Interview mit Berliner Baustadtrat : „Wir kaufen die Stadt zurück“

Hat einen langen Atem: Florian Schmidt, Baustadtrat der Grünen im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Foto: Martin Kath

Um Luxussanierungen und Verdrängung von Mietern zu verhindern, investierte die Stadt Hamburg 2018 viel Geld in den Häuserrückkauf: insgesamt 56 Millionen Euro. Im Vergleich zu Berlin ist das allerdings fast noch wenig.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Insgesamt 100 Millionen Euro stellt der Berliner Senat für das Vorkaufsrecht bereit. Möglich wird das durch Milieuschutzgebiete. Wie das funktioniert und wer dabei gewinnt – ein Besuch vor Ort.

Aus dem Büro im achten Stock des Bürgeramtes in der Yorckstraße blickt man auf Kreuzberg und den angrenzenden Bergmannkiez. Einst mischten dort unten Hausbesetzer die Gegend auf. Jetzt sorgt hier oben ein grüner Baustadtrat für Furore: Florian Schmidt. 44 Jahre alt. Seit 2016 im Amt. Schmidt besetzt nicht, er kauft. Rund 2000 Wohnungen bis heute.

Aktuelles Beispiel: die Karl-Marx-Allee. Drei Wohnblocks wollte der börsennotierte Immobiliengigant Deutsche Wohnen dort aufkaufen. Aber der Bezirk, in dem SPD, Grüne und Linke zusammen auf rund 70 Prozent der Wählerstimmen kommen, trickste den Investor aus und überführte die rund 460 Wohnungen in städtisches Eigentum. Schon wieder, heißt es in Berlin. Die Aufregung ist groß. „Der Tagesspiegel“ warf gar die Frage auf, ob der Sozialismus in Berlin ausgebrochen sei.

Vorkaufsrecht für rund 2000 Wohnungen in Berlin genutzt

Von flächendeckender Verstaatlichung kann aber keine Rede sein. Etwa 150.000 Wohnungen gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg. 19-mal hat der Bezirk bislang sein Vorkaufsrecht angewendet. Immerhin: Rund 2000 Wohnungen konnte Schmidt dadurch „absichern“. Abgesichert sind Wohnungen aus Sicht des grünen Stadtrats immer dann, wenn sie Genossenschaften, kommunalen Wohnungsunternehmen und Stiftungen gehören. Als Schmidt das Amt übernahm, betrug deren Anteil knapp 25 Prozent. Jetzt also 26 Prozent. Schmidt weiß, dass er einen langen Atem braucht. Sein Ziel: den Anteil auf 50 Prozent steigern. „Wir kaufen die Stadt zurück“, sagt Schmidt. Dann schiebt er schmunzelnd hinterher: „Zumindest die halbe Stadt.“

„Gebaut werden soll für alle, nicht nur für Wohlhabende.“– Florian Schmidt, Baustadtrat

Ermöglicht wird der Häuserkauf durch sogenannte Milieuschutzgebiete. Große Teile der Innenstädte von Berlin und Hamburg unterliegen inzwischen diesen Regelungen. Nicht nur Luxussanierungen und die Umwandlung in Eigentumswohnungen sind begrenzt. Die Stadt sichert sich zudem ein Vorkaufsrecht. Rot-Rot-Grün in Berlin gilt als Vorreiter: 100 Millionen Euro stehen für die laufende Legislaturperiode bereit. Das Berliner Prinzip ist einfach: Nicht die Stadt, sondern städtische Wohnungsunternehmen kaufen Häuser auf, die ansonsten in die Hände von Investoren fallen. Dafür erhalten die Wohnungsunternehmen rund zehn Prozent des Kaufpreises als Zuschuss.

Hinz&Kunzt: Von dem Mittel des Vorkaufsrechts wurde in Hamburg in der Vergangenheit nur ein einziges Mal Gebrauch gemacht. Warum meinen Sie, ist es so wichtig, dass die Häuser wieder der Stadt gehören?

FLORIAN SCHMIDT: Der Weg, mit dem Investoren am meisten Geld machen können, ist die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Das gilt es zu verhindern. Ist das einmal passiert, ist das Mietrecht praktisch außer Kraft, weil dann die Eigenbedarfskündigung folgen kann.

Am Ende zahlt aber der kommunale Käufer den gleichen Betrag, den sonst ein Investor bezahlt. Subventioniert durch die Stadt. Ist das zu rechtfertigen?

Wir erleben ja einen gewaltigen Bauboom. Auch viele Luxuswohnungen werden gerade gebaut. Da geht eine ganze Menge Geld an Steuereinnahmen an den Staat. Mein Gott, dann muss er jetzt auch das Geld wieder in die Hand nehmen.

Warum finden Sie es denn so problematisch, wenn ein Investor ein Mietshaus aufkauft?

Der Käufer will natürlich das Geld reinholen, das ausgegeben wurde. Aber die Kaufpreise sind inzwischen so hoch, da kann man davon ausgehen, dass das mit den aktuellen Mieten nicht geht.

Die Mieter werden also verdrängt oder ihre Mieten steigen. Warum passiert das nicht, wenn ein städtisches Unternehmen kauft?

Der Kauf wird bezuschusst und diese Käufer müssen ihre Spielräume ja gar nicht ausschöpfen, weil sie gemeinwohlorientiert sind. Zudem besteht die Möglichkeit, die Mietpreise einkommensabhängig zu staffeln.

„Die Vorstellung, dass hier schon alles weggentrifiziert ist, stimmt nicht.“– Florian Schmidt, Baustadtrat

Auch in Berlin sind die Mieten explodiert. Kommt Ihr Eingriff nicht viel zu spät?

Die Vorstellung, dass hier schon alles weggentrifiziert ist, stimmt nicht. Der Durchschnitt der Bestandsmieten in Berlin liegt bei sieben Euro. Die Mieten müssen nicht unbedingt bei sieben Euro bleiben. Aber wenn Wohnungen einmal in diesen Eigentumsstrudel geraten, dann sind sie für die Allgemeinheit verloren.

Hamburg setzt vor allem auf den Wohnungsneubau. Verschrecken Ihre Maßnahmen nicht die Investoren?

Da wird in meinen Augen der Teufel an die Wand gemalt. Tatsächlich hat doch das Vorkaufsrecht mit Neubau nichts zu tun. Die, die aufkaufen und weiterverkaufen, sind tatsächlich ganz andere Akteure als die, die bauen wollen. Wobei wir auch beim Bauen klare Maßstäbe anlegen: Wenn jemand nur Eigentumswohnungen bauen will, dann bekommt er kein Recht zu bauen. Gebaut werden soll für alle, nicht nur für Wohlhabende.

Das klingt alles so einfach. Warum machen das nicht mehr Bezirke und Städte so?

Friedrichshain-Kreuzberg ist traditionell ein rebellischer Bezirk. Aber die Erkenntnis, dass wir eingreifen müssen, setzt sich langsam durch. Es wird vor der Bundestagswahl wohl dazu kommen, dass sich alle Städte mit ähnlichen Problemen und linken Mehrheiten zusammentun. Um der CDU Zugeständnisse abzuringen. Der einzige Dissens ist doch nur noch, ob wir bauen wie blöde. Egal was. Oder ob wir eher gemeinwohlorientiert bauen wollen.

Autor:in
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Studium der Germanistik und Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

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