Gute-Laune-Alarm

Mit ihren Reggae-Rock-Pop-Swing-Songs sind sie schon im Nachtasyl, im Thalia in der Gaußstraße, in der Motte und bei der Altonale aufgetreten. Fürs nächste halbe  Jahr sind sie so gut wie ausgebucht. Bitte Lächeln! heißt die Band. Ihre Musik groovt, weil, obwohl oder egal dass sechs der acht Musiker gehandicapt sind.

(aus Hinz&Kunzt 203/Januar 2010)

Bitte-Lächeln!-Bandprobe. Phillip Mohr war als Erster da und wippt mit den Beinen. Nicht ungeduldig. Der 20-Jährige freut sich einfach auf die Probe. „Sobald Phillip ein Mikro vor sich hat, wird er ,Die Stimme‘“, sagt Mirko Frank. Der 43-jährige Musiker, Künstler und Musiklehrer leitet die Band und kennt seine Pappenheimer. „Phillip ist leidenschaftlich dabei. Er lebt die Musik, er taucht richtig ein.“ Offensichtlich fühlt Sänger Philipp sich sauwohl zwischen Schlagzeug, Percussions, Keyboards, Mikrofonständern, Stühlen und Kabeln. Der Probenraum ist eigentlich voll. Jetzt sollen noch die Musiker rein, zwei von ihnen mit Rollstühlen. Geht das denn? „Och, geht“, sagt Christian Ranulfs und lässt sich von Mirko Frank einparken. Der Bandchef hantiert routiniert – er macht das ja auch schon seit drei Jahren. Damals gründeten der Verein Leben mit Be­hin­derung und Thalia Treff­punkt Bitte Lächeln! als Band des Theaterprojekts „Eisenhans“.

Bitte Lächeln! von links: Christian, Phillip, Mirko, Maxim und Dominic (hinten) und Dennis, Lukas und Benjamin (vorne) sind GUT DRAUF – nicht nur auf der Bühne
Bitte Lächeln! von links: Christian, Phillip, Mirko, Maxim und Dominic (hinten) und Dennis, Lukas und Benjamin (vorne) sind GUT DRAUF – nicht nur auf der Bühne

Christian hat seine Noten vergessen. „Geht’s auch ohne?“, fragt Mirko. „Joa, geht.“ Dennis Reinhardt wird ihm helfen. Der Keyboarder kommt immer top vorbereitet. Er übt jeden Tag. Und manchmal hört er Radio und spielt die Melodien einfach nach. In der Musikschule, die er mal besucht hat, haben sie ihm das absolute Gehör und Rhythmusgefühl attestiert, aber nicht viel beibringen können. „Ich kann keine Noten lesen“, sagt der 25-Jährige. „Die sehen für mich alle gleich aus.“ Er hat ein System, in dem er die Akkorde notiert und farblich markiert. Melodie und Tempo spielt Dennis aus dem Kopf.
Benjamin Richter hält sein Saxofon bereit. „Wie am Boden angeschraubt steht er“, sagt Mirko Frank. „Und verpasst nicht einen einzigen Einsatz.“ Benjamin hat alle Arrangements im Kopf. Eine großartige Leistung, selbst wenn Benjamin keine schwere Lernbehinderung hätte. „Er braucht etwas Vorbereitungszeit und muss sich darauf verlassen können, dass alles läuft wie abgesprochen“, sagt Mirko Frank. „Sonst kommt er ins Schwimmen.“
Die festgelegten Rollen und Aufgaben helfen allen bei Bitte Lächeln!, ihren eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. „Alle haben hier eine musikalische Heimat gefunden“, sagt Mirko Frank. Allen voran Phillip Mohr, „die Stimme“, der, bevor er in die Band kam, von seinen Qualitäten im Gesang nichts ahnte. „Seine supertiefe Bassstimme ist schon etwas Besonderes“, sagt Mirko Frank. Das weiß Phillip jetzt auch, und es gibt seinem Selbstbewusstsein einen kräftigen Schub.
Er freut sich grenzenlos, wenn er ans Mikro darf und alles klappt. Er ist aber auch unendlich enttäuscht, wenn was schief läuft. Heute geht sein Mikro nicht richtig. Phillip ist hilflos: „Mirko, mein Mikro!“ – „Musst es auch anmachen“, sagt Mirko. „Isses doch!“ – „Kabelbruch“, meint Dennis. Phillip: „Och Mann. Und jetzt?“ – „Einfach warten“, emp­fiehlt Dominic Dober entspannt aus dem Hintergrund. Er ist mit seinen 17 Jahren zwar nicht der Jüngste, aber so was wie das Küken in der Band. Musikalisch zeichnet er für Percussion verantwortlich. Mit „Djembe“ und „Regenmacher“ würzt er die Stücke – wenn er dran denkt. Dominic ist ein Träumer. „Dem gefällt die Musik so gut, dass er manchmal vergisst mitzuspielen“, sagt Mirko Frank. Dominic hat das Down-Syndrom und ist oft in seiner eigenen Welt unterwegs. Bei Auftritten gibt er den Showman. Er liebt es, Spaß zu machen und andere zum Lachen zu bringen. Oder zum Pfeifen – wenn er zur Sommerhymne „Mir ist heiß“ sein T-Shirt hochreißt und auf seinem Bauch der Titel des Stücks geschrieben steht.
Mirko Frank bringt das defekte Kabel weg. „Tschüss, Kabel“, sagt Phillip betrübt – und strahlt, als Mirko mit einem neuen zurückkommt. Phillips Mikro funktioniert wieder. „Ich bin wieder da, Hamburg“, schmeichelt seine tiefe Stimme durch die Box. Gänsehaut.
Fürs Kreative bei Bitte Lächeln! ist Lukas Johannsen unverzichtbar. Der 19-jährige Rollstuhlfahrer und Abiturient spielt nicht nur Theater am Thalia und hat eine kleine Produktionsfirma für Musikvideos, er schreibt auch die Texte für die Lieder der Band. „Lukas ist ein Freak“, sagt Mirko Frank. „Im absolut positiven Sinne. Er hängt sich total rein und erinnert mich an mich in dem Alter. Ich habe damals auch alles für meine Band getan – Kontakte geknüpft, Promotion-Videos gedreht und geschnitten und so weiter.“ Lukas ist keiner, der jammert und labert. Er macht. Darüber singt er auch im Bitte-Lächeln!-Song „Weniger ist mehr“: „Über vieles lässt sich streiten und lautstark diskutieren, doch durch Reden allein – das weiß jedes Kind – wird nicht viel passieren.“
Das Erfolgsrezept jeder Band lautet: durchziehen. „Andere kommen langsamer voran als wir“, sagt Mirko Frank, „weil sie keine Geduld haben.“ Und Zeit verschwenden mit Diskussionen und lässigem Gehabe.
Maxim Böthling ist eher ruhig. Der 16-jährige Schlagzeuger ist der Coole in der Gruppe. Es ist ihm piepegal, dass seine Bandkollegen manchmal alles andere als hip und funky sind. „Er hat sich ohne Vorbehalte auf die Band eingelassen“, sagt Mirko Frank. Und: Maxim bringt zu den Shows Freunde und Bekannte mit. Die sind dann oft überrascht von Bitte Lächeln!, weil sie ein pädagogisches und nicht ein musikalisches Projekt erwarten. Irrtum!

Text: Beatrice Blank
Foto: Kathrin Brunnhofer