Am Flughafen läuft es jetzt gut mit den Flaschensammlern: Probeweise dürfen sie wieder sammeln, die
Verwaltung feilt an einem tragfähigen Konzept. In der Innenstadt sollen weitere Pfandregale aufgehängt werden.
(aus Hinz&Kunzt 266/April 2015)
Treffen mit dem Flughafenmanagement im Hamburger Airport, Terminal 2. Seit sechs Wochen ist das Flaschensammeln zu diesem Zeitpunkt hier wieder erlaubt. Gefährden die Flaschensammler den „ungestörten Betrieb“ des Flughafens und den „angenehmen Aufenthalt“ der Passagiere? So hatte der Airport das Sammelverbot und die 97 Strafanzeigen gerechtfertigt. Erst der große Erfolg unserer Onlinepetition bewirkte, dass die Anzeigen im Februar zurückgenommen wurden und das Pfandsammeln probeweise wieder erlaubt ist.
„Es gibt von ein paar Ausnahmen abgesehen eigentlich keine Probleme“, bewertet Johannes Scharnberg vom Flughafenmanagement die ersten Wochen des Testlaufs. Puh! Bis Mitte Mai wollen sich die Betreiber auch Gedanken um ein langfristiges Konzept machen, wie mit dem Flaschensammeln am Airport sinnvoll umgegangen werden kann.
Auch mit Pfandringen an den Mülleimern wollen sie experimentieren. Sogar einen richtigen Plan haben sie schon entwickelt: Nur direkt vor den Sicherheitskontrollen soll das Sammeln nicht allen erlaubt werden – hier sind „professionelle Pfandsammler“ geplant, die die Behälter mit den Flaschen leeren. „Wir werden von dem Pfandgeld Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigen, die wir so aus der Arbeitslosigkeit oder aus prekären Verhältnissen rausholen“, erklärt Scharnberg. Beeindruckend!
Wir wollen uns selbst ein Bild machen und schauen uns an zwei Vormittagen im März in und vor dem Flughafen um. Zunächst treffen wir zwei Bundespolizisten, die ihre Runde durch den Terminal drehen. „Die Flaschensammler sind mir noch nie negativ aufgefallen“, sagt einer. Auch habe er nicht wahrgenommen, dass es mehr geworden seien, seit das Verbot aufgehoben wurde. Ein alter Mann in dunkelbrauner Jacke kommt durch die Drehtür und geht mit seiner Tasche durch das Flughafengebäude. Er könnte ein Tourist sein, so unauffällig ist er. Dabei ist er ein richtiges Flughafen-Urgestein! „Damals, als sie den Flughafen neu gebaut haben, war ich mit auf der Baustelle“, erzählt der 79-Jährige. „Ich hab die Rolltreppe gebaut!“ Auch heute kommt er zum Geldverdienen her, jeden Tag mit der S-Bahn aus Wedel. Weil die Rente nicht reicht, sammelt er hier Flaschen. Ärger mit dem Sicherheitspersonal habe er noch nicht gehabt.
Schließlich kommt noch ein junger Pole um die Ecke, der zum ersten Mal am Flug hafen Flaschen sammelt. Er sei obdachlos, erzählt er in gebrochenem Deutsch. „Jetzt habe ich Geld, vielleicht kann ich im Hostel schlafen. Was kostet das?“, fragt er. Dann fährt er die Rolltreppe hinunter, zwei Sicherheitsdienstmitarbeiter kommen ihm entgegen. Sie grüßen sich freundlich.
Auch in der Innenstadt geht gerade eine Testphase zu Ende. Die Stadtreinigung hat seit dem vergangenen Sommer mit Pfandregalen an den neuartigen „Big Belly“-Mülleimern experimentiert, in die Pfandsammler nicht hineingreifen können. Nach einem Hinz&Kunzt-Bericht darüber regte sich Protest im Internet. Der wurde schließlich so stark, dass das Unternehmen die heutigen Regale entwickelte.
Die Sammler in der City sind unauffälliger geworden, seit sie nicht mehr im Müll wühlen. Im Vorbeigehen können sie die Flaschen aus den Regalen herausnehmen, lange bleibt dort keine stehen. Nur landet leider auch viel Müll in den Pfandregalen. „Gerade die Jugendlichen knallen da ihre Cola- oder Kaffeebecher rein“, sagt ein Flaschensammler. „Ich habe die schon oft genommen und in den Mülleimer geworfen, der ist ja daneben.“
Für die Reinigung der Pfandregale wird vermutlich ein Großteil der jährlich 50.000 Euro ausgegeben werden, die der Senat zur Anschaffung weiterer Regale bereitgestellt hat. Die Stadtentwicklungsbehörde prüft noch, wie viele sie an den Mülleimern anbringen wird. „Es ist absehbar, dass sich nicht jeder Standort eignen wird“, sagt ein Sprecher der Stadtreinigung, nicht mit ganz so viel Enthusiasmus, wie ihn die Flughafenbetreiber haben. Die Pfandregale hält der Flaschensammler für eine gute Idee. „Nur muss das auch genutzt werden!“, sagt er. „Es muss mehr publik gemacht werden, dass das Pfand in das Regal gehört.“
Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante