Kafferösterei Quijote : Ein Hauch von Utopia

Katharina Scholz alias Katze ist Teil des Rösterei-Kollektivs Quijote. Foto: Andreas Hornoff.

In Rothenburgsort will die Kaffeerösterei Quijote Maßstäbe in puncto Nachhaltigkeit und fairen Handels setzen. Mit radikaler Transparenz und Basisdemokratie.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Der Lärm, den die Bohnen erzeugen, wenn sie gegen die stählerne Trommel schlagen, ist ohrenbetäubend. Pakos Augen sind auf den Bildschirm eines Laptops gerichtet, der den Röstgrad des Kaffees in der Maschine überwacht. Es duftet würzig. „Das ist unser Cremaconda. Ein Hundertprozent Robusta“, brüllt der junge Mann, dessen lange Haare unter einer Carhartt-Mütze herausschauen, gegen den Lärm an: „Eine unserer dunkelsten Röstungen.“

Wir befinden uns in einem Industriegebiet in Rothenburgsort. In den Lagerhallen gegenüber des alten Zollamts ist heute „Quijote-Kaffee“ zu Hause. Eine kleine Rösterei, wie es mittlerweile viele in Deutschland gibt – und die doch ganz anders sein will. Das Kollektiv ist zehn Jahre alt. Oberste Ziele: maximale Qualität und maximale Transparenz. Das sagt Katze, eine muntere Frau mit tätowierten Armen. Eigentlich heißt sie Katharina Scholz, sie ist bei Quijote neben der Produktion für alles zuständig, was mit Kommunikation zu tun hat. Neben Pako und Katze gehören auch Eisbär, Pingo und Gazelle zum Kollektiv. „Das ist hier halt so ein bisschen Zirkus, so ein bisschen Utopia“, sagt Katze und lacht. Außerdem würden die Tiernamen für gute Stimmung im Team sorgen.

„Das ist hier so ein bisschen Zirkus, so ein bisschen Utopia.“– Katze

Neben den Spitznamen heben noch weitere Besonderheiten die Laune. Wer bei Quijote anfängt zu arbeiten, soll am Unternehmen beteiligt werden. Bei sechs der zwölf Angestellten ist das bereits der Fall. Die übrigen sind aktuell noch in der Phase der Anwärterschaft, die bis zu zwei Jahre dauert. Entscheidungen werden im gemeinsamen Plenum getroffen – möglichst im Konsens. Und alle bekommen den gleichen Lohn: 25,38 Euro die Stunde. Hamburger Durchschnittslohn im produzierenden Gewerbe.

In Metalleimern lagert der Rohkaffee. Foto: Andreas Hornoff

Der basisdemokratische Ansatz gilt nicht nur auf dem Betriebsgelände. Die Kaffeeproduzent*innen, mit denen Quijote zusammenarbeitet, sind ebenfalls als basisdemokratische Kooperativen organisiert. Und sie arbeiten nach ökologischen Standards. Um das zu kontrollieren und um Kontakt mit den Kooperativen zu halten, fliegen Quijote-Mitglieder immer wieder in die Ursprungsländer und überzeugen sich vor Ort von den Arbeits- und Anbaubedingungen. Eigentlich: Wegen Corona sind die Reisen derzeit nicht möglich. Dennoch bleibt der Kontakt eng. So eng, dass sie bei Quijote mitbekommen, wenn sich Menschen in den Kooperativen mit Corona infizieren. Und wenn sie am Virus sterben, wie Katze erzählt. „Die Situation ist für die Menschen vor Ort eine riesige Belastung. Auch psychisch.“

Maximale Transparenz

Um diese engen Beziehungen für die Kundschaft in Deutschland nachvollziehbar zu machen, veröffentlicht Quijote Transparenzberichte auf seiner Homepage. Dort steht etwa, dass Quijote mindestens drei Dollar pro britischem Pfund Arabica Kaffee zahlt. Zum Vergleich: Bei Kaffees mit Fairtrade und Biosiegel liegt der Mindestpreis bei nur 1,90 Dollar. Der Weltmarktpreis steht bei 1,20 Dollar. Eine weitere Besonderheit: Mindestens 60 Prozent des importierten Kaffees wird vorfinanziert. So haben die Kooperativen vor Ort auch bei Ernteausfällen eine gewisse Sicherheit.

