Nach Fehlgeburt : Ärztekammer kritisiert Umgang mit Flüchtlingen

Eine schwangere Frau aus Guinea erlitt nach ihrer Verlagerung aus Hamburg in ein Flüchtlingsheim in Nordrhein-Westfalen eine Fehlgeburt. Unklar ist, ob die Ausländerbehörde eine Mitschuld trägt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen unbekannt.

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Zuerst wurde die Familie in Hamburg in einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Harburg untergebracht.

Trägt die Zentrale Ausländerbehörde eine Mitschuld an einer Totgeburt? Die Vorwürfe, die eine Flüchtlingsfamilie aus Guinea erhebt, wiegen schwer: Trotz Komplikationen in der Schwangerschaft hätten Behördenmitarbeiter sie auf eine strapaziöse Zugreise quer durch Deutschland geschickt. Verlegungen Hochschwangerer hatte der schwarz-grüne Senat erst 2010 einen Riegel vorgeschoben. Doch nur ein Jahr später hob Innensenator Michael Neumann (SPD) diesen Stopp wieder auf.

Bereits im März erlitt die junge Frau aus Guinea in einer Flüchtlingsunterkunft in Burbach im Siegerland eine Fehlgeburt. Die Hamburger Ausländerbehörde hatte zuvor die Verlegung ihrer Familie aus der Hansestadt nach Nordrhein-Westfalen angeordnet. Jetzt erheben die Eltern in einem NDR-Bericht schwere Vorwürfe gegenüber der Zentralen Ausländerbehörde in Hamburg. Nach Unterleibsblutungen hätten Ärzte die Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft eingestuft. Eine Verlegung sei daher zu riskant gewesen. Gegenüber zwei Mitarbeitern habe der Vater erklärt, „dass seine Frau schwanger ist und nicht reisen kann.“

Die Ausländerbehörde weist die Vorwürfe entschieden zurück. „Der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung war lediglich bekannt, dass die Frau schwanger war“, heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion. Aus der Pressestelle der Behörde heißt es: „Hätte ein ärztlicher Attest vorgelegen, dann hätte man die Verlegung nicht gemacht.“ Auch der städtische Unterkunftsbetreiber fördern & wohnen bestreitet vehement, von den Schwangerschaftsproblemen gewusst zu haben.

Inzwischen hat allerdings die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet. „Geprüft wird insbesondere auch, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat der für die medizinische Behandlung oder für die Überstellung der Kindsmutter nach Dortmund Verantwortlichen vorliegen“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

Nicht zum ersten Mal ereignet sich solch ein tragischer Vorfall. Bereits 2010 war eine Ghanaerin kurz vor Ende der Schwangerschaft zweimal von der Hamburger Ausländerbehörde nacheinander in verschiedene Flüchtlingsheime in Mecklenburg-Vorpommern umverteilt worden und brachte ihr Kind tot zur Welt. „Es ist tragisch, dass das nun schon wieder passiert ist“, sagt Ärztekammerpräsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Schon damals forderte die Ärztekammer einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen. Dazu gehöre, Schwangere im letzten Drittel der Schwangerschaft nicht mehr umzuverteilen. Der damalige Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) setzte die Forderung umgehend um. Hier geduldete Frauen, deren Schwangerschaft die 26. Woche erreicht hat, wurden nicht mehr auf andere Bundesländer verteilt, sondern durften in Hamburg bleiben.

Dieser Regelung hatte allerdings nur bis zum Regierungswechsel bestand. Bereits 2011 nahm Innensenator Micheal Neumann (SPD) diese spezielle Hamburger Regelung wieder zurück. Man habe lediglich die bundesweit üblichen Standards umgesetzt, begründet die Innenbehörde jetzt die rechtliche Verschärfung.

Im aktuellen Fall hätte auch die alte Regelung nicht geholfen. Denn die schwangere Frau aus Guinea war erst im fünften Monat schwanger. Eindeutig diagnostiziert waren aber ihre Komplikationen während der Schwangerschaft. Die Ärztekammer fordert deswegen eine sorgfältige Aufklärung der Vorgänge. Sollte es sich bewahrheiten, dass die Behörde Kenntnis von dem ärztlichen Attest hatte, sei es ein Skandal, dass die Frau trotzdem auf die strapaziöse Reise geschickt worden sei. „Es ist tragisch, dass erst wieder etwas so Schreckliches passieren musste“, sagt Montgomery. „Wir fordern Innensenator Neumann auf, seine Verschärfung im Umgang mit schwangeren Flüchtlingen endlich zu revidieren.“

Text: Jonas Füllner
Foto: actionpress / Nibor