Das Festival der Quetschkommode

(aus Hinz&Kunzt 204/Februar 2010)

Hamburg ist Hafenstadt – wie passend ist es da, dass sich eine Konzertreihe der Elbphilharmonie dem Schifferklavier widmet. Unter dem Titel „Akkordeonist!“ treten auf dem Kiez eine Woche lang internationale Akkordeon-Profis auf. Die einen spielen Klassiker, Volksmusik, Tango, andere moderne, avantgardistische Stücke. Mit dabei ist auch das Akkordeon-Orchester Hamburg-Eimsbüttel von 1949 e.V.

Hörner schmettern, ein Bass blubbert. Ein satter Klang erfüllt den Raum, dazwischen das Tak-Tak des Schlagzeugs. 40 Köpfe wippen im Takt und folgen synchron den Einsätzen des Dirigenten. Verantwortlich für den intensiven Sound ist ein Sinfonieorchester ganz besonderer Art: das Akkordeon-Orchester Hamburg-Eimsbüttel von 1949 e.V.
Leiter des Orchesters ist Karl-Heinz Brandt. Und das seit nunmehr 30 Jahren, ehrenamtlich, versteht sich. Als 15-Jähriger entdeckte er seine Liebe zu den vielen Tasten und Knöpfen. „Dass wir Kinder ein Instrument erlernen, war meinen Eltern wichtig, obwohl in der Nachkriegszeit das Geld knapp war“, erzählt Brandt. Schon als junger Spund wird er Mitglied im Akkordeon-Orchester Hamburg-Eimsbüttel, damals eines von vielen in der Stadt. Dort verliebt er sich auch. Seine Frau und seine Tochter teilen bis heute seine Leidenschaft für die Musik und spielen ebenfalls im Orchester.
„Das Akkordeon wird ja von vielen unterschätzt und belächelt“, ärgert sich der Orchesterchef. Dabei ist dieses Instrument ein wahrer Verwandlungskünstler. Mithilfe elektronischer Effekte kann das Akkordeon nämlich auch wie ein Saxofon klingen oder wie eine Orgel. Von Jazz bis Oper ist musikalisch alles möglich. Billig ist so ein Profigerät nicht: Ein paar tausend Euro muss man anlegen, wenn man in der Oberliga mitspielen möchte. „Wir spielen alles, von La Traviata bis zum Walzer“, erzählt Brandt über sein Orchester. „Und zwar auf allerhöchstem Niveau.“
Sowohl sein Instrument als auch das traditionsreiche Ensemble hat der ehemalige Manager fest im Griff. Das bedeutet jede Menge Arbeit. „Schließlich spielen wir seit 60 Jahren jedes Jahr zwei Mal in der kleinen Musikhalle“, berichtet er. „Und wir spielen regelmäßig in anderen Städten.“ Dass die Elbphilharmonie die Eimsbüttler nun zum Festival „Akkordeonist!“ eingeladen hat, ist für Brandt die längst fällige öffentliche Anerkennung ihrer Erfolge.
Die Auftritte führten die Musiker schon weit über Stadtgrenzen hinaus. Nicht zuletzt dank der Umtriebigkeit ihres Vorsitzenden ist das Orchester sehr reisefreudig. Sie waren mehrfach in Holland, Österreich, der damaligen Tschechoslowakei und der Schweiz unterwegs und zwei Mal zu Konzertreisen in den USA. „Als wir mit 40 Musikerkollegen auf dem World Trade Center standen – das war schon ein einmaliges Gefühl“, sagt Brandt mit leuchtenden Augen.
Beim Akkordeonist-Festival dürfen sich die Zuschauer auf ein kontrastreiches Konzert freuen: Die 40 Eimsbüttler mit ihrem bodenständigen Programm treffen auf das Motion Trio, drei polnische Spitzen-Musiker aus der musikalischen Avantgarde. Da kann das Akkordeon einmal mehr zeigen, was in ihm steckt.

Text: Sybille Arendt