Ingo Zamperoni : „Möge der Bessere gewinnen!“

Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni liest im Oktober die Gewinnergeschichten des Schreibwettbewerbs „Winternächte“ vor. Für ihn eine gute Gelegenheit, die Öffentlichkeit auf die Probleme Obdachloser im Winter aufmerksam zu machen.

(aus Hinz&Kunzt 248/Oktober 2013)

Tagesschausprecher Ingo Zamperoni engagiert sich für Obdachlose und ist mit Leidenschaft  Journalist: „Man hilft anderen,  Zusammenhänge zu verstehen. Dadurch kann man auch Vorurteile abbauen.“
Tagesschausprecher Ingo Zamperoni engagiert sich für Obdachlose und ist mit Leidenschaft
Journalist: „Man hilft anderen,
Zusammenhänge zu verstehen. Dadurch kann man auch Vorurteile abbauen.“

Eigentlich ist Ingo Zamperoni Gewinnen gar nicht so wichtig, auf den Versuch kommt es ihm an: „Wenn man etwas nicht versucht, ist man schon gescheitert“, sagt der 39-Jährige. Sein Motto: „Man darf einem Hindernis nicht die Chance geben, von vornherein gewonnen zu haben.“ So klingen Optimisten.

Er weiß, dass er leicht reden hat, als Spross einer gutbürgerlichen Familie mit gut bezahltem Job. Wenn Zamperoni seine Tochter zum Fußballtraining bringt, fährt er an der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) für Obdachlose der Diakonie vorbei. Mitten im gut situierten Eimsbüttel und nicht etwa am Rand der Stadt stehen dort Menschen ohne Wohnung Schlange für etwas zu essen oder eine Sozialberatung. Zamperoni findet es gut, dass jeder die Armut sehen kann: „Obdachlose gehören zu dieser Gesellschaft, und wir dürfen die Augen davor nicht verschließen“, sagt er. Auch seiner Tochter hat er versucht zu erklären, dass nicht jeder Mensch ein richtiges Zuhause hat. „Es ist unglaublich wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen“, findet der 39-Jährige. Als er im Februar 187.000 Euro bei einer ZDF-Quizshow gewann, spendete er 87.500 Euro davon der TAS, die mit dem Geld zwei Sozialarbeiter einstellte. So fand der Tagesthemen-Moderator zu den Obdachlosen.

In diesem Herbst setzt er sein Engagement für die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Hamburg fort. Zusammen mit Diakonie-Hilfswerk-Vorstand Dirk Ahrens, Buchladeninhaberin Gerlinde Schneider und Hinz&Kunzt-Chefredakteurin Birgit Müller sitzt er in der Jury des Schreibwettbewerbs zum Thema „Winternächte“. Damit will die Diakonie auf die schwierige Situation der Obdachlosen im Winter aufmerksam machen: Ab dem 1. November stellt sie 90 Containerschlafplätze für das Winternotprogramm der Stadt zur Verfügung. Zwei Tage vorher, am 30. Oktober, wird Zamperoni die Gewinnergeschichten des Wettbewerbs in der TAS vorlesen. Der Siegertext erscheint dann in der Januar-Ausgabe von Hinz&Kunzt.

Ingo Antonio Zamperoni kommt aus einer Multikulti-­Familie. Er wurde 1974 in Wiesbaden als Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Bis heute hat er zwei Pässe, spricht mit seinen beiden Töchtern italienisch. Seine Ehefrau ist US-Amerikanerin. Für ihn ist das ein Zukunftsmodell: „Wir müssen in Deutschland dahin kommen, dass jeder deutsch ist, der hier geboren und aufgewachsen ist“, sagt Zamperoni. Ganz so weit sei Deutschland aber noch nicht, was auch er zu spüren bekam: Zum Beispiel, nachdem er bei der Fußball-Europameisterschaft der Männer 2012 in der Halbzeitpause bei den Tagesthemen den Satz gesagt hat, den er inzwischen sogar auf seinem Grabstein wähnt: „Möge der Bessere gewinnen!“ Im Halbfinale führte die italienische Mannschaft gerade 2:0 gegen die deutsche. Für den Spruch musste Zamperoni viele Beschimpfungen aus seinem Publikum einstecken. Oder schon früher, auf dem Schulhof: „Klar habe ich da auch mal ‚Spaghettifresser‘ gehört“, erinnert er sich. Die meisten Erfahrungen seien aber positiv gewesen. „Ich habe das immer als Bereicherung empfunden.“

Wie es ist, die Nächte im Winter auf der Straße zu verbringen, kann der frühere Reporter nur erahnen. Er erzählt von einer Liveschalte, die er einmal für das ARD-Nachtmagazin vom Gerhart-Hauptmann-Platz gemacht hat, als es besonders kalt war. Der Mitternachtsbus der Diakonie verteilte Kaffee, vor dem Karstadt-Gebäude machten einige Obdachlose Platte. „Da war ich sehr beeindruckt“, sagt Zamperoni. „Mir war schon saukalt – und ich war dick eingepackt.“

Vor die Tür gehen und die Geschichten vor Ort erleben ist etwas, das Zamperoni umso mehr vermisst, je mehr er moderiert. Eigentlich wollte er nie Moderator werden, sondern immer nur Reporter. Nicht, dass er mit dem Job bei den ­Tagesthemen unzufrieden wäre, aber: „Es gibt die Gefahr, dass man vieles von dem, was vor der Haustür passiert, nicht mitbekommt“, sagt er. Eigentlich müssten auch Moderatoren wie er mehr außerhalb des Studios arbeiten. „Ich halte das für absolut wichtig.“

So kommt es, dass er es als Chance begreift, in diesem Sommer nicht zum Chef-Sprecher der ARD-Tagesthemen ernannt worden zu sein, wie es zwischenzeitlich im Gespräch war. „Das ermöglicht mir, wieder mehr rauszugehen. Ich habe ein paar Ideen für Filme im Hinterkopf, die ich mal realisieren müsste.“

Da ist sie wieder, die positive Einstellung des Ingo Zamperoni. Die hat er übrigens vom Hockeyspielen, erzählt er: „Da habe ich Verlieren gelernt.“ Niederlagen seien zwar oft bitter, aber auch eine Chance. „Man kann sie auch als Ansporn nehmen, es noch einmal zu versuchen.“

Text: Benjamin Laufer
Foto: Dmitrij Leltschuk

Lesung: Mi, 30.10, 18 Uhr; Diakoniezentrum für Wohnungslose,
Bundesstraße 101