Barmbek und Winterhude : Abzocke mit Sozialwohnungen

Knapp 800 Euro kalt für eine 90 Quadratmeter Sozialwohnung – solche gar nicht sozialen Mieten wollte ein Investor mit Tricks von seinen Mietern bekommen. Jetzt hat er einen Rückzieher gemacht, womöglich will er sich aber vor Gericht wehren.

Noch nichtmal fertig, aber schon umstritten: Die Wohnungen im "Le Parc"-Quartier in Winterhude.

Wohnen in einer Sozialwohnung kann auch teuer sein, zumindest wenn der Vermieter Gerhard Clausen heißt. Der hatte im großen Stil seine Sozialwohnungen in Winterhude und Barmbek nur dann vermietet, wenn die Mieter auch eine Gebühr für Tiefgaragenstellplatz, Abstellraum, Dachterasse oder Kanustellplatz bezahlten. Die Mopo hatte im April berichtet, dass so zu einer Kaltmiete von 541,50 Euro noch 251 Euro Gebühren für die luxuriösen Extras hinzukamen. Außerdem wurden einmalige Zahlungen für hochwertige Küchen oder Parkettfußböden fällig. Dabei hatte der Vermieter Fördergelder erhalten, damit er die Wohnungen günstig vermieten kann.

Jetzt hat der Investor einen Rückzieher gemacht. Die Stadtentwicklungsbehörde BSU und die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt hatten sein Vorgehen juristisch überprüft und Konsequenzen angekündigt – Bußgelder und die Streichung der Fördermittel für sozialen Wohnungsbau drohten. Neue Mietverträge sollen nun entsprechend der gesetzlichen Vorschriften formuliert werden. Die Mieter, die bereits einen Vertrag für eine überteuerte Sozialwohnung mit Tiefgaragenplatz und Kanuanlegestelle unterzeichnet haben, können ihren Vertrag ändern. „Die entgeltliche Mitvermietung des KfZ-Stellplatzes wird hiermit aufgehoben“, heißt es in der Mietvertragsänderung, die Hinz&Kunzt vorliegt.

Auch für die Mieter von Gerhard Clausen gilt nun Recht und Gesetz – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem brüstet sich die BSU in einer Pressemitteilung damit: „Mieterinteressen haben bei uns einen hohen Stellenwert“, lässt sich Senatorin Jutta Blankau (SPD) darin zitieren. Dabei sind die Mieterinteressen noch gar nicht durchgesetzt worden. „Wir haben uns sehr über die Pressemitteilung gewundert“, sagt Sylvia Sonnemann zu Hinz&Kunzt. Sie ist Geschäftsführerin des Mietervereins Mieter helfen Mietern, der einige von Clausens Mietern unterstützt. „Die Verhandlungen mit den Altmietern laufen noch“, sagt sie.

Streitpunkt sind vor allem die Mieterhöhungen, die in den Verträgen festgeschrieben sind. Sobald die Mietpreisbindung für die Sozialwohnungen ausgelaufen ist, soll der Quadratmeterpreis auf 25 Euro steigen. Eine Wohnung, die jetzt für 541,50 Euro Nettokaltmiete zu haben ist, wird demnach im Jahr 2028 