Bodelschwingh-Haus : 85 Jahre Hilfe für wohnungslose Männer

Alleinstehend, männlich, wohnungslos: Für diese Gruppe gibt es auf dem Wohnungsmarkt kaum Hoffnung. Das Bodelschwingh-Haus aber vermittelt seit 85 Jahren Plätze im hauseigenen Wohnheim und in Wohnungen. 

Das Bodelschwingh-Haus unterstützt alleinstehende, wohnungslose Männer zwischen 25 und 60 Jahren dabei, wieder am sozialen Leben teilzunehmen. Foto: Tim Hoppe/Bodelschwingh-Haus

Es ist für wohnungslose Männer so etwas wie ein Sechser im Lotto: Wer einen Platz im Bodelschwingh-Haus ergattert, kann sich glücklich schätzen. Die Einrichtung der Diakonie im Kirchenkreis Hamburg-Ost hilft alleinstehenden, wohnungslosen Männern bereits seit 85 Jahren.

70 Männer leben heute in einem der 45 Appartements im Stammhaus in Barmbek oder in einer von 25 Wohnungen in der Stadt. Die 1-1,5-Zimmer-Wohnungen sind voll möbliert. Die Bewohner versorgen sich selbst, werden aber in allen Fragen von Sozialarbeitern unterstützt. Die Männer sind zwischen 25 und 60 Jahren alt. In der Regel haben sie schon viele Jahre zuvor auf der Straße gelebt. Viele von ihnen sind krank, alkohol- oder drogensüchtig, manche saßen im Gefängnis.

Die eigenen vier Wände sollen ihnen helfen, wieder zur Ruhe zu kommen; schrittweise wieder am sozialen Leben teilnehmen zu können. Aus der Sicherheit heraus, die nur ein eigenes Dach über dem Kopf bietet.

Sozialarbeiter begleiten die Männer zu Behörden, helfen bei der Suche nach einem Entgiftungsprogramm oder Arbeit. Und: Sie lernen, wie man preiswert kocht und treffen sich zu gemeinsamen Boule- und Kickerabenden. Leiterin Inka Damerau: „Hilfen in der Wohnung sind Integrationsleistungen von Beginn an.“

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) würdigte die Arbeit. „Es geht um Linderung von Not, ohne den Menschen zum Almosenempfänger zu machen und ihm damit in eine zusätzliche Abhängigkeit zu versetzen.“

Von Beginn an Schutz der Privatsphäre

1927 eröffnete das damals noch „Haus Scharhörn“ genannte Heim als erstes evangelisches Obdachlosenheim für Männer in Hamburg. Von Anfang an hieß das Konzept: keine Massenunterkünfte. Statt in einem großen Raum auf eng nebeneinanderstehenden Pritschen brachte man die Menschen in Einzelkabinen unter. So wurde ein Mindestmaß an Privatsphäre gewahrt. In den 60er Jahren nahm das Haus erstmals auch entlassene Strafgefangene und alkoholgefährdete Männer auf.

Vor 15 Jahren entwickelten die Mitarbeiter das Konzept der dezentralen Hilfe. Das bedeutet: Man hilft den Menschen in eigenen Wohnungen, die quer über die Stadt verteilt sind. Das Bodelschwingh-Haus mietet die Wohnung an. Nach einem Jahr kann der Bewohner dann Hauptmieter werden. Das Konzept erwies sich als erfolgreich: Seit 1997 wurden 158 Wohnungen angemietet. In mehr als 90 Prozent sind die Bewohner jetzt Hauptmieter.

„Die Einrichtung blieb mobil, die Wohnungslosen wurden sesshaft“, lobt Stephan Nagel, Referent für Wohnungslosenhilfe beim Diakonischen Werk. „Das war oft mühsam, wurde von den Mitarbeitern aber hartnäckig verfolgt.“ Nagel nennt das Bodelschwingh-Haus ein „Vorbild“, weil die Unterstützung nicht mit der Unterschrift des Mietvertrages endet. Sozialarbeiter schauen auch danach regelmäßig vorbei, helfen bei der Anschaffung von Möbeln und bieten weiterführende Unterstützung in allen Lebensfragen an.

Bezahlbarer Wohnraum fehlt

Das Stammhaus in Barmbek: Hier gibt es 45 möblierte Selbstversorger-Appartements für wohnungslose Männer. Foto: Bodelschwingh-Haus

Doch in Zeiten großer Wohnungsnot wird es für das Bodelschwingh-Haus immer schwieriger, geeigneten Wohnraum zu finden. „Eine nachhaltige Wirkung kann unsere Arbeit nur entfalten, wenn mehr günstiger Wohnraum bereitgestellt wird. Hier sind unsere Politiker und alle Akteure am Wohnungsmarkt in der Pflicht. Sie müssen die notwendigen Schritte unternehmen, um die Wohnungsversorgung spürbar zu verbessern“, fordert Leiterin Inka Damerau.

Die Zahlen belegen, wie dringend gehandelt werden muss: Allein in diesem Jahr bewarben sich bis einschließlich Oktober 399 Männer um einen Platz, nur 34 konnten aufgenommen werden. Das Problem: Es gibt auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt keine Angebote mehr für diese Männer. Katharina Thieme, Wohnraummanagerin des Bodelschwingh-Hauses: „Unsere Vermittlung stagniert, mangels Wohnraum. Die Männer können nicht ausziehen und somit auch nicht den Platz für andere freimachen.“

Sozialsenator Scheele sagte bei der Jubiläumsfeier: „Wohnungsbaupolitik ist in hohem Maße Sozialpolitik. Und hier ist in den letzten zehn Jahren entschieden zu wenig gemacht worden.“ Der Senator betonte zwar, es gehe darum „Wege zu erschließen, benachteiligte Menschen mit Wohnraum zu versorgen.“ Aber: Die Realität hat ihn längst eingeholt. Bei der Veranstaltung gab er zu, derzeit keine befriedigende Lösung parat zu haben.

Text: Simone Deckner
Fotos: Bodelschwingh-Haus

Weitere Informationen: www.bodelschwingh-haus-hamburg.de

 

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