Essohäuser auf St. Pauli : Erfolreiche Stadtplanung von unten

„Einmischen lohnt sich“, so lautet das Fazit der Initiative Essohäuser zu den Neubauplänen. Tatsächlich haben die Anwohner deutlich mehr erreicht, als lange Zeit zu erwarten war: Auf dem Areal am Spielbudenplatz entstehen zahlreiche günstige Wohnungen.

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Während der weiteren Planungsarbeiten bleibt der Container der Planbude am Spielbudenplatz stehen.

Im Tauziehen um das 6190 Quadratmeter große Areal der ehemaligen Essohäuser zeichnet sich ein Happy End ab. Der Eigentümer, die Bayerische Hausbau, will bei den Neubauplänen fast alle Wünsche der Anwohner berücksichtigen. Diese Wünsche hatte die Stadtteilinitiative Essohäuser in einem monatelangen Beteiligungsverfahren in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Mitte gesammelt. Mit Erfolg: Mehr als 2000 Beiträge wurden eingereicht und analysiert. „Wir wissen jetzt besser, wie die Menschen auf dem Kiez ticken“, sagt Margit Czenki von der Initaitive. „Der St. Pauli-Code ist geknackt.“

Die Ergebnisse aus dem Beteiligungsprozess bilden die Grundlage für den jetzt ausgehandelten Kompromiss. Ein Kompromiss, bei dem vor allem die Bayerische Hausbau als Eigentümer und Projektentwickler die größten Abstriche machen muss. Ursprünglich waren 240 Wohnungen vorgesehen, zu je einem Drittel Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen. Jetzt hingegen werden sogar 60 Prozent der neuen Wohnungen gefördert und somit im unteren Preissegment entstehen. Bernhard Taubenberger, Pressesprecher der Bayerischen Hausbau, kündigte allerdings bei einer Informationsveranstaltung für die Anwohner an, dass diese Aufgabe an Genossenschaften delegieren werden könnte. Ein weiteres Entgegenkommen: Die Bayerische Hausbau verzichtet gänzlich auf Eigentumswohnungen. „Da tränt uns das Herz“, räumte Taubenberger ein.

Im Gegenzug wird verdichtet und es werden deutlich mehr Gewerbeflächen entstehen. Dazu gehört unter anderem ein 6000 Quadratmeter großes Hotel gleich an der Reeperbahn. Ein Hotel widerspricht zwar den Wünschen der Anwohner. Weil aber auch wieder Clubs und Kneipen auf der Vorderseite Platz finden sollen, sei diese Seite zum dauerhaften Wohnen nicht geeignet, so Bezirksamtschef Andy Grote. Deswegen sollen Wohnungen auf der Rückseite hin zur Kastanienallee gebaut werden. Daneben soll eine Gewerbezeilen für die Nahversorgung errichtet werden. Und eine weitere Besonderheit: Stadtteilinitiativen und weitere kreative Projekte sollen günstig Gewerbeflächen anmieten können.

Insgesamt wird der Neubau deutlich größer ausfallen. Der befürchteten abweisenden Einheitsarchitektur wie etwa bei den Tanzenden Türmen soll daher durch architektonische Tricks und Kniffe begegnet werden. Abwechslungsreiche Gebäudeformen und Durchgänge auf dem Gelände sind vorgesehen. Viele der Dächer sollen öffentliche Nutzungen erhalten und zugänglich sein. Und schon jetzt steht fest: „Ketten und Büros werden keinen Platz in den Neubauten finden, sondern viel kleinteiliges und kiezaffines Gewerbe“, freuen sich die Initiativen-Mitglieder.

Ende gut, alles gut?

„Wir haben die Weichen gestellt für ein echtes neues Stück St. Pauli“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote. „Es könnte zum ersten Mal gelingen, mit einem Neubau nicht zur Verdrängung von Altem beizutragen, sondern im Gegenteil ihr entgegenzuwirken.“ Es gibt eine Szene in dem Dokumentarfilm „Buy Buy St. Pauli“, die den Wandel in den Verhandlungen gut festhält. Sie stammt aus dem Jahr 2013. Sabine Stövesand, Professorin an der HAW, meldet sich bei der Präsentation des Gutachtens zu den Essohäusern zu Wort. Sie macht sich für den Erhalt der Häuser stark und fordert Bernhard Taubenberger auf: „Nutzen Sie die Chance hier auf St. Pauli. Sie könnten in die Geschichte eingehen, als Investor der Herzen.“ Damals erntete sie nur ein müdes Lächeln des Pressesprechers.

Monate später sind die alten Gräben zugeschüttet. Alle Beteiligten begrüßen das Ergebnis und loben sich gegenseitig für den respektvollen Umgang. Sabine Stövesand wird als Jurymitglied über die Neubaupläne mitentscheiden. Und Bernhard Taubenberger spricht von einem „Gewinn für St. Pauli“ und er lobt die Anwohner „für ihren Gestaltungswillen und ihre Kreativität.“ Es wirkt fast so, also habe auch die Bayerische Hausbau den St. Pauli-Code geknackt.

Wohl auch deswegen räumt die Bayerische Hausbau den Bewohnern und dem Molotow ein Rückkehrrecht zu gleichen Bedingungen wie vor der Räumung vor anderthalb Jahren. Clubs wie das Planet Pauli hingegen erhalten noch keine Zusage. Auch daran wird sich der Investor messen lassen müssen. Denn wenn bis zur angepeilten Fertigstellung der Neubauten 2019 tatsächlich alle Vereinbarungen eingehalten werden, dann könnte die Bayerische Hausbau am Ende doch noch als „Investor der Herzen“ auf St. Pauli reüssieren.

Text und Fotos: Jonas Füllner