Winternotprogramm : Auch sonntags müssen Obdachlose raus

Im Bezirk Mitte verhindern SPD und Grüne, dass sich die Verwaltung für eine ganztägige Öffnung des Winternotprogramms wenigstens an Sonntagen einsetzt. Kommende Woche wird die Bürgerschaft über das Winternotprogramm beraten.

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Debatte in der Bezirksversammlung Mitte

Wenigstens am Sonntag wollte die Linksfraktion in der Bezirksversammlung Mitte das Winternotprogramm für Obdachlose auch tagsüber öffnen lassen. „Wir haben unseren Antrag aufgrund von Gesprächen mit obdachlosen Menschen geschrieben, die uns berichteten, dass es besonders an Sonntagen hart ist, sich bei Nasskälte auf der Straße aufhalten zu müssen“, erklärt die Bezirksabgeordnete Ina Morgenroth gegenüber Hinz&Kunzt.

Außerdem sind die Linken vorsichtig mit ihren Forderungen. Ihre Fraktion müsste ihre Anträge umsetzbar formulieren, „wenn sie nur den kleinsten Hauch einer Chance haben sollen“. Deswegen forderte die Fraktion nicht gleich die ganztägige Öffnung in der kompletten Woche, die sie sich eigentlich – genauso wie Hinz&Kunzt – wünschen würde. „Und von daher dachten wir, dass Grüne und SPD zumindest der Sonntagsöffnung zustimmen würden“, sagt Morgenroth.

Nur die CDU stimmt zu

Doch damit lagen sie falsch. Nur die CDU stimmte in der vergangenen Woche im Sozialausschuss dem Ansinnen zu, das Bezirksamt solle sich bei der Sozialbehörde für eine Öffnung des Winternotprogramms an Sonntagen aussprechen. SPD und Grüne, die gemeinsam die Mehrheit im Bezirksparlament stellen, lehnten ab.

Aber warum? Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hielt den Antrag für „nicht wirklich notwendig“. Er verweist im Gespräch mit Hinz&Kunzt auf einen eigenen Antrag aus dem Herbst, der sich für die Schaffung zusätzlicher Plätze in Tagesaufenthaltsstätten aussprach. „Wir haben bereits Erfolge, die Entspannung bringen“, sagt Osterburg und meint damit die Ausweitung der Öffnungszeiten einiger Einrichtungen sowie die Eröffnung einer neuen Aufenthaltsstätte im Januar.

„Das war für uns erst mal ausreichend“, meint der Fraktionsvorsitzende. Allerdings nicht für die Betreiber der Tagesaufenthaltsstätten: Die zusätzlichen Plätze deckten den Bedarf für einen Erfrierungsschutz bei Tage „bei weitem nicht ab“, bemängelte zum Beispiel Eva Lindemann vom Herz-As-Betreiber Hoffnungsorte Hamburg.

Die ganztägige Öffnung des Winternotprogramms sei zudem ein „organisatorisches Problem“, sagt Osterburg: So müssten die Unterkünfte tagsüber gereinigt werden, da würden die Gepäckstücke der Obdachlosen stören. Auch wäre eine Öffnung rund um die Uhr nicht sinnvoll, es bestehe die Gefahr einer Verstätigung der Wohnungslosenszene im Winternotprogramm.

Bürgerschaft befasst sich erneut mit dem Winternotprogramm

Bei der SPD klingt das anders. „Ich finde es auch immer zynisch, wenn die Leute morgens raus müssen“, räumt Fraktionsgeschäftsführer Tobias Piekatz ein. Allerdings sei der Bezirk nicht für das Winternotprogramm zuständig – und habe auch keine Möglichkeiten, Einfluss auszuüben. „Es ist auch nicht unsere Aufgabe, der Sozialbehörde Vorschriften zu machen“, sagt er.

Der Sozialbehörde Vorschriften machen kann allerdings die Bürgerschaft. Und die wird sich am kommenden Donnerstag ebenfalls mit einem Antrag der Linksfraktion beschäftigen. Die Forderung: das Winternotprogramm an sieben Tagen in der Woche ganztägig öffnen. Einen ähnlichen Antrag der CDU hatte die Bürgerschaft allerdings im November abgelehnt. Und auch als im Januar rund 57.000 Menschen eine Onlinepetition von Hinz&Kunzt mit der gleichen Forderung unterstützten, ließ sich Sozialsenatorin Leonhard nicht umstimmen.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Annabel Trautwein