Der Kommissar vom Kiez

Früher lieh Konrad Halver Märchenprinzen, Möpsen und Winnetou seine Stimme. Heute steht er auf der Bühne – als Krimi-Held Horst G. Dobranski

(aus Hinz&Kunzt 201/November 2009)

Auf der Straße erkennen würde Konrad Halver niemand, aber seine markante Stimme ist vielen vertraut. Viele Rollen hat die Hamburger Hörspiel-Legende im Laufe ihres Lebens gespielt. Der Schauspieler hat Winnetou seine Stimme geliehen, aber auch Eddie Murphy, Mick Jagger oder Jeff Goldblum. Der 64-Jährige hat viel erlebt und ist ein Mann, der klare Worte schätzt. „Niemand soll mich nett nennen. Nett ist der kleine Bruder von ,Scheiße‘“, charakterisiert sich Halver. Der Spruch passt eigentlich besser zu Kommissar Horst G. Dobranski, dem derben Helden, den Halver in der gleichnamigen Krimi-Hörspielserie spricht. Damit ist er noch einmal beruflich durchgestartet.
201-Kiez-KommissarHalver wird 1944 in Salzwedel geboren, wächst aber in Blankenese als Pastorensohn  auf. Schon während der Schulzeit am Christianeum interessiert er sich für Theater, Musik und Kunst. Nach dem Abitur besucht er die Hamburger Schauspielschule Frese, doch er fällt durch die Zwischenprüfung. „Das war hart für mich. Mein Selbstbewusstsein war ganz schön angekratzt.“ Halver geht nach Tübingen, um Jura zu studieren und Politiker zu werden. „Da ist Jura doch die beste Voraussetzung, oder?“ Doch die Vermieter seiner Studentenbude sind zufällig Theaterleute. Sie erkennen sein Talent und verschaffen ihm eine Rolle am Theater in Stuttgart. Doch für sein Gefühl kommt er dort nicht weiter, deshalb zieht es ihn schon bald nach Hamburg zurück. Er bekommt ein Engagement an der in den 60ern bekannten „Kleinen Komödie“ am Neuen Wall. „Das war gehobenes Boulevard, andere Boulevardtheater gab es damals ja noch nicht“, erinnert sich Halver.
Kurze Zeit später heuert er bei der neu gegründeten Firma Miller International an (heute Sony/BMG), die junge Stimmen für den Hörspielbereich sucht. Im Wohnzimmer einer Pöseldorfer Wohnung entstehen die ersten Aufnahmen für die bald überall bekannte Europa-Märchenreihe. Konrad Halver spricht Frösche und Prinzen in Grimms Märchen und schon bald Winnetou – Aufnahmen, die bei Hörspielfreunden bis heute Kultstatus haben und bei Ebay immer noch gehandelt werden.
Auch als Regisseur macht sich Konrad Halver einen Namen. Er traut sich auch an schräge Sachen wie „Mopsy Mops“, seinen Tribut an den Comic. Die Serie um die tierischen Täter Stoff-Ede und Baller-Otto und die Gesetzeshüter Mopsy und Peky führt ziemlich weit weg von der heilen Märchenwelt der 70er-Jahre. Mit ihrem schwarzen Humor und bizarren Geräuschen hat sich die Serie eine kleine, aber feine Fangemeinde erobert. Oliver Kalkofe gestand kürzlich in einem Interview, dass die Geschichte der „Möpse auf Ecstasy“ das „gruseligste Hörspiel“ seiner Kindheit gewesen sei und er sich über eine Rückkehr der Möpse freuen würde. Genauso geht es Halver, denn er plant schon eine Neuauflage mit Rocko Schamoni als Stoff-Ede und seinem Kumpel Reverend D. als Baller-Otto.
In den 80ern wird es ruhiger auf dem Hörspielmarkt. Computerspiele und Privatfernsehen machen dem Kino mit den Ohren Konkurrenz. Halver reagiert flexibel und arbeitet als Schauspieler, Werbetexter,  Produzent und Sprecher. „Leider waren meine Verträge nicht gut. Andere haben Millionen bekommen, ich nur ein paar Hunderter.“ Dafür ist er mit Preisen gewürdigt worden: Im April 2009 den „Ohrkanus“ für sein Lebenswerk sowie ein Jahr zuvor den Hörspiel-Award für den besten Sprecher.
Seit ein paar Jahren erlebt der Hörspielmarkt eine Renaissance. Erwachsene Menschen treffen sich, um gemeinsam „Die drei ???“ zu hören oder als Live-Hörspiele auch zu erleben. An diese Erfolge will Konrad Halvers jüngstes Projekt anknüpfen: 2006 erobert Horst G. Dobranski die Audio-Welt. Der Kommissar ist ein harter Knochen, der nicht zögert, von der Dienstwaffe Gebrauch zu machen. Bei der Ermittlungsarbeit von der Davidwache aus wird geballert und geflucht, ohne Rücksicht auf politische Korrektheit. Aber Dobranski hat das Herz auf dem rechten Fleck. Er muss sich in den bislang zwölf veröffentlichten Folgen nicht nur mit Dealern und Mördern auseinandersetzen, sondern schlägt sich auch mit den Problemen eines geschiedenen Vaters von zwei Kindern herum. Das kommt gut an. „Nicht das Was ist bei den Dobranski-Hörspielen wichtig, sondern das Wie. Die coolen Sprüche, die wir direkt dem Volksmund abgelauscht haben“, so Konrad Halver.
Noch gesteigert wird das Vergnügen, wenn Dobranski alias Konrad Halver die Folgen live auf der Bühne in Szene setzt. „Mit Monty Arnold und Robert Missler (Synchronsprecher in den TV-Serien „King of Queens“ und „Dr. House“), habe ich zwei Vollblut-Komödianten an meiner Seite. Da werden sogar Fehler auf der Bühne zu Riesenbrüllern.“ Sechs Mal waren Dobranski und Kollegen schon in Hamburg zu sehen. Jetzt gibt es wieder was auf die Ohren, und zwar dieses Mal auf dem Kiez, wo Dobranskis Revier liegt. In „Der falsche Franzose“ haben der Kommissar und seine Kollegen es mit einem brutalen Mord und einer kastrierten Leiche zu tun. Und mit Pornorechnungen an arme Witwen und mit der Russenmafia. Das ist skurril, derb und gar nicht nett. Aber die Fans mögen es so. Und nett ist ja schließlich der kleine Bruder von Sch …

Text: Sybille Arendt
Foto: Martin Kath