Mindestlohn bei Friseuren : Billiger Haarschnitt gleich schlechter Lohn

Was sind Sie bereit, für einen Haarschnitt zu zahlen? Haben Sie mal darüber nachgedacht, wie die wahnsinnig günstigen Angebote bei Friseurketten zustande kommen? Innenansichten einer Branche, in der es Dumpinglöhne gar nicht mehr geben dürfte.

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Paul Schneiders Angestellte haben gut Lachen: Sie bekommen mehr als den Mindestlohn.

Wer für Paul Schneider arbeitet, hat Glück. Der Inhaber eines Friseursalons in Lokstedt hat schon lange erkannt, dass gute Arbeit nur leisten kann, wer anständig bezahlt wird. Sein Mitarbeiter Pierre beispielsweise befindet sich nach dreijähriger Ausbildung im ersten Gesellenjahr. Knapp 1500 Euro brutto zahlt Schneider ihm monatlich. Das sind 8,64 Euro die Stunde – plus steuerfreies Trinkgeld, das wegen der vielen Stammkunden oft großzügig ausfällt. „Die Voraussetzung dafür sind anständige Preise“, sagt der Friseurmeister, der sein Geschäft seit 36 Jahren betreibt. „Letztlich zahlen ja die Kunden die Löhne.“

33 bis 36 Euro zahlen Frauen in Schneiders Salon für das Angebot „Cut & Go“, bei dem sie die Haare gewaschen und geschnitten bekommen, das Föhnen jedoch selbst übernehmen. Männer sind mit 28 Euro dabei. Damit liegen die Preise weit über denen von Friseurketten, die für 12 bis 15 Euro einen Haarschnitt anbieten. Manch Kunde mag sich fragen, warum der Saloninhaber seine Dienstleistung nicht auch so günstig anbietet. Doch den Preis für Dumping-Angebote zahlen vor allem die Mitarbeiter, erläutert Schneider an einem Beispiel: „Bei einem Discounter soll ein Schnitt nicht länger als 12 Minuten dauern, das wird zum Teil mit der Stoppuhr abgemessen. Da herrscht ein unheimlicher Druck – und das bedeutet natürlich auch einen Qualitätsverlust.“

Seit knapp einem Jahr gilt in der Branche ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn, den jeder Arbeitgeber bezahlen muss. In westdeutschen Bundesländern wie Hamburg darf kein Friseur weniger als acht Euro brutto die Stunde verdienen, im Osten sind es noch 7,50 Euro. Ab August kommenden Jahres steigt der Branchen-Mindestlohn dann bundesweit auf 8,50 Euro. Ob Billigketten sich an diese Vorgaben halten? Paul Schneider hofft es ebenso wie die Gewerkschaft verdi, bei der in Hamburg noch keine Beschwerden aufgelaufen sind. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls fühlt sich nur bedingt zuständig. Da die Lohnuntergrenze für Friseure nicht ins Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen wurde, „gehört es nicht zu den Aufgaben der FKS, einen Mindestlohn in diesem Gewerk zu prüfen“, heißt es auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. Kontrolliert wird allenfalls, ob in einem Salon Schwarzarbeiter tätig sind. Doch wie oft das geschieht und mit welchen Ergebnissen, erfasst der Zoll nicht.

Mit welchen Tricks Lohndrücker arbeiten, kann René Krombholz berichten. Der 64-Jährige Friseurmeister aus Düsseldorf hat vor einigen Jahren die bundesweite Initiative „Der faire Salon“ gestartet, um den schwarzen Schafen der Branche etwas entgegenzusetzen. „Viele Billiganbieter halten sich nur auf dem Papier an den Mindestlohn“, sagt Krombholz. Tatsächlich würden sie diesen aber umgehen, beispielsweise indem sie Mitarbeitern extrem hohe Umsatzvorgaben machen oder Überstunden regelmäßig nicht bezahlen. „Das Ergebnis ist: Die Mitarbeiter müssen zum Amt gehen und ergänzende Hilfe beantragen, weil der Lohn zum Leben nicht reicht.“ Wie Billig-Friseure ihre Mitarbeiter ausbeuten, hat eine Reporterin der „Welt“ in einem beeindruckenden Bericht aufgezeigt.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem der Branche: Nachdem die Billigketten vielen herkömmlichen Friseuren das Geschäft zerstörten, haben die Arbeitsagenturen eine Menge Entlassene in die Selbstständigkeit geschickt. Die Zahl der Betriebe ist bundesweit von 50.000 auf 90.000 gestiegen, gut 25.000 davon machen nach eigenen Angaben nicht mal 1500 Euro Umsatz im Monat und sind deshalb von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Die Folge: Sie können ihre Dienstleistung fast 20 Prozent billiger anbieten. René Krombholz vermutet weit verbreitete Schwarzarbeit: „Ich frage mich, wovon diese Kleinstunternehmer leben…“

Gefragt ist letztlich aber der Verbraucher, meint Krombholz. Er müsse bereit sein, einen fairen Preis zu bezahlen. Das nötige Wissen hierzu fehle vielen und werde Kindern in der Schule nicht mehr vermittelt: „Die Kids lernen heute, dass 70 Prozent Rabatt normal sind. Dabei sollten sie lernen zu denken: ,70 Prozent Rabatt? Da muss etwas faul sein!’“

Text: Ulrich Jonas
Foto: Paul Schneider