Mitschüler protestieren : Hamburg schiebt 130 Schüler ab

Plötzlich kommen sie nicht mehr zum Unterricht: Hamburg hat in den vergangenen Monaten mehr als 130 Schüler abgeschoben. Auch die elfjährige Seherezada muss trotz Protesten ihrer Mitschüler jetzt das Land verlassen.

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Schüler gegen Abschiebungen: Am 14. Februar demonstrierten 120 Kinder und Jugendliche von der Stadtteilschule am Hafen in der Hamburger Innenstadt.

Der Protest ihrer Mitschüler hat nicht geholfen: Seherezada muss nach Serbien ausreisen oder wird dorthin abgeschoben werden. Erst wurde der Asylantrag ihrer Familie abgewiesen. Nun hat auch der Eingabenausschuss der Bürgerschaft die Beschwerde dagegen abgewiesen, obwohl die Elfjährige zur diskriminierten Roma-Minderheit gehört.

Im Februar hatten Schüler der Stadtteilschule am Hafen gegen die drohende Abschiebung protestiert. „Auch Seherezada hat ein Recht auf Bildung! Das wollen wir einfordern!“, lautete die Parole – umsonst. Und laut Schulsprecher-Team häufen sich Fälle wie der von Seherezada, an der Stadtteilschule soll es bereits der dritte sein. „In den letzten Tagen, Wochen, Monaten bleiben auf den Schulbänken Plätze leer“, beklagten die Schulsprecher Anfang Februar. „Spinde, Fächer und Schränke, in denen zurückgelassene Sachen liegen, bleiben unsere traurigen Erinnerungen.“

GEW: Vorgehen „unhaltbar“

Laut Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) erscheinen derzeit häufig Schüler nicht mehr zum Unterricht, weil sie abgeschoben worden sind. In einigen Klassen betreffe das bis zu fünf Schüler. Auch die Schulleitungen würden nicht über die Abschiebungen informiert: „Sie müssen so tun, als ob die Schüler unentschuldigt fehlen und diese der Schulbehörde melden“, sagt Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg. „Wir halten dieses Vorgehen für unhaltbar.“

„Die anderen Kinder ergreift die Angst, wenn sogar Schüler abgeschoben werden, die so toll mitarbeiten“, sagt Christiane Schneider, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Sie hat beim Senat nachgefragt, wie viele Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter in den vergangenen Monaten abgeschoben worden sind.

Das Ergebnis: Von 350 Personen, die im vierten Quartal 2015 abgeschoben worden sind, waren 109 schulpflichtig. Sechs davon waren sogar in Hamburg geboren worden. Und im Januar 2015 wurden weitere 33 Schüler aus der Hansestadt abgeschoben. Zahlen, die aufgrund von Gesetzesverschärfungen wohl in Zukunft noch ansteigen werden. „Es ist schwer zu ertragen, wie unempfindlich der Senat gegen das Leid von Kindern ist“, kommentiert die Linken-Abgeordnete Schneider.

Text: Benjamin Laufer
Foto: JOTO