Charitone : Fetter Sound für Hinz&Kunzt

Riesensause am 15.9. ab 17 Uhr im Stadtpark: Die NDR Bigband trifft beim Charitone-Benefizkonzert auf bekannte Hamburger Musiker wie Stefan Gwildis, Cäthe oder Roger Cicero. Der Clou daran: Ihre Songs ­werden neu arrangiert. Warum sie dabei sind und was sie uns zum 20. Geburtstag wünschen, haben uns die Künstler und die ­Veranstalter vorab verraten. Für 29,50 Euro sind Sie beim Konzert dabei! Hören Sie doch mal, was die Künstler zu bieten haben – unter www.hinzundkunzt.de!

(aus Hinz&Kunzt 247/September 2013)

Boy:
„Mit Respekt begegnen“

Foto: Marco Sensche
Foto: Marco Sensche

Als Sonja Glass und Valeska Steiner 2011 ihr Debut „Mutual Friends“ veröffentlichten, regnete es Artikel voll Entzücken. „Little Numbers“, angetrieben von einer unwiderstehlichen Pianomelodie, lief auf Repeat im Radio und in Cafés. „Drive Darling“ war der perfekte Soundtrack für die Fahrt im VW-Bulli runter zum Elbstrand. 2005 lernten sich die Beiden im Popkurs der Musikhochschule für Kunst und Theater kennen. Valeska stammt aus Zürich, Heimat des Straßenmagazins „Surprise“.

„Straßenmagazine sind eine gute Möglichkeit, Obdachlose zu unterstützen. Ein Magazin zu kaufen ist etwas anderes, als wenn man einfach nur Geld in einen Hut wirft“, sagt sie. Sonja ergänzt: „Ich bin zum Teil auf St. Pauli groß geworden und denke oft über einzelne Schicksale nach und darüber, wie es so weit kommen konnte.“ Was beiden ganz wichtig ist: „dass man sich mit Respekt begegnet.“

Aktuelles Album von Boy: Mutual Friends, www.listentoboy.com

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Niels Frevert:
Von Anfang an dabei

Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

Der Hamburger Niels Frevert kennt Hinz&Kunzt schon so lange es das Straßenmagazin gibt: „Ich habe tatsächlich die ersten Ausgaben gekauft“, sagt der 45-Jährige, „und ich freue mich sehr, dass es dieses tolle Projekt schon 20 Jahre gibt.“ Etwas gestehen muss er aber auch. Nämlich, dass er selektiv kauft: „Wenn mich das Titelbild anlacht und neugierig macht zum Beispiel.“ Ansonsten unterstützt er „als Musiker vor allem Straßenmusiker, denn das sind ja die Kollegen“.

Er selbst hat seine feinsinnigen, deutschsprachigen Lieder noch nie auf der Straße oder in der U-Bahn-Station gespielt. „Ich habe den Mut nicht“, sagt er. Dabei würden Stücke wie die melancholische Freundschaftshymne „Niendorfer Gehege“ oder das Titelstück des Albums „Zettel auf dem Boden“ garantiert für einen Menschenauflauf sorgen.

Niels Freverts aktuelles Album: Zettel auf dem Boden (Tapete Records)

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Stefan Gwildis:
„Empfinde Dankbarkeit“

Charitone
Foto: Mauricio Bustamante

Deutschlands bekanntester Soulman hat beim Charitone-Konzert einen echten Vorteil gegenüber den anderen Musikern: Stefan Gwildis hat bereits gemeinsam mit der NDR Bigband gespielt. Daraus entstand sein aktuelles Album „Das mit dem Glücklichsein“. Darauf interpretiert der 54-Jährige Hamburger auf die ihm eigene, lässig-elegante Art Jazz-Standards. Klassiker wie „Fly Me to The Moon“ werden bei ihm zu „Schieß mich doch zum Mond“.

