Plewka in der Großen Freiheit : „Glaub an deine Träume!“

Von Küssen, dem Besuch bei einer Wahrsagerin, von Weihnachten und Blicken in den Plattenschrank der Eltern – eine Begegnung mit dem glücklichen Musiker und Schauspieler Jan Plewka, der am Samstag mit seiner Rockband Selig in Hamburg auftritt.

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Wenn Jan Plewka die Lieder von Rio Reiser singt, ist der Saal meistens ausverkauft. Was ihn fasziniert: Reisers Mix aus Politik und Romantik.

Jan Plewka kommt in die Kantine des Schauspielhauses, er setzt sich an einen der hinteren schlichten Holztische, er atmet einmal tief ein und einmal tief aus: „Ah – Theaterluft ist was Feines.“ Er schaut, er grüßt, man merkt: Hier ist einer zu Hause. Tatsächlich verbindet ihn mit dem Schauspielhaus eine besondere Geschichte. Besonders in der Zeit, als Tom Stromberg hier Intendant war, mit dem er heute gut befreundet ist. „Unter Stromberg standen da auf dem Tisch in der Mitte silberne Schüsseln voller Eiswürfel für die Getränke. Es wurde wild gefeiert und es wurde viel gutes Zeug gemacht“, erzählt Plewka.

Damals entstand die Idee für einen Liederabend: „Jan Plewka singt Rio Reiser“. Singt Songs wie „Junimond“ oder „Halt dich an deiner Liebe fest“, mit einer eigens dafür zusammengestellten Band aus Freunden: der Schwarz-Roten-Heilsarmee. 2005 starteten sie auf einer Hinterbühne vor einer überschaubaren Zahl an Zuschauern. Heute und ziemlich genau zehn Jahre später füllt er mit dem Programm des 1996 verstorbenen Sängers locker den großen Saal mit seinen 1200 Plätzen: „Es ist wunderbar, wie Rio das Politische und das Romantische verknüpft hat und das mit deutschen Texten – ich denke jeden Tag mindestens eine Minute an ihn“, sagt Plewka. Und er weiß: „Die Leute gehen aus dem Konzert anders heraus, als sie hineingekommen sind.“

Jan Plewka – Jahrgang 1970, der in Ahrensburg bei Hamburg aufgewachsen ist und der dort wieder wohnt: nun mit seiner Frau und vier Kindern, die älteste Tochter 17 Jahre alt, der jüngste anderthalb: „Unser Prinz; er ist bestimmt der meist geküsste Mensch der Welt.“

Apropos Küssen – da muss er was erzählen: „Ich war noch total jung, vielleicht 17. Es gab hier am Haus Shakespeares „Romeo und Julia“, Catrin Striebeck spielte die Julia. Ich fand das so toll, wie sie gespielt hat, auch wie sie so tot dalag – und ich hab mich in sie verliebt.“ Nach der Vorstellung geht der junge Plewka nach unten in die Kantine; sitzt, wo er heute wieder sitzt, schier überwältigt von dem, was er eben erlebt hat: „Und dann kam sie und saß da so und hat so geredet, und ich war so verliebt und dachte: Eines Tages möchte ich mal mit ihr knutschen. Oben, auf der großen Bühne!“

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15 Jahre später – er hat mit seiner Rockband Selig seine ersten großen Erfolge gefeiert – geht die Geschichte weiter: Er wird gefragt, ob er im Schauspielhaus bei einem wilden Stück mit ein paar Kumpels auftreten will. Klar will er. Mit auf der Bühne – Catrin Striebeck! „Und eines Tages, während der Proben, sagt der Regisseur zu mir: ,Ich hab da ’ne Idee. Du gehst rüber zu den anderen und legst dich zu denen und dann knutscht ihr da so rum!‘“ Und Jan Plewka strahlt jetzt übers ganze Gesicht, springt fast auf und sagt: „Und ich lag da, auf der schönsten Bühne der Welt, und ein Jugendtraum war in Erfüllung gegangen!“ Weshalb er jetzt etwas zu verkünden hat: „Glaub immer an deine Träume; glaub daran, dass die wahr werden!“

