Gute Swingungen

Umsonst und draußen: The Sankt Pauli Mad Pack macht eine Show wie einst Frank Sinatra und sein Rat Pack. Im August widmet das Swing-Duo Hinz&Kunzt einen Auftritt

(aus Hinz&Kunzt 198/August 2009)

„Könnt ihr auch mal was von Elvis spielen?“ Der obdachlose Rock-’n’-Roll-Fan lässt nicht locker. Wieder und wieder kommt er während der Auftritte des Sankt Pauli Mad Pack mit seinem Liederwunsch. Marcus Prell und Dennis Durant würden ihn ja gerne erfüllen. Aber: Sie machen nur Swingmusik. Ein halbes Jahrhundert nach den legendären Auftritten des Rat Pack in Las Vegas spielen sie dessen Lieder. Mit der Musik von Frank Sinatra, Sammy Davis jr. und Dean Martin bringen sie das edle Flair der 60er-Jahre nach Hamburg.

Kiezgänger kennen die beiden wahrscheinlich: Mehr als 20 Shows geben Prell und Durant in diesem Sommer auf dem Spielbudenplatz.
St. Pauli bezeichnen sie als „unser Wohnzimmer“ – nicht weil sie von hier kommen, sondern weil sie sich in Hamburg zu Hause fühlen, und auf Pauli besonders.
Der 39-jährige Dennis Durant wurde in Süddeutschland als Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners geboren. Seiner Herkunft verdankt er zwei „Fremdsprachen“: Durant spricht amerikanisches Englisch und Schwäbisch. Er ist nicht nur Sänger, sondern auch
Moderator und ausgebildeter Schauspieler. Er war in der TV-Serie „Balko“ zu sehen und in den Daily Soaps „Verbotene Liebe“ und „Alles was zählt“. 2002 kam er nach Hamburg und gab zweieinhalb Jahre lang im Musical „König der Löwen“ den bösen Löwen Scar und das skurrile
Warzenschwein Pumbaa. Nach dem Ende seines Engagements beim „König der Löwen“ blieb er in der Stadt. „Ich habe mich in Hamburg verliebt“, sagt Durant.
Nach wie vor tummelt er sich auf vielen Baustellen. „Baustellen? Das sind schon Häuser“, sagt Durant. „Man muss gucken, wo was läuft und sich mehrere Standbeine aufbauen.“ Er produziert auch seine Musik selbst. „Ich will mir nicht von einem Produzenten reinreden lassen, der mir dann sagt, wie ich mich anziehen oder wie ich singen soll.“
Seinem Mad-Pack-Partner Marcus Prell begegnete Durant vor fünf Jahren. Beide waren auf dem Hofwegfest in Uhlenhorst engagiert:
Durant als Moderator, Prell mit seiner Band als Sänger. Sie waren sich sympathisch, trafen sich ein Jahr später – gleicher Ort, gleiche Zeit – wieder und blieben in Kontakt. Aus Bekanntschaft wurde Anfang 2008 ein gemeinsames Projekt – das Sankt Pauli Mad Pack –, und daraus wurde Freundschaft. Ein Wort, das die beiden mit Bedacht benutzen. „Wir kennen uns mittlerweile sehr gut. Da baut sich ein Vertrauensverhältnis auf“, sagt Durant, der längst nicht jedem über den Weg traut. „Auch wenn wir noch kleine Lichter sind, gibt es schon Leute, die meinen, ein Potenzial bei uns zu sehen und die sich dann einklinken.“
Prell und Durant ticken ähnlich. „Ich wollte mich nicht länger mit Intendanten rumschlagen“, begründet Marcus Prell seinen
– nicht endgültigen – Ausstieg aus der Welt des Theaters. Der ausgebildete Schauspieler war zuletzt am Hamburger Ernst Deutsch Theater
engagiert. Aufgewachsen ist der 41-Jährige im beschaulichen
Bad Oldesloe. Seine Heimat ist längst Hamburg – auch wenn er mittlerweile mit seiner Frau und den drei Kindern in Buxtehude lebt. „Wenn ich
mit der S-Bahn in den Hauptbahnhof einfahre, ist das jedes Mal wie nach Hause kommen.“
Prell und Durant treten als Mad Pack zwar in ganz Hamburg bei Events wie dem Hafengeburtstag und dem Alstervergnügen auf. Ihr Mittelpunkt bleibt aber St. Pauli mit der Spielbudenplatzbühne.
Ganz bewusst haben sie ihre Band nach dem berüchtigten Stadtteil getauft. „Wir gehören hierher“, sagt Prell. „Wir wollen uns auch vor den Menschen hier nicht verschließen“, sagt Durant, der selbst auf Pauli wohnt. Sich etwa für Obdachlose zu engagieren gehört für die beiden wie selbstverständlich dazu: „Benefizveranstaltungen sind wichtig“, sagt Prell. Im Mai spielte das Sankt Pauli Mad Pack ohne Gage bei einer Versteigerung zugunsten von Hinz&Kunzt und Viva con Agua. Am
23. August werden sie auf dem Spielbudenplatz auftreten und den
gesamten Abend dem Straßenmagazin widmen.
Zuschauer, die ihnen bei ihren Auftritten öfter begegnen, begrüßen sie mit Handschlag – die beiden 80-jährigen Damen aus der nahe gelegenen Senioren-Wohnanlage, die regelmäßig mitswingen, wie den Obdachlosen, der am Rande des Geschehens zur Swingmusik sein Flaschenbier trinkt.
Sie spielen Musik für alle. „Swing hat ein gewisses Niveau, da kann man im Abendkleid Standard tanzen“, sagt Durant. „Oder chillen“, sagt Prell – obwohl er dieses Wort eigentlich nicht sagen soll, finden seine Kinder. Das höre sich doof an.
In jedem Fall sei Swing alles andere als out. „Swing war nie weg, Sinatra war nie tot“, sagt Prell. Lieder wie „Mister Bojangles“ und „Fly me to the moon“ sind heute noch genauso beliebt wie vor 50 Jahren. „Unsere älteren Zuschauer kennen die Songs noch vom Original Rat Pack, die jüngeren von Robbie Williams oder Michael Bublé“, sagt Prell.
Aus Swingmusik und launigen Sprüchen improvisieren Durant und Prell eine Show, die es oft erst mal schaffen muss, dass überhaupt jemand stehen bleibt und zuhört. Das können bei Hamburger Großveranstaltungen oder auf dem Spielbudenplatz Jugendliche oder Senioren, Theaterbesucher oder Touristen sein. Nur eins haben die gemeinsam: Um das Sankt Pauli Mad Pack zu sehen, bezahlen sie nichts. „Das ist immer wieder eine Herausforderung“, sagt Durant.
Umso schöner, wenn der Platz vor der Bühne dann gefüllt ist und sogar getanzt wird. Auch schön, wenn manche wiederkommen.
Wie der Obdachlose, der sich so dringend ein Lied von Elvis Presley gewünscht hat und immer wieder danach fragte. Und dem Prell und Durant immer wieder geantwortet haben, dass sie nur Swing spielen. Bis sie schließlich kapitulierten. Prell durchforstete seine Plattensammlung – und mittlerweile hat das Mad Pack einen Ausreißer im Programm. Ein wunderschönes Lied, wie beide finden, und eine Bereicherung für ihre Show: „Can’t help falling in love“, von Elvis Presley.

Beatrice Blank

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