„Am Anfang stand die Frage: ‚Wie kann ich die Menschen vor Ort unterstützen?‘“– Pingo

Für den unbedingten Willen zu fairer Bezahlung und Transparenz steht Andreas Felsen alias Pingo. Der drahtige, ruhige Mann mit dem sympathischen Lächeln ist einer der Gründer des Kollektivs. Pingo war in den 1990er-Jahren als Menschenrechtsbeobachter in Mexiko unterwegs. Dabei habe er auch Kaffeefarmen besichtigt und erlebt, wie wenig Geld letztlich dort ankam, erzählt er. „Am Anfang stand die Frage: ‚Wie kann ich die Menschen vor Ort unterstützen?‘ Alles Weitere folgte daraus.“

Der Robusta-Espresso ist fertig. Dampfend fließen die dunkel gerösteten Bohnen in ein Auffangbecken, das mit seinen Metallarmen an ein überdimensionales Rouletterad erinnert. Hier werden die Bohnen durchgerührt und kühlen ab, bis sie von Pako in die bereitstehenden Eimer abgelassen und dann von Hand in die Abpackmaschine gefüllt werden. Fertig für den Verkauf. Es ist diese Unmittelbarkeit und damit die Erlebbarkeit des Produkts, die Pingo so begeistern. Und es ist zugleich die Komplexität von Kaffee, für die der Gründer schwärmt: die landwirtschaftliche Erzeugung, das Handwerkliche, das Soziale, der Handel, die Problematik der Kolonialgeschichte. Außerdem sei da die Qualitätsentwicklung, fast wie beim Wein. „Aber im Gegensatz zum Weinkeltern ist Kaffeerösten letztlich leicht. Die harte Arbeit machen die Menschen im Süden.“

Wachstum um jeden Preis? Bitte nicht!

Katze und Pingo beobachten, dass heute viele Röstereien mit Transparenz werben – in Wirklichkeit aber kaum mehr als den Namen des Anbauers kennen. Ein Marketingtrick, der für sie nicht infrage kommt. Doch sie sehen langsam einen Wandel: „Wir freuen uns, dass es auch andere Röstereien gibt, die wir bedenkenlos empfehlen können.“

Quijote bei Hinz&Kunzt

Kaffee von Quijote gibt’s auch im Hinz&Kunzt-Shop. Der Filterkaffee !DESPACITO! und der Espresso !VAMOS! kosten jeweils 6 Euro pro 250-Gramm-Packung.

Empfehlungen sind nötig. Quijote ist nämlich regelmäßig ausverkauft. Auch weil der Onlinehandel in der Coronakrise boomt. Da sich das Kollektiv ein Limit von 3500 Kilo Kaffee pro Woche auferlegt hat, wird sich daran so schnell nichts ändern. Wachstum um jeden Preis? Bitte nicht! Durch diese Begrenzung, erklärt Katze, habe Quijote Zeit für den Austausch mit den Produzent*innen. Und auch für das Team sei es wichtig, entspannt miteinander arbeiten zu können. „Es ist sicher nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen“, sagt Katze. Aber alle zögen an einem Strang, für alle stehe das Projekt selbst im Vordergrund. „Und dieses Gefühl kenne ich nicht aus anderen Betrieben.“

Artikel aus der Ausgabe:

Sexworker in der Corona-Falle

Die käufliche Liebe in den Zeiten von Corona ist für die Beteiligten wenig bis gar nicht lukrativ. In unserem aktuellen Magazin werfen wir einen Blick auf eine gebeutelte Branche. Außerdem: Zuletzt sind auf Hamburgs Straßen so viele Obdachlose gestorben, wie nie zuvor. Tut die Stadt genug, um die Ärmsten in der Coronakrise zu schützen? Und: Wir suchen die schönste Höhle Hamburgs – beim Höhlenwettbewerb von Hinz&Kunzt.

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Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.