Welche Kraft Träume haben, das erlebt er auch, als er das erste Mal auf einer Bühne steht – mit neun Jahren: „Ich war in ein Mädchen aus meiner Klasse verliebt, hab ihr Liebesgedichte geschrieben, die sie aber nicht haben wollte. Und ich dachte: Dann gründe ich eben eine Band und singe ihr die Gedichte beim Schulfest vor.“ Gedacht, getan: Mit Freunden zusammen baut er aus Waschmittel-Trommeln ein Schlagzeug und aus Holz zimmern sie sich Gitarren. „Ich stand vorne in so einer Shakin’-Stevens-Jacke, habe diese Liebesgedichte gesungen und die Leute sind durchgedreht. Die haben getobt – dabei gab es gar keine Musik, nur meinen Gesang. Und ich dachte: Toll, das möchte ich mein Leben lang machen!“

Weltstars im Dorf

Mit ihm stehen damals seine Freunde Marek und Fabian Harloff in der Schulaula, deren Vater als Synchronregisseur beim Fernsehen arbeitet. Er nimmt die Jungs regelmäßig mit ins Studio Hamburg in Hamburg-Wandsbek: „Wir haben da die deutschen Kinderstimmen in irgendwelchen ungarischen Filmen oder Western gesprochen oder bei der Dr.-Oetker-Werbung. Was klasse war: Ein Satz und du bekamst 500 D-Mark, und wir haben uns richtige Gitarren gekauft und ein richtiges Schlagzeug und wurden die Weltstars bei uns im Dorf.“

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Seine erste Rockband gründete er mit neun Jahren. Er war verliebt und was passt da besser, als seine Liebessehnsucht dem Publikum zu gestehen?

Doch ganz so gradlinig geht es nicht weiter: Als er 15 ist, als die Erwachsenen mit ihrer Was-willst-du-eigentlich-werden?-Frage nerven, kriegt er die Krise. „Es ging mir nicht gut. Ich wusste nicht, was ich wollte und wozu ich da bin. Es gab so viele Möglichkeiten. Ich hatte mittlerweile verschiedene Bands gegründet, aber alle sagten: ,Lern was Anständiges, mit Musik kommst du nicht durch.‘“

Zum Glück steht ihm damals eine Mentorin zur Seite, eine ältere Schauspielerin aus der Nachbarschaft: „Die gab mir einen Umschlag und meinte: ,Da ist Geld drin. Und eine Adresse. Entweder du versäufst das Geld, das ist in Ordnung. Oder du gehst zu dieser Adresse in St. Georg, eine Frau, eine Wahrsagerin aus Rumänien.‘“ Lange überlegt er – und geht dann hin. „Es war wie im Film: mit Katzen und einer ganz mystischen Atmosphäre, sie hat mir die Karten gelegt und mir viel aus meiner Vergangenheit erzählt, und es stimmte alles.“ Doch er will ja wissen, wozu er auf der Welt ist! Was seine Aufgabe sei. „Und da sagte sie: ,Musiktheater!‘. Und ich: ,Also Musical?‘. Und wieder sie: ,Nein, dazu bist du viel zu undiszi­pliniert.‘ Ich: ,Was meinen Sie mit Musiktheater? Sagen Sie es mir!‘ Und wieder sie: ,Nein, das wirst du eines Tages selber herausfinden.‘“

Heute ist ihm klar, worin er aufgeht, was ihn erfüllt, was ihn glücklich macht: inszenierte Konzerte! Abende mit Band auf einer Theaterbühne, wo er nicht die Songs schnöde und ruppig runterrockt, sondern wo er mit leisen und lauten Tönen spielt und er einen feinen Faden zum Publikum spinnt. Wo es ein angedeutetes Bühnenbild gibt, wo er ein dezentes Kostüm trägt – wie auch bei seinem neuen, zweiten Liederabend: „Jan Plewka singt Simon & Garfunkel“.

