Fleißig zum Erfolg

Ein Unternehmensberater gibt dem Müßiggang keine Zukunft

(aus Hinz&Kunzt 140/Oktober 2004)

Es ist Sonntag, ich stehe unter unserem Apfelbaum, als Rainer Willmanns (45) aus Leverkusen anruft. Er ist aus dem Urlaub zurück, und während seine 1400 E-Mails durchlaufen, hört er seinen Anrufbeantworter ab. Ich will ihn als Vorsitzenden des Deutschen Managerverbandes und selbstständigen Unternehmensberater zum Thema Zeit und Muße interviewen. Wir wollen wegen eines Termins im Lauf der Woche telefonieren. Aber es dauert, bis wir uns wieder erreichen. Wir mailen und sprechen uns die Anrufbeantworter voll. Mal erwische ich ihn mitten im Training von Führungskräften, mal auf der Autobahn. Einmal bereite ich selbst gerade hektisch das Abendessen zu. „Ich weiß, es geht um das Thema Müßiggang“, sagt er, wir lachen beide. Am Ende klappt es doch: am Freitagabend, während andere im Kino sitzen oder daheim auf dem Sofa.


Hinz&Kunzt:
Deutsche Führungskräfte arbeiten bis zum Umfallen. Klischee oder Wahrheit?

Rainer Willmanns: Wer verantwortungsvoll ein Unternehmen leitet, arbeitet mit Herzblut. Ein Manager arbeitet nicht selten 16 Stunden am Tag an sechs bis sieben Tagen die Woche. Trotzdem musste im vergangenen Jahr jede zehnte Führungskraft in Deutschland ihren Posten räumen. Das zeigt, dass ein gehöriger Erfolgsdruck vorhanden ist.

H&K: Wer ist besonders bereit, über seine Grenzen zu gehen?

Willmanns: In die Engagement-Falle tappen oft Mitarbeiter, die sich hocharbeiten wollen. Sehen und gesehen werden ist die vermeintliche Empfehlung. Dass Qualität vor Quantität geht, merken die Emporkömmlinge selten. Insgesamt gilt: Führungskräfte sind notgedrungen Workaholics. Privates rückt in den Hintergrund, alles ist wirtschaftlich ausgerichtet.

H&K: Hilft es, sich Verbote zu erteilen, um die Muße zu erhalten – etwa: Sonntags nie!

Willmanns: Das sind nur gute Vorsätze, die deprimieren, weil man sie nicht einhalten kann. Wenn montags um 9 Uhr ein Geschäftstermin in der 500 Kilometer entfernten Stadt ist, fährt man gezwungenermaßen schon sonntags. Sport ist die einzige Ausnahme. Wer sich vornimmt, vier Mal die Woche zu joggen, sollte das um alles in der Welt einhalten!

H&K:Sind Müßiggänger am Ende ökonomisch produktiver?

Willmanns: Geschwindigkeit, Turbo-Marketing, Übernacht-Lieferung und Kurzschlafphasen sind heute an der Tagesordnung. Da hat Müßiggang keine Zukunft. Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen!

H&K: Zeit für Muße – ist das eine Frage der Einstellung oder Resultat guter Technik?

Willmanns: Gute Führungskräfte sind in der Lage, Ziele zu delegieren und lediglich die Erreichung der Zielvereinbarung im Auge zu halten. Das ist tatsächlich eine Einstellung. Wer dann noch perfekte Hard- und Software einsetzt, hat gute Chancen auf ein vernünftiges und erfülltes Arbeiten. Aber ich schätze, dass 95 Prozent der deutschen Unternehmen nicht einmal eine effektive technische Plattform besitzen! Was hier an Kapital und Energie verschwendet wird, ist mit Sicherheit noch einmal so hoch wie das Brutto-Inlandsprodukt!

H&K:Sie haben Ihr Büro inzwischen im Haus. Sitzt die Arbeit mit am Küchentisch?

Willmanns: Ich kann pro Tag zwei Stunden mehr arbeiten, weil ich keinen Stau mehr absitzen muss. Ergibt zwölf Stunden weniger vergeudete Zeit pro Woche. Für die Familie bin ich meist ansprechbar. Sonntags kann ich als Frühaufsteher von 6 bis 10 Uhr ohne Telefonterror herrlich die Restarbeiten erledigen, um danach mit meiner Familie den Tag zu genießen. Dass dieses Interview jetzt am Freitagabend stattfindet, deutet aber an, dass es weiterhin keine festen Arbeitszeiten geben wird – apropos: auch für Sie nicht!

H&K: Wann haben Sie sich zuletzt bis zum Abwinken gelangweilt?

Willmanns: Nach einem extrem schweren Verkehrsunfall im letzten Jahr lag ich auf der Intensivstation. Die Tage und Nächte nach dem Koma waren unerträglich, weil ich nichts Kreatives anstellen konnte. Dass ich heute aussehe und funktioniere wie vor dem Unfall, ist für mich ein Geschenk des Himmels und ich genieße mein arbeitsreiches wie erfolgreiches Leben noch mehr!

Interview: Frank Keil

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