Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte : „Die Welt kommt zu mir“

Seit 29 Jahren holt die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte Menschen in die Hansestadt, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten. Martina Bäurle sorgt dafür, dass die Gäste zur Ruhe kommen.

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Sie hat in Frankreich, Chile und Spanien studiert, bereiste Indien und Simbabwe: Martina Bäurle ist Geschäftsführerin der Stiftung.

Ich kann auch den Ole fragen, ob er Zeit hat“, hatte Martina Bäurle einige Tage vor unserem Treffen am Telefon gesagt. Vorschicken wollte sie keinen Geringeren als Ole von Beust, ehemaliger Bürgermeister der Hansestadt und Vorstand der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. So richtig wollte die Geschäftsführerin der Stiftung zunächst nicht ins Rampenlicht.

Dabei leitet die 53-Jährige seit 24 Jahren die Organisation, die in jedem Jahr drei bis fünf Menschen aus autoritären Regimen für je zwölf Monate nach Hamburg holt und damit nicht selten deren Leben rettet. Und eigentlich ist Martina Bäurle darauf auch zu Recht mächtig stolz: „Ich bin total begeistert“, sagt sie über ihre Arbeit in der Stiftung.

Sie selbst holt die Gäste vom Flughafen ab und betreut sie während ihrer Zeit in Hamburg. „Ich versuche, Vertrauen und eine Beziehung aufzubauen“, sagt sie. Manchen Stipendiaten bringt sie Fahrradfahren bei, mit anderen geht sie ins Schwimmbad. Gerade bereitet sie ein Adventsfest vor, zu dem sie zu sich nach Hause einlädt. „Es geht nicht nur darum, in Hamburg zu sein“, erklärt sie, „sondern darum, sich im Alltag frei von Angst bewegen zu können.“ Am schönsten sei es zu sehen, wie die Stiftungsgäste aufblühen und lächeln.

Denn Lächeln fällt ihren Gästen anfangs häufig schwer. Oft haben sie sich jahrelang für Freiheit und Demokratie eingesetzt und wurden dafür verfolgt. So erging es auch der Tunesierin Sihem Bensedrine, die die Stiftung 2004 „in letzter Minute vor den Schergen des Diktators Ben Ali retten konnte“, wie Bäurle es formuliert. Schon in den 70er- Jahren hatte Bensedrine die tunesische Liga für Menschenrechte mitgegründet, die zum „Quartett für nationalen Dialog“ gehört. In diesem Jahr ist das Quartett mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. „Das ist ein toller Erfolg!“, freut sich Bäurle über die Anerkennung für das Engagement ihrer Stipendiatin. Und sie schiebt hinterher: „Wenn wir nicht gewesen wären, gäbe es sie nicht mehr.“

Nicht immer läuft es so gut für ihre Gäste. Erst im August ist die Friedensaktivistin Leyla Yunus in Aserbaidschan zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Offiziell wegen Steuerhinterziehung, doch Bäurle vermutet politische Gründe. „Eigentlich schützt die Einladung nach Hamburg vor weiterer Verfolgung.“ Doch Leyla Yunus konnte sie nicht beschützen. „Das geht mir sehr nahe“, sagt Bäurle. Sie versucht nun, öffentlich auf das Schicksal ihrer früheren Stipendiatin hinzuweisen – damit sie nicht in Vergessenheit gerät. „Das wäre mein Tod“, habe Yunus ihr neulich am Telefon gesagt. (Update: Im Dezember wurde sie immerhin aus der Haft in den Hausarrest entlassen.)

Das sind dann Telefonate, die Martina Bäurle mit nach Hause nimmt. Dort ist sie zum Glück nicht alleine mit ihren Gedanken. „Mein Mann ist Kriegsreporter gewesen, der versteht das und fängt mich auf.“ Wichtig sei auch, für Ausgleich zu sorgen. Am liebsten sind ihr lange Spaziergänge in der Natur, auf denen sie Vögel beobachten kann. Häufig zieht sie auch ihre Bahnen im Schwimmbad: „Dabei kann man auch mal Sorgen vergessen.“

Gerade steckt sie in den Vorbereitungen für eine große Benefiz-Veranstaltung. Die Schauspielerin Suzanne von Borsody wird aus Elke Heidenreichs Weihnachtsgeschichte „Erika: oder Der verborgene Sinn des Lebens“ lesen – umrahmt von Klassik bis Jazz. Ole von Beust wird die Begrüßungsrede halten. Ein ganz ordentliches Aufgebot. Bäurle sitzt nervös in ihrem Büro und hofft, dass auch genügend Hamburger kommen werden – ganz sicher ist sie sich da nicht. Dabei geht es nicht nur darum, dass ein leerer Veranstaltungssaal kein gutes Bild abgäbe. Es geht um viel mehr: „Wenn wir 450 Karten verkaufen, können wir ein Stipendium finanzieren“, sagt sie. Auf die Einnahmen ist sie angewiesen.

„Die Stiftung ist nicht abgesichert“, erklärt sie.Trotz prominenter Vorstände wie Bürgermeister Olaf Scholz und seinem Amtsvorgänger Klaus von Dohnanyi: „Wir brauchen immer engagierte Bürger, die unsere Arbeit unterstützen.“ Gibt es davon zu wenige, muss Martina Bäurle noch mehr Absagen schreiben, die sie jährlich mit den Einladungen in die Hansestadt verschicken muss: „Da quäle ich mich immer sehr.“

Text: Benjamin Laufer
Foto: Andreas Laible

Benefizlesung mit Suzanne von Borsody: Mi, 9.12., 19.30 Uhr, Atrium der Hanse- Merkur, Siegfried-Wedells-Platz 1. Eintritt: 25 Euro. Weitere Infos.