Auch dieser Abend ist übrigens konzipiert mit Tom Stromberg: Plewka und seine schwarz-roten Heilsarmeekumpels sitzen eines Abends mit Stromberg in dessen Büro zusammen, man langweilt sich, trinkt, hat keine Ideen, was man mal Neues machen könnte. Stromberg zieht eine Schublade auf, kramt in einem Stapel DVDs herum, findet eine Aufnahme des legendären Simon & Garfunkel-Konzertes im New Yorker Central Park und legt die ein. Aber was sollen sie denn mit diesem alten Hippiekram aus den 60ern? Bis nach wenigen Minuten der Funke überspringt und sie merken, welche Kraft in diesen Liedern steckt. Die Idee für ein neues Programm ist geboren, dem sie mit großer Leidenschaft nachgehen werden. Plewka sagt: „Das ist ein großes Glück, das machen zu dürfen, was ich kann und was auch von meiner Seele verlangt wird.“

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„Und jetzt sind wir länger zusammen als beim ersten Mal.“

Und Selig, seine Rockband? Die ist keinesfalls vergessen. Im Gegenteil! Dabei waren sie schon mal auseinander: 1993 hoffnungsvoll gegründet, schnell sehr erfolgreich, mit Platzierungen in den Charts und ausverkauften Tourneen nicht nur durch Deutschland gesegnet. Dann gescheitert an ihrem Anspruch, gleichzeitig erfolgreich und eigensinnig zu sein. „Wir wollten so groß werden wie Die Toten Hosen oder Die Ärzte, aber wir waren nicht bereit dazu; wir spielten beispielsweise lieber im Docks als in der Alsterdorfer Sporthalle“, wie Plewka es rückblickend sieht. Klar, dass das auf die Stimmung schlägt, dass man sich immer öfter untereinander streitet.

Im Januar 1999 löst sich Selig offiziell auf. Plewka war schon zuvor ausgestiegen, hatte sich mit Frau und erstem Kind eine Auszeit in Schweden verordnet. Zurück in Hamburg, gründet er die Bands Zinober und TempEau, spielt in Filmen, singt Mozart, entdeckt dabei die klassische und anschließend die Neue Musik und findet zum Theater. Dann 2008 – ein Wiedersehen: „Unser erstes Treffen war nicht witzig. Weil – es gab all diese Vorwürfe: ,Du hast damals das gemacht … und du hast damals das gesagt …‘ Aber dann machte unser Schlagzeuger einen Witz und alle lachten und wir merkten: Hey, da ist wieder dieses alte Lachen.“ Sie beschließen, sich wiederzutreffen. „Und jetzt sind wir länger zusammen als beim ersten Mal.“ Was geholfen hat? „Vergeben können.“ Und Plewka sagt so ernst wie leichthin: „Vergeben reinigt die Seele.“

Und nun sitzt er da und schreibt neue Songs. Nachdem die letzte Selig-Platte „Die Besten“ in einer Art Werkschau ihre Lieblingssongs versammelte, denkt er daran, dass zu Weihnachten eine neue Selig-Platte unter dem Tannenbaum liegen könnte. Das wollte er schon immer mal: „Der Name ,Selig‘ und Weihnachten, das passt doch zusammen, oder?“ Er sagt: „Für viele Selig-Fans sind wir der Soundtrack ihres Lebens.“ Und er muss zum Schluss dazu noch was Passendes erzählen, denn er hat gerade einen Brief von einem Fan bekommen, der ihm Folgendes schrieb: „Neulich habe ich den Plattenschrank meiner Eltern durchgesehen – da stand nur Mist, aber dann fand ich eine Selig-Platte, und jetzt weiß ich: Die haben doch einen ganz guten Geschmack.“

„20 Jahre Selig – Die Besten Tour“: So, 24.5., Große Freiheit, Große Freiheit 36, 20 Uhr, Karten: 29,45 Euro.

Text: Frank Keil
Foto: Dmitrij Leltschuk