Mit Hinz&Kunzt ist Gwildis seit Jahren verbunden. Schon 1995 berichteten wir unter dem Titel „Der Amateur“ (sic!) über ihn. Bei Charitone dabei zu sein, ist „eine große, tolle Sache, für die ich Dankbarkeit empfinde“, so Gwildis.  SIM

Reinhören in die Musik von Stefan Gwildis kann man auf seiner Webseite: www.stefangwildis.de

Stefan Gwildis live mit Trio am 23.11. in der TriBühne Norderstedt, 20 Uhr, Tickets ab 33,85 Euro, aktuelles Album „Das mit dem Glücklichsein“ (105 Music)

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Karsten Jahnke: 
„Gemeinsinn und Musik gewinnen“

Konzertveranstalter
Foto: Andreas Laible

Dass Musik jung hält, dafür ist Konzert- und Tourneeveranstalter Karsten Jahnke das beste Beispiel. Der 75-Jährige hat seine Musikleidenschaft zum Beruf gemacht. Der gelernte Im- und Exportkaufmann gehört seit langem zu den Größen des Geschäfts. Er hat schon Touren mit Bob Dylan, U2, Peter Gabriel und The Strokes organisiert. 700 bis 1000 Konzerte veranstaltet er jedes Jahr. Exklusiv bespielt seine Konzertdirektion auch den Stadtpark. Für das Charitone-Benefizkonzert stellt er das Open Air-Rund Hinz&Kunz großzügigerweise kostenfrei zur Verfügung. Weil er von der Idee überzeugt ist: „In Zeiten wie diesen ist es wichtig, auch denen eine Stimme zu verleihen, die im Kapitalismus nicht um Gewinnmaximierung, sondern um ihren täglichen Lebensbedarf kämpfen.“ Noch dazu ist er als glühender Jazz-Fan, der schon 1959 seine erste Jazzveranstaltung organisierte, ein langjähriger Verehrer der NDR Bigband. „Ich bin überzeugt davon, dass hier nicht nur der Gemeinsinn für die gute Sache gewinnt, sondern auch die Musik!“

Karsten Jahnke Konzertdirektion im Netz: www.kj.de

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Stefan Gerdes: 
„Eine Bereicherung“

Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

NDR-Jazzredakteur Stefan Gerdes hatte die Idee, die NDR Bigband mit Hamburger Singer/Songwritern für Hinz&Kunzt zusammenzubringen. Schon länger wollte der 50-Jährige etwas für das Straßenmagazin organisieren. „Ein Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekt, dessen inhaltliche Qualität mit den Jahren immer besser geworden ist – einfach nur eine Bereicherung“, so Gerdes.

Bei Gassirunden mit Hund Paul gehört der Schnack mit dem Hinz&Kunzt-Verkäufer dazu. „Man grüßt sich und entschuldigt sich, dass man die neueste Ausgabe leider diesmal schon beim Kollegen gekauft hat“, sagt er. Was ihn ärgert: „Dass in Hamburg der Prachtbau zur Pflichtsache für alle erklärt wird, das fehlende Dach über dem Kopf aber zum bedauerlichen Einzelschicksal.“ Für Charitone wünscht sich Gerdes, „dass sich hoffentlich die halbe Stadt aufmacht, auch wenn es dann im Stadtpark ein bisschen eng wird.“

Die NDR Bigband im Netz: www.huklink.de/bigband

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Bernd Begemann:
„Weiter den Weg weisen“

Charitone
Foto: Mauricio Bustamante

Deutsche Texte, britischer Humor: Wenn Bernd Begemann über seine Wahlheimat Hamburg singt, kommen schon einmal Titel wie „Die Slums von Eppendorf“ heraus. Im besagten Lied karikiert der 50-Jährige Superreiche, die in „holzdielengefrästen Altbaupalästen“ residieren, während für arme Musiker kein Platz mehr ist.

Noch sein letztes verschwitztes Hemd würde Begemann für sein treues Publikum geben. Auftritte vor vier zahlenden Gästen, in Jugendzentren und Dorfkaschemmen – kennt er alles. Und auch das Gefühl, nicht zu wissen, woher die nächste Miete kommen soll? „Oh, ja“, sagt er, „manchmal hat das Geld nicht einmal mehr für Beruhigungssüßigkeiten gereicht.“ Ganz ironiefrei sein Glückwunsch zum 20. Geburtstag von Hinz&Kunzt: „Dass ihr weiterhin den Weg weist, wie Opfer zu Akteuren werden können.“

Bernd Begemann live mit Olli Schulz am 20.10. in den Fliegenden Bauten, 18.30 Uhr, Tickets ab 24 Euro zzgl. Gebühren, aktuelles Album: Der brennende Junge – Die beliebtesten Lieder aus 25 Jahren (Tapete Records)

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Pohlmann:
Idealistisch, trotzdem und immer wieder

Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

Entdeckt wurde Ingo Pohlmann in einer Bar in der Schanze. Dort kellnerte der 30-Jährige. Zum Bier gab’s kostenlos einen selbst geschriebenen Song. „Wenn jetzt Sommer wär’“ wurde 2006 zum Hit. Vier Alben hat er  seither veröffentlicht – feinster Folkpop mit Texten, die aus dem Leben kommen.

Seine Weltsicht: idealistisch, trotzdem und immer wieder. Hinz&Kunzt lernte er vor elf Jahren kennen. „Ich musste erst mal über den Namen schmunzeln.“ Er schätzt das Engagement und die Geschichten in Hinz&Kunzt. Sein Wunsch: „Möge sich das Bewusstsein für die Gestrandeten unserer Gesellschaft durch eine Zeitung wie Hinz&Kunzt in einer niemals perfekte Gesellschaft weiter öffnen!“

Pohlmann tritt am 26.9. beim Bundesvision Song Contest für Nordrhein-Westfalen an, 20.15 Uhr, Pro7. Am 29.9. spielt er in der Großen Freiheit 36, 20 Uhr, Tickets ab 25,60 Euro

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Foto: Tristan Ladwein
Foto: Tristan Ladwein

Regy Clasen:
„Ich war baff“

„Ich achte und mag Hinz&Kunzt sehr“, sagt Regy Clasen. Schon seit mehr als 15 Jahren besteht eine Verbindung. Damals war die 42-Jährige noch mit ihrer A-Capella-Gruppe Five Live unterwegs. Seit 2000 spielt sie ihre Chansons solo. In letzter Zeit hat sie sich etwas rar gemacht. Um so schöner, dass sie bei Charitone dabei ist. Das freut auch Stefan Gwildis. Beide standen oft gemeinsam auf der Bühne, haben ein Duett aufgenommen. Und: mit Bigbands musiziert.

Die NDR-Bigband trifft Clasen aber zum ersten Mal. Apropos Treffen: „Einmal war ich auf dem Titelblatt“, erzählt sie über Hinz&Kunzt, „und ein charmanter Verkäufer, der mich nicht erkannt hatte, hat mir meine eigene CD wärmstens ans Herz gelegt: Die sei so toll, die müsste ich mir ­unbedingt kaufen. Da war ich baff, und er dann auch.“

Regy Clasen im Netz: www.regyclasen.de

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Cäthe:
„Mit Haut und Haaren“

Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

„Ich stand schon als Weihnachtsmann an der Straße, habe Staub gesaugt und Crepes verkauft“, sagt Cäthe. Die Sängerin mit der rauchigen Stimme stand die Durststrecken durch – ohne Krankenversicherung, aber mit dem festen Willen, ihr Ding durchzuziehen. Angebote von großen Plattenfirmen lehnte sie ab. Zu viele Kompromisse. „Man muss mit Haut und Haaren vertreten können, was man macht“, sagt die 30-Jährige. Der Titel ihres Debuts (2011) ist Programm: „Ich muss gar nichts.“

Mit der Anfrage für Charitone rannte man hingegen bei Cäthe offene Türen ein. Sie mag an Hinz&Kunzt, „dass man darin erfährt, was in Hamburg los ist: Nicht nur in Winterhude, sondern eben genau dort, wo das Leben passiert.“ Dass Dinge sich nicht von heute auf morgen verändern, weiß Cäthe genau: in der Musik und im Leben. „Alles braucht seine Zeit.“

Cäthe live am 22.11. im Knust, 20 Uhr, Karten ab 21,60 Euro, ­aktuelles Album: Verschollenes Tier (Deag/Sony)

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Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

Nanna Rohlffs: 
„Hemmschwelle verschwindet“

Als studierte Betriebswirtschaftlerin rechnet Nanna Rohlffs mit allem. Das zahlt sich auch bei ihrer Arbeit als Künstleragentin aus. Für Charitone hing die 41-Jährige schon Monate vor dem Konzerttermin am Telefon, fragte Musiker an, verschob Termine, rührte die Werbetrommel und arbeitete eng mit Hinz&Kunzt zusammen. Eine so große Veranstaltung mit neun Hamburger Acts plus der 18-köpfigen NDR Bigband macht auch Rohlffs, die sonst Künstlerinnen wie Etta Scollo oder Regy Clasen vertritt, auch nicht alle Tage.

An Hinz&Kunzt mag sie, „dass über den Kauf die Kontakt-Hemmschwelle verschwindet.“ Das 20-jährige Jubiläum freut sie – einerseits. „Andererseits würde ich mir wünschen, dass in einer reichen Stadt wie Hamburg Obdachlosigkeit kein Thema mehr ist. Dann hätte man mit Hinz&Kunzt wirklich das größtmögliche Ziel erreicht.“

Nanna Rohlffs Agentur Maganda im Netz: www.maganda.de

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Foto: Mauricio Bustamante
Foto: Mauricio Bustamante

Wolf Kerschek: „Weiter so!“

Der Musik-Professor Wolf Kerschek ist sozusagen der Übersetzer von Charitone: Er hat die Original-Songs unserer Künstler ins „Bigbändische“ übertragen, sprich sie behutsam für die 18 Musiker der NDR Bigband umarrangiert. Kerschek könnte mit seinen langen Locken und der getönten Brille selbst als Rockstar durchgehen. Zuzutrauen ist es dem Tausendsassa, der Komponist, Arrangeur, Produzent, Dirigent und Musiker und Hamburger Jazzpreisträger 2013 in Personalunion ist. Bis tief in die Nacht feilte der 43-Jährige an den Charitone-Arrangements – und fing sich dabei so manchen Ohrwurm ein. Seine erste Hinz&Kunzt-Ausgabe erstand er „bei einem sympathischen, tätowierten Verkäufer mit dem ich noch länger geredet habe.“ Zum 20. Geburtstag wünscht Kerschek uns „weiter soviel gelebte Menschlichkeit und Hoffnung“.

Wolf Kerschek im Netz: www.kerschek.com

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Roger Cicero:
Kein Hamburg ohne Hinz&Kunzt

Foto: Mathias Bothor
Foto: Mathias Bothor

Soul, Swing, Jazz, Pop – das ist die Welt von Roger Cicero. Der Mann mit der Vorliebe für Hüte füllt mit Leichtigkeit große Hallen. Im Winter 2012 spielte er jedoch ein Spontankonzert in der Mönckebergstraße – und die Passanten staunten. Das es zu Ciceros erstem Straßenkonzert überhaupt kam, hatte mit Hinz&Kunzt zu tun. Die Idee kam dem Wahlhamburger mit rumänischen Wurzeln, nachdem er uns ein Interview gegeben hatte.

Dass er bei Charitone dabei ist, ist nur folgerichtig für den 43-Jährigen: „Was wäre Hamburg ohne Hinz&Kunzt! Ich freue mich auf den 15.September. Dass unsere nächste gemeinsame Aktion nun in diesem wunderbaren Rahmen, im Stadtpark, mit der NDR Bigband und vielen tollen Kollegen, über die Bühne geht, finde ich großartig.“

Roger Cicero live auch am 11.10. in der Fabrik, ­20 Uhr, Tickets ab 41,85 Euro, aktuelles Album: In diesem Moment (Starwatch/Warner)

Texte: Simone Deckner