Elf Jahre lang wurde Urmila Chaudhary als Sklavin ausgebeutet – ein Schicksal, das Tausende junge Mädchen in Nepal trifft. Heute kämpft Urmila erfolgreich für die Abschaffung dieses Systems.
Über das erste „good girl“ freute sie sich noch. „good girl“, gutes Mädchen, liebes Mädchen, sagte der Mann zu ihr, als sie ihm Tee servierte. Und Urmila Chaudhary verbeugte sich stumm und nickte. „Schließlich war ich damals eine Kamalari, ein Sklavenkind“, erklärt sie. Der Mann war Gast ihrer „Maharani“, ihrer Herrin, in deren Haus in Kathmandu sie schuften musste – meist 14 bis 16 Stunden am Tag. Vorher hatte Urmila, von ihrem Bruder als Sechsjährige „wie ein Stück Vieh“ verkauft, bereits acht Jahre der Nichte dieser Herrin gedient. „Ein anderes Leben kannte ich nicht.“ Und sie hatte kaum Hoffnung, dass es sich einmal ändern würde.
Doch beim zweiten „good girl“ war alles anders. Dieses Mal, im Frühjahr 2007, war Urmila endlich, nach elf Jahren Sklavendasein, frei. Sie stand jetzt gemeinsam mit anderen ehemaligen Kamalari-Mädchen vor dem Präsidenten Nepals, hatte ihn gerade aufgefordert, sie im Kampf gegen das Kamalari-System zu unterstützen. „Good girl“, antwortete der Präsident und tätschelte ihr den Kopf. Aber dieses Mal verbeugte Urmila sich nicht. „Nein, Sir, bitte entschuldigen Sie“, erwiderte sie stattdessen. „Ich bin kein gutes Mädchen. Ich bin ein ärgerliches Mädchen. Und ich werde so lange böse sein, bis die Ausbeutung der Kamalari endet.“
Noch vor vier Jahren wurde sie als Sklavin erniedrigt, heute besucht sie eine englische Privatschule in der Nähe ihres Heimatdorfes und kämpft als Präsidentin eines Forums ehemaliger Sklavenmädchen mit Protestaktionen und Aufklärungsarbeiten erfolgreich für die Abschaffung der Mädchensklaverei. Es ist eine bewegende, zutiefst berührende und auch mutmachende Geschichte, die Urmila Chaudhary jetzt gemeinsam mit der deutschen Journalistin Nathalie Schwaiger in dem Buch „Scklavenkind“ aufgeschrieben hat.
Text: Maren Albertsen
Foto: Hannah Schuh
Lesen Sie Urmila Chausharys Geschichte in der Juni-Ausgabe von Hinz&Kunzt.
In diesem Video erzählt die junge Frau selbst, was sie erlebt hat:
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Urmila Chaudharys Buch, „Sklavenkind“ ist im Knaur Verlag erschienen, 322 Seiten, 16,99 Euro.
Informationen zum Engagement von Plan Deutschland gegen das Kamalari-System sowie Spendenmöglichkeiten unter www.plan-deutschland.de