburg landete, war er schwerst alkohol-, drogen- und spielsüchtig. Hinz&Kunzt war sein Rettungsanker. „Noch heute ist das so“, sagt Norbert. „Ich mache Hinz&Kunzt, damit ich leben kann.“

Dank einer Therapie rührt Norbert seit 15 Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr an. Damals startete er einen Neuanfang auf Fuerteventura und arbeitete als Baggerfahrer im Straßenbau. Wenn er daran zurückdenkt, gerät er ins Schwärmen. „Ich hab in einer Höhle gelebt. Mit Wasserbett und Beamer zum Fernsehen. Verrückt, oder?“

Norbert räumt allerdings ein, dass weiterhin reichlich Drogen im Spiel waren. „Da habe ich nicht von lassen können.“ 2008, mit der Finanzkrise, war auf einmal die Arbeit weg. Norbert kehrte zurück nach Hamburg. Den nächsten Schritt hat der heute 53-Jährige vor einem Jahr gemacht. Er zog eine weitere Therapie durch und hörte mit harten Drogen auf. „Ich will noch ein paar Jahre leben“, sei ihm klar geworden. Und er hat einen Traum: von einer Karpfenzucht in Dithmarschen. Dort hatte er auf einem Hof gearbeitet. „Daneben würde ich gerne einen Teich anlegen.“ Klingt absurd? Klar, aber wer sich einmal in Fuerteventura sein kleines Paradies aufgebaut hat, dem traut man auch solch ein Unternehmen zu.

Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante