Von St. Georg bis zum Hamburger Rathaus : Demonstration und Laternenumzug am 11. November

Demonstration gegen die Vertreibung von Obdachlosen in der Mönckebergstraße im Juni 2023. Foto: Mauricio Bustamante.

Unter dem Motto „Mehr als ein warmer Mantel für Obdachlose und Arme“ ruft Hinz&Kunzt am Martinstag, dem 11. November, zum politischen Laternenumzug auf – musikalisch begleitet von Tuten&Blasen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Aufruf zur Demonstration und zum Laternenumzug:

45.000 Menschen in Hamburg sind wohnungslos, mehr als 12.000 Haushalte akut in Wohnungsnot und mindestens 2000 Menschen obdachlos. Fast jede:r Vierte von ihnen lebt seit mehr als fünf Jahren auf der Straße und längst nicht mehr nur Sozialarbeiter:innen fällt auf: Die Menschen verelenden immer mehr.

Statt mit Hilfsangeboten reagiert die Politik mit Verboten und Vertreibung. Am Hauptbahnhof sollen keine Spenden an Obdachlose mehr verteilt werden, Alkohol- und Drogenkranke werden mit Kontrollen schikaniert und in Notunterkünften darf nur verweilen, wer einen sogenannten Rechtsanspruch hat.

Es gibt kein Bettelverbot In Hamburg. Trotzdem beobachten wir, wie die Polizei seit Monaten verstärkt gegen bettelnde Menschen in der Innenstadt vorgeht und Platzverweise verteilt.

Hinschauen, wo andere wegschauen

Aber Armut und Elend beseitigt man nicht, in dem man sie aus dem Blickfeld wischt. Verbote und Vertreibung erschweren vielmehr die Arbeit der Wohnungslosenhilfe, wenn obdachlose Menschen nicht mehr an ihren angestammten Orten anzutreffen sind. Der Rückfall in eine Law-and-Order-Politik rund um den Hauptbahnhof löst keine Probleme, sondern verdrängt Sucht- und Alkoholkranke nach St. Georg. Dort beobachten Anwohner:innen seit Monaten eine Zunahme des Drogenhandels und vor allem des offenen Konsums. Sie erwarten nicht mehr Einsätze der Polizei und Stadtreinigung, sondern Angebote für die Bedürftigen, um die Probleme im Stadtteil zu lösen.

Für uns ist klar: Niemand ist freiwillig obdachlos! Niemand bettelt ohne Not. Und kranke Menschen brauchen Hilfe. Statt auf Vertreibung zu setzen, muss sich die Politik zu sozialen Lösungen und Hilfsangeboten durchringen. Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, Zugang zu Sozial- und Suchtberatungen und Unterstützung bei der Jobsuche.

Deswegen braucht Hamburg dringend viel mehr günstige und sozial geförderte Wohnungen. Ende der 1970er-Jahre war in etwa jede zweite Wohnung eine Sozialwohnung. Heute liegt der Anteil bei gerade einmal 10 Prozent, obwohl jede:r zweite Hamburger Haushalt Anspruch auf eine Sozialwohnung hat.

So kann es nicht weitergehen. Die Stadt braucht ein neues Bündnis für soziales Wohnen, um mehr Sozialwohnungen zu bauen und die  Mietpreisexplosion im Bestand zu stoppen. Abzock-Vermietern gehört das Handwerk gelegt. Leerstand darf sich nicht lohnen. Mit Brachflächen darf nicht länger spekuliert werden. Und wir brauchen eine Mietpreisbremse, die ihrem Namen gerecht wird.

Die Menschen auf der Straße wiederum brauchen jetzt konkrete Hilfe – vom Zugang zu medizinischer Hilfe für alle bis zur Nachsorge nach einem Krankenhausaufenthalt. Wer keine Wohnung hat, braucht sichere Rückzugsräume, um sich auszukurieren, damit die Negativspirale der Verelendung endlich durchbrochen wird. Dazu gehört auch, dass Straßensozialarbeiter:innen nicht länger mit leeren Händen dastehen. Hamburg braucht mehr Housing-First-Angebote ohne Zugangsbeschränkungen und viele kleinere und dezentrale Not-Schlafplätze für Obdachlose. Ansonsten droht Hamburg das Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden, aus den Augen zu verlieren.

30 Jahre H&K – (k)ein Grund zum Feiern!

In November wird Hinz&Kunzt 30 Jahre alt. Hinz&Kunzt ist eine starke und wichtige Stimme der Armen in dieser Stadt. Hinz&Kunzt hilft, zeigt Alternativen auf und schaut hin, wo andere wegschauen. Was wir aktuell sehen, ist, dass die Verelendung zunimmt und die Zahl der Obdachlosen weiter steigt. Deswegen wollen wir auch auf der Straße ein Zeichen setzen, um den Stimmen der Obdachlosen Gehör zu verschaffen.

Auftakt der Kundgebung ist am 11. November um 16 Uhr in der Minenstraße 9 vor dem Hinz&Kunzt-Haus. Laternenumzug und Demonstration starten um 16:30 Uhr und führen durch St. Georg und über die Mönckebergstraße bis zum Hamburger Rathaus – musikalisch begleitet von Tuten&Blasen.

Und warum das alles am Martinstag? Ein katholischer Heiliger in Hamburg? Die Geschichte, wie Martin von Tours aus Barmherzigkeit seinen Mantel mit einem unbekleideten Bettler teilt, greifen wir dieses Jahr auf, um in Hamburg den Blick auf die Ärmsten zu richten und zusammen mit Obdachlosen und Hinz&Kunzt-Verkäufer:innen zum 30-jährigen Jubiläum des Straßenmagazins für ihre Rechte auf die Straße zu gehen und mehr einzufordern als einen geteilten warmen Mantel.

 

Autor:in
Jörn Sturm
Seit 2019 Geschäftsführer von Hinz&Kunzt