Das Wort „asozial“ ist ein sehr schlimmes Wort.
Früher wurden damit arme Menschen ausgeschlossen.
Manche Menschen wurden sogar getötet.
Auch heute noch benutzen Menschen dieses Wort.
Eine schlimme Geschichte
Viele Menschen benutzen das Wort „asozial“.
Zum Beispiel auf dem Schulhof sagt jemand: „Du Asi!“
Oder beim Fußball schimpft jemand: „Asoziale Zecken!“
Oder bei Gesprächen auf einer Feier kann man hören:
„Veddel ist richtig asi!“
Die Menschen sagen das Wort oft einfach so.
Sie denken nicht darüber nach.
Viele Menschen wissen auch nicht,
dass das Wort eine schlimme Geschichte hat.
Schon vor über 100 Jahren wurden Menschen „asozial“ genannt.
Diese Menschen wurden sehr schlecht behandelt.
Sie kamen ins Gefängnis oder in Heime.
Manche Frauen durften kein Kind bekommen.
Manche Menschen wurden sogar operiert,
damit sie keine Kinder mehr bekommen können.
Viele dieser Menschen wurden von den National-Sozialisten ermordet.
Auch in der DDR litten Menschen unter Gewalt vom Staat.
Warum passierte das alles?
Weil diese Menschen arm waren.
Weil sie anders waren.
Weil sie nicht so lebten wie die meisten Menschen.
Weil sie als „nutzlos“ galten.
Andere sagten über sie: „Die sind asozial.“
Und niemand half ihnen.
Ein Gesetz gegen „andere“ Menschen
Eine Forscherin aus Hamburg heißt Frauke Steinhäuser.
Sie hat das Leben von vielen Menschen untersucht,
die früher „asozial“ genannt wurden.
Das Wort „asozial“ ist etwa 150 Jahre alt.
Damals war Betteln verboten.
Arme Menschen wurden wie Verbrecher behandelt.
Auch Frauen wurden schlecht behandelt.
Viele Leute glaubten,
dass manche Frauen Prostituierte sind.
Die Frauen mussten dann ins Gefängnis oder in ein Heim.
Im Jahr 1933 kamen die National-Sozialisten an die Macht.
Die National-Sozialisten waren sehr grausam.
Sie wollten keine armen und anderen Menschen.
Im Herbst 1933 ging die Polizei in viele Obdachlosen-Heime,
auch in Hamburg in das Heim „Pik As“.
Die Polizei hat dort viele Menschen verhaftet.
Manche wurden einfach auf der Straße festgenommen.
Die Forscherin Frauke Steinhäuser sagt:
„Die Nazis wollten zeigen:
Das machen wir mit euch,
wenn ihr nicht so lebt,
wie wir es wollen.“
Die Nachbarn sollten diese Menschen an die Polizei verraten.
Zum Beispiel, wenn jemand Alkohol trank.
Oder wenn die Kinder keine saubere Kleidung trugen.
Es gab auch Heime wie das Heim in Farmsen.
Dort wurden Menschen gegen ihren Willen hingebracht.
Zum Beispiel, wenn sie Geld vom Staat bekamen.
Oder wenn sie nicht arbeiten konnten.
Das war wie eine Strafe.
Die Nazis sagten:
„Diese Menschen sind faul.
Sie sind selbst schuld, dass sie arm sind.“
Nie wieder Kinder bekommen
Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 und einer großen Wirtschaftskrise 1928
waren viele Menschen sehr arm.
Die National-Sozialisten forderten:
„Alle Menschen müssen hart arbeiten.“
Wer nicht gehorchte, wurde schlecht behandelt.
Die Nazis nannten solche Menschen: „Ballast-Existenz“.
Das bedeutet: Diese Menschen gelten als wertlos.
Viele glaubten auch:
„Asozial“ ist eine Krankheit,
die bekommen alle in der Familie, auch die Kinder.
Darum durften manche Frauen nicht mehr schwanger sein.
Manche Menschen wurden sogar operiert,
damit sie nie wieder Kinder bekommen können.
Im Juni 1938 haben die National-Sozialisten sehr viele Menschen verhaftet.
Sie haben über 10.000 Männer festgenommen,
die man „arbeits-scheu“ nannte.
Die Männer kamen in große Gefangenen-Lager,
das waren die „Konzentrations-Lager“.
Aber die Menschen hatten nichts Schlechtes gemacht.
Die Menschen bekamen ein Zeichen auf ihre Kleidung:
Es war ein schwarzer Winkel.
Das hieß: Diese Menschen sind „asozial“.
Keine Hilfe
Haben sich die Menschen gewehrt?
Die Forscherin Frauke Steinhäuser sagt:
„Nein, es gab keinen gemeinsamen Widerstand.“
Die Menschen waren allein.
Sie hatten keinen Kontakt zueinander.
Sie konnten sich nicht gegenseitig helfen.
Auch von anderen Menschen kam keine Hilfe.
Niemand fragte: Wo sind sie?
Viele dachten sogar:
Diese Menschen gehören in das Konzentrations-Lager.
Auch nach dem Krieg hat sich lange nichts geändert.
Die Gesellschaft wollte nicht über dieses Thema sprechen.
Viele Opfer wurden vergessen.
Erst im Jahr 2020 hat die Regierung gesagt:
Diese Menschen waren Opfer der Nazis.
Sie wurden verfolgt,
weil sie als „asozial“ galten.
Jetzt bekommen sie endlich Anerkennung.
Das Vorurteil blieb
Auch in der DDR wurden arme Menschen schlecht behandelt.
Genauso auch „nicht normale“ Menschen.
Sie kamen in Heime oder ins Gefängnis.
Der Staat übte Gewalt gegen sie aus.
Die Forscherin Katharina Lenski sagt:
In der DDR wurde gesagt:
„Wir sind gegen National-Sozialisten.“
Aber viele Menschen haben genauso gedacht wie früher.
Das Vorurteil „asozial“ blieb bestehen.
Niemand stellte es in Frage.
Die DDR hatte ein Gesetz mit dem Namen Paragraf 249.
Darin stand: „Asoziales Verhalten“ ist verboten.
Das bedeutete oft:
Wer nicht arbeiten wollte oder eine Prostituierte war,
konnte bestraft werden.
Viele Menschen kamen so ins Gefängnis.
Dort war jeder Vierte wegen dem Gesetz im Gefängnis.
Es waren Menschen,
die anders lebten und dachten.
Auch Kinder und Jugendliche mussten in Heimen leben.
Dort hat man die Kinder dann mit Gewalt erzogen.
„Schlechte“ Menschen
Das Wort „asozial“ war für die Regierung sehr nützlich.
Denn es war nicht klar,
was genau mit „asozial“ gemeint ist.
So konnte man viele Menschen ausgrenzen.
Auch Menschen, die eine andere Meinung hatten als die Regierung.
Das Wort passte auch gut zu alten Vorurteilen.
Die Menschen glaubten zu wissen,
wer ein „schlechter“ Mensch ist.
Die Forscherin Katharina Lenski sagt:
Schon früher war es normal,
dass man schwächere Menschen schlecht behandelt hat.
Man machte sich über sie lustig oder verriet sie.
Alle anderen Menschen konnten sich so besser fühlen.
Man konnte zeigen:
Ich bin ganz normal und nicht „asozial“.
Viele hatten auch Angst,
dass sie selbst arm oder ausgegrenzt werden.
Ist es heute wirklich besser?
Heute ist vieles anders als früher.
Es gibt keine Konzentrations-Lager mehr.
Auch die schlimmen Erziehungs-Heime gibt es nicht mehr.
Heute gibt es viele Hilfsangebote für arme Menschen.
Und für Menschen, die ausgegrenzt werden.
In den Gesetzen unseres Landes steht:
Alle Menschen sind gleich viel wert.
Aber leben wir wirklich nach dieser Regel?
Die Forscherin Frauke Steinhäuser ist unsicher.
Sie sagt:
„Viele denken noch immer:
Arme Menschen sind selbst schuld an ihrer Armut.
Oder: Wer keine Arbeit hat, ist faul.“
Auch Katharina Lenski sagt:
„Eigentlich hat sich kaum etwas verändert.
Worte wie „arbeits-scheu“ werden noch immer gesagt.
Zum Beispiel in dem Gespräch über das Bürger-Geld.“
Beide Forscherinnen hören oft dieselben schlechten Wörter.
Viele Familien sprechen nicht über das Leid früher.
Weil sie sich schämen.
Oder weil sie Angst haben,
dass sie selbst als „asozial“ gelten.
Das schlimme Bild vom „Asozialen“ gibt es also noch immer.
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