Blinde Menschen brauchen Leit-Streifen.
Leit-Streifen sind Linien mit Rillen oder Noppen am Boden.
Sehende Menschen achten im Alltag kaum auf die Leit-Streifen.
Erdin Ciplak lebt in Hamburg und ist blind.
Er hat im Internet den Namen „Mr. BlindLife“.
Er macht Videos über sein Leben als blinder Mensch.
Erdin sagt: Leit-Streifen sind sehr wichtig.
Im Haupt-Bahnhof und im Internet
Der Hamburger Haupt-Bahnhof ist wichtiger für Erdin Ciplak.
Dort fühlt er sich sicher.
Auch wenn viele Menschen da sind,
findet er ruhig seinen Weg.
Erdin Ciplak ist 39 Jahre alt.
Er kann nur etwa 2 Prozent sehen.
In Behörden-Deutsch heißt das:
Erdin ist „gesetzlich blind“.
Erdin hat ein besonderes Training im Haupt-Bahnhof gemacht.
Dabei hat er den Bahnhof sehr gut kennengelernt.
Wegen dem Training findet er sich dort gut zurecht.
Er ist oft im Bahnhof,
denn er reist für seine Arbeit viel mit der Bahn.
Viele seiner Videos entstehen im Bahnhof.
Er heißt im Internet „Mr. BlindLife“.
Sehr viele Menschen sehen seine Videos auf TikTok und Instagram.
Die Leit-Streifen am Boden
Erdin Ciplak erzählt von sich und seiner Arbeit.
Dabei geht er in die große Bahnsteig-Halle.
Er schwingt seinen Blinden-Stock vor sich hin und her.
Mit dem Stock fühlt er die Rillen im Boden.
Die Rillen sind auf einem hellen Leit-Streifen.
Der Leit-Streifen leitet Erdin durch den ganzen Bahnhof.
Es gibt sehr viele Leit-Streifen auf dem Fußboden im Bahnhof.
Sie bilden zusammen ein großes Leit-System.
Das Leit-System hilft blinden und sehbehinderten Menschen.
So können sich blinde Menschen besser orientieren.
Fast alle Bahnhöfe und Halte-Stellen haben so ein Leit-System.
Auch viele öffentliche Gebäude haben es.
Es gibt zwei verschiedene Zeichen im Leit-System.
Die langen Rillen sind die Leit-Streifen.
Die runden Noppen heißen Aufmerksamkeits-Felder.
Die Aufmerksamkeits-Felder zeigen:
- Hier kann man die Richtung wechseln.
- Oder: Hier kommt eine Kreuzung.
- Oder: Hier ist eine Treppe.
- Oder: Hier ist ein Aufzug.
Lassen Sie bitte die Leit-Streifen frei!
Erdin Ciplak sagt:
„Bei Rillen soll man weiter·gehen.
Bei Noppen soll man kurz aufpassen.“
Für sehende Menschen gibt es nur eine wichtige Regel.
„Die Leit-Streifen müssen frei bleiben.“
Viele Menschen sehen die Rillen und Noppen nicht.
Manche Menschen denken:
Die Streifen sind eine Sicherheits-Linie an der Bahnsteig-Kante.
Sogar die Bahn hat das schon falsch gezeigt.
Erdin Ciplak hat das auf Plakaten gesehen.
Darum stehen viele Menschen ohne Absicht auf den Leit-Streifen.
Oder sie stellen ihr Gepäck darauf.
Erdin Ciplak sagt:
„Die Menschen meinen es nicht böse.
Es fehlt einfach Wissen über die Leit-Streifen.“
Wenn der Bahnsteig voll ist,
kann es gefährlich werden.
Erdin Ciplak muss dann manchmal in Richtung Gleis ausweichen.
Er hat keinen anderen Weg.
Am Haupt-Bahnhof sind viele Leit-Streifen abgenutzt.
Man kann sie nicht mehr gut fühlen.
Bei Bau-Arbeiten werden die Leit-Streifen oft vergessen.
Kleine Erfolge
Auf dem Gleis 3 und 4 wird gerade gebaut.
Dort gibt es im Moment keinen Leit-Streifen.
Es gibt nur farbige Linien.
Blinde Menschen können diese Linien nicht nutzen.
Dabei gibt es eigentlich Ersatz-Streifen,
die man auf den Boden kleben kann.
Vor Kurzem ist Erdin Ciplak gegen einen Bau-Zaun gelaufen.
Der Zaun stand mitten auf dem Leit-Streifen.
Er machte ein Video darüber.
Er stellte das Video ins Internet.
Kurz danach meldete sich die Bahn.
Die Bahn bedankte sich für den Hinweis.
Der Bau-Zaun wurde entfernt.
Solche kleinen Erfolge machen Erdin Ciplak Mut.
Erdin Ciplak möchte aber nicht nur schimpfen.
Viele Menschen hören ihm gut zu.
Viele Menschen sind offen für seine Hinweise.
Die Deutsche Bahn antwortet noch nicht auf seine Ideen.
Trotzdem merkt Erdin:
Viele Firmen wollen etwas besser machen.
Gelb ist viel besser
In Hamburg werden viele U-Bahnhöfe barrierefrei umgebaut.
Dabei werden auch die Leit-Systeme verbessert.
Der Leit-Streifen zur U1 am Haupt-Bahnhof ist schon sehr gut.
Erdin Ciplak geht die Treppe zur U-Bahn hinunter.
Er will zeigen, was er meint.
Man kann die Rillen gut mit den Schuhen fühlen.
Man hört auch einen Unterschied im Klang vom Boden.
Man kann die Streifen außerdem sehr gut sehen.
Das ist für die Menschen sehr wichtig,
die noch mehr als nur 2 Prozent sehen können.
Das erste Leit-System auf dem Boden gab es 1967 in Japan.
Ein Ingenieur hat es für einen blinden Freund gemacht.
Viele Länder haben dann das System übernommen.
In Deutschland gibt es die Leit-Streifen seit etwa 40 Jahren.
Seit dem Jahr 2000 gibt es dafür feste Regeln.
Trotzdem sehen die Leit-Streifen nicht überall gleich aus.
Das findet Erdin Ciplak nicht gut.
In vielen Ländern in Asien sind die Leit-Streifen gelb.
In Deutschland sind sie weiß, grau oder schwarz.
Die Farbe hängt vom Boden ab.
Die deutschen Regeln sagt nur:
Die Leit-Streifen müssen auf dem Boden deutlich sichtbar sein.
Erdin Ciplak sagt:
„Wenn alle Leit-Streifen gelb sind,
sehen alle Menschen sofort:
Die Leit-Streifen sind wirklich wichtig!“
Die Videos von „Mr. BlindLife“
Erdin Ciplak ist viel im Internet.
Auf den sozialen Medien heißt er „Mr. BlindLife“,
zum Beispiel auf YouTube oder Instagram.
Er erklärt dort viele wichtige Themen.
Seine Videos zu den Leit-Streifen sind sehr bekannt.
In den kurzen Videos filmt er den Boden.
Er zeigt Hindernisse und kommentiert sie.
Er spricht freundlich mit den Menschen am Bahnsteig.
Er macht das ohne Vorwürfe,
sondern mit Humor und Freundlichkeit.
Später bearbeitet er die Videos.
Er fügt Geräusche und kleine Bilder ein.
Viele Menschen sehen seine Videos.
Auch Menschen ohne Seh-Behinderung mögen die Videos.
Am Bahnhof wird er oft erkannt.
Auch an diesem Nachmittag passiert das.
Eine junge Studentin heißt Alima.
Sie wartet am Bahnsteig auf ihren Zug.
Sie fragt: „Bist du Mr. BlindLife?“
Alima sagt:
„Seit ich deine Videos sehe,
stelle ich meinen Koffer nicht mehr auf die Leit-Streifen.“
Erdin Ciplak freut sich sehr darüber.
Er bedankt sich bei ihr.
Er sagt später:
„Die Filme sollen nicht nur für blinde Menschen sein.
Für Inklusion müssen alle Menschen zusammenhalten.“
Sonder-Schule, Uni, Familie
Erdin Ciplak wurde in Hamburg geboren.
Er hatte von Anfang an mehrere Augen-Erkrankungen.
Dazu gehören Grüner Star und Grauer Star.
Er hatte auch Ablösungen der Netzhaut im Auge.
Er hatte schon mehr als 50 Operationen.
Trotz vieler Probleme hat er sich ein eigenes Leben aufgebaut.
Er ging auf eine Sonder-Schule für blinde und sehbehinderte Menschen.
Er sollte dann in einer Einrichtung für blinde Menschen arbeiten.
Aber er wollte das nicht.
Er wollte an die Uni.
Er wollte Soziale Arbeit studieren.
Im Studium lernte er,
wie er gut allein klarkommt.
Auch in einem Semester in der Türkei lernte er das.
Nach dem Studium arbeitete er in Vereinen für blinde Menschen.
Er arbeitete auch in der Ausstellung „Dialog im Dunkeln“.
Heute verdient er sein Geld im Internet.
Seine Frau heißt Jasmin.
Sie ist Juristin und Autorin.
Auch sie ist sehbeeinträchtigt.
Die beiden haben ein Baby bekommen.
Sie machen manchmal Videos über das Thema „Blind mit Kind“.
Erdin Ciplak sagt:
„Ich fühle mich besonders,
weil ich mein Geld über soziale Medien verdiene.
Ich kann als Mensch mit Behinderung selbstständig leben.“
Erdin sagt aber auch,
dass er keine Sonder-Rechte will.
Und er würde alles dafür geben,
dass er sehen könnte.
Für sehende Menschen ist es schwer zu verstehen,
wie sich ein Leben als blinder Mensch anfühlt.
Die Videos von Mr. BlindLife zeigen die Hindernisse im Alltag.
Die Videos sind zwar kurz:
Aber sie bewirken sehr viel.
Übersetzung in leichte Sprache: Grone barrierefrei
