„Ich bin fast wie Robin Hood“

Malte (44) verkauft Hinz&Kunzt in verschiedenen Rahlstedter Kneipen.

(aus Hinz&Kunzt 224/Oktober 2011)

Hartes T-Shirt – weicher Kern: Malte, der ohne sein Hells-Angels-Shirt nie auf die Straße geht, sagt: „Ich muss Weinen, wenn Eltern kein Geld haben, um mit ihren Kindern in den Zoo zu gehen.“
Hartes T-Shirt – weicher Kern: Malte, der ohne sein Hells-Angels-Shirt nie auf die Straße geht, sagt: „Ich muss Weinen, wenn Eltern kein Geld haben, um mit ihren Kindern in den Zoo zu gehen.“

In die kurze Zeitspanne zwischen Begrüßung und Platznehmen presst Malte Eriksson unglaublich viele Sätze. So energiegeladen wie heute ist Malte nicht immer. Doch wer Malte einlädt, über sein Lieblingsthema „Ghetto“ zu sprechen, muss sich im reißenden Strom seiner Begeisterung an einzelnen Wortfetzen festklammern.

„Ich kann lange reden, ohne Luft zu holen, was?“, sagt er und legt beim Lachen beide Hände auf den Bauch. Und dann erzählt er seine Geschichte. „Auf dem Kiez kennt man mich, weißt du?“, erklärt der 44-jährige Malte. Er sei halt ein Lebemann, der auf dem Kiez aufgewachsen sei. Über seine Kindheit will Malte nicht sprechen. Nur, dass er mit dreizehn von zu Hause abgehauen ist und eine Jugendbande gegründet hat, mag er erzählen. Schule interessierte ihn nie. „Intelligent bin ich trotzdem, weißt du?“, erklärt er.

Malte weiß
auf jede Frage eine Antwort. Bei wichtigen Fragen kann es auch mal vorkommen, dass er die Antworten rappt: „Ich-war-zweiter-Vorsitzender-des-Vereines-Ghetto-e.-V.-und-hatte-meine-eigene-Bande-he-wow.“ Malte kennt die Probleme auf der Straße und hat deshalb den Verein „Ghetto“, der sich um kriminelle Jugendbanden kümmerte, mitbegründet. „Aber ich wurde später abgewählt und fühlte mich verraten“, sagt er und haut mit der Faust auf den Tisch.

Malte will „irgendwann einmal“ einen eigenen „Ghetto-Verein“ gründen. „Mein großes Idol ist das Gründungsmitglied der Hells Angels Sonny Barger“, erzählt der Bewohner eines Männerwohnheimes in Rahlstedt. Wie Sonny hat auch Malte eine kriminelle Vergangenheit: Von einem Hamburger Gericht wurde Malte wegen räuberischer Erpressung und Bandenbildung verurteilt, er kam für sieben Monate ins Gefängnis. Malte, der oft verschiedenfarbige Socken trägt, versteht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht: „Ich wollte nur helfen und kriege die Probleme“, sagt er traurig.

„Ich bin fast wie Robin Hood – einfach ein bisschen mehr ghettomäßig“, sagt Malte, der gerne Geld verleiht oder sogar verschenkt. Dem Sohn einer Bekannten hat er zum Beispiel den Kinoeintritt für „König der Löwen“ bezahlt. Zum Dank habe ihn der Junge nach der Vorstellung umarmt. „Das war ein wunderschöner Tag“, schwärmt er. Seine Verkaufsplätze sind Rahlstedter Kneipen. Aber er macht nicht so viel Geld mit dem Zeitungsverkauf. Doch Malte weiß sich durchzuschlagen. Er  verabschiedet sich und steckt noch ein Stück Zucker aus der Hinz&Kunzt-Cafeteria in die Hosentasche. „Zucker kann man immer gebrauchen“, sagt er und lacht.

Hinz&Kunzt: Hast du ein Lieblingsbuch?
Malte: Das einzige Buch, das ich je gelesen habe, war das Mafiabuch „Engelsgesicht“ von Andreas Ulrich.

H&K: Was ist Dir wirklich wichtig?
Malte: Ich will weiterhin clean bleiben und einen eigenen Ghetto-Verein gründen.

Text: Adrian Soller
Foto: Mauricio Bustamante