Zollanlagen Veddel :
Denkmalschutz oder weg damit?

Die SPD möchte die alten Lagerhallen entlang der Bahnstrecke abreißen lassen. Das Denkmalschutzamt hat sie nun aber für schützenswert erklärt. Foto: Miguel Ferraz.

Denkmalschützer und Abrissbefürworter stehen sich oft unversöhnlich gegenüber. Wie etwa im Fall der Zollanlagen auf der Veddel. Ein Streitgespräch. 

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Mehr Wohnungen, Geschäfte und Arztpraxen werden auf der Veddel dringend gebraucht, doch der Platz auf der Elbinsel ist rar. Bereits seit Jahren haben Bezirkspolitiker deshalb die am nördlichen Rand gelegene ehemalige Zollanlage im Blick.

Die historischen Gebäude sollen Neubauten weichen, so ihr Plan. Doch jetzt hat das Denkmalschutzamt ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht und das Ensemble unter Denkmalschutz gestellt.

Aus der rot-grünen Bezirksregierung kommen harsche Worte, Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg sprach gar von einer Retourkutsche des Denkmalschutzamtes für den City-Hof, den der Senat gegen den Willen des Amtes abreißen lassen will.

„Das wird einfach verfallen.“– Klaus Lübke

Könnte man die Gebäude nicht erhalten und trotzdem Platz für Wohnen und Gewerbe schaffen? Elinor Schües, Vorsitzende des Denkmalrates, sieht Potenzial. Klaus Lübke, Bezirkspolitiker der SPD und Stadtteilkümmerer auf der Veddel, hofft dagegen auf ein Machtwort des Senats gegen die Denkmalschützer. Ein Streitgespräch.

„Für uns völlig überraschend“

Nicht einer Meinung: Elinor Schües,
Vorsitzende des Denkmalrates, und SPD-Politiker und Stadtteilkümmerer Klaus Lübke. Foto: Andreas Hornoff.

Hinz&Kunzt: Der Denkmalrat hat schon vor 2013 auf den Schutz dieser Gebäude gepocht. Warum ist das erst jetzt passiert?

ELINOR SCHÜES: Wir haben oft nachgefragt, warum sich da nichts tut. Immer wieder sagte uns das Denkmalschutzamt: Uns fehlen die Leute. Jetzt ist der Ärger da.

Herr Lübke, wieso sind Sie gegen den Denkmalschutz an dieser Stelle?

KLAUS LÜBKE: Die Begründung der Denkmalschützer zielt auf die Geschichte des Freihafens. Die projiziert man nun ausgerechnet an diese Stelle. Wir haben auch Zollämter, wo niemand etwas dagegen hätte, sie zu erhalten. Hier brauchen wir den Platz für Nutzungen, die im Stadtteil dringend benötigt werden.

Was wäre das?

LÜBKE: Wir hatten hier eine Zweifeld-Sporthalle geplant, einen großen Lebensmittelmarkt, Platz für eine Drogerie, eine Apotheke und einen Discounter, für Ärzte und einen Hochzeitssaal. In der Randbebauung waren Büros vorgesehen, innen sollten Wohnungen entstehen. Außerdem hätten wir hier Platz gehabt für eine Moschee. Im Bezirk arbeiten wir seit sechs Jahren daran, das alles zu entwickeln.

Tag des offenen Denkmals

Unter der Motto „Entdecken, was verbindet“ öffnen vom 7. bis 9. September zahlreiche Denkmäler der Stadt – unter ihnen viele, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind, wie etwa der Schellfischtunnel in Altona. Mehr als 140 Führungen und Vorträgen sowie  kulturelle Angebote für Erwachsene und Kinder stehen auf dem Programm.

Warum gibt es dann nicht längst einen neuen Bebauungsplan? Der geltende ist von 1956.

LÜBKE: Nach der Öffnung des Freihafens 2013 war es das Wichtigste, die umliegenden Straßen umzubauen. Dann sollte das Gelände entwickelt werden. Diesen Prozess hat das Bezirksamt aber im vergangenen Jahr angehalten, weil abgewartet werden sollte, was am Kleinen Grasbrook passiert. Wir haben ein Jahr mit den Planungen pausiert.  Und kurz vor dem nächsten Schritt kam die Entscheidung des Denkmalschutzamtes dazwischen – für uns völlig überraschend.

Lassen die Pläne des Bezirks sich denn nicht mit dem Denkmalschutz vereinen?

SCHÜES: Erst einmal sollte man schauen, was schützenswert ist. Die langen Zollgebäude haben zweifelsohne einen starken Aussagewert, solche charakteristischen Gebäude gibt es viel zu wenig in Hamburg. Hier wäre ein interessanter Ort für Künstlerateliers oder Clubs, ähnlich wie im Oberhafen. Aus solchen schrägen, alten Gebäuden entsteht ja Kultur. Wenn wir die nicht mehr haben, ist Hamburg klinisch tot.

„Kreativität gefragt“

Aber was ist mit den Geschäften und Einrichtungen, von denen Klaus Lübke sprach?

SCHÜES: Als Architektin sehe ich hier  durchaus Raum für Bebauung. Die könnte man auch mit einem Teil der Zollgebäude kombinieren. Da ist jetzt Kreativität gefragt.

Überzeugt Sie das, Herr Lübke?

LÜBKE: Nein. Mit dem, was jetzt unter Denkmalschutz steht, kann man hier nichts mehr machen. Das wird einfach verfallen, bis es irgendwann eh abgerissen wird. Und so ein Modell wie am Oberhafen kann ich mir hier gar nicht vorstellen.

„Dann ist Hamburg klinisch tot.“– Elisabeth Schües

Der Denkmalschutz soll ja gerade verhindern, dass interessante Orte einfach verfallen. Ist das nicht auch eine Chance für die Veddel?

LÜBKE: So wie ich es sehe, dient der Denkmalschutz hier den wohlhabenderen Bildungsbürgern. Diejenigen, die hier leben und weniger Geld haben, werden nicht gehört.

Sollte nun also der Senat den Denkmalstatus für die Zollanlage wieder kassieren?

LÜBKE: Das ist das Ziel der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, ganz klar.

SCHÜES: Der Senat sollte jetzt erst mal sehen, wie man mit der Entscheidung umgehen kann. Das Denkmalschutzamt wird sicher Abstriche machen müssen. Aber die Entscheidung in toto zu kassieren wäre schade – auch wegen dieser Gebäude.

Artikel aus der Ausgabe:

Happy Birthday, Veddel!

Seit 250 Jahren gehört die Elbinsel zu Hamburg. Wir führen durch den bunten Stadtteil und stellen einige der Menschen vor, die hier leben: So wie Titelheld Yilmaz Kotan. Sein Gemüseladen ist – neben dem Penny-Markt – das einzige Geschäft auf der Veddel.

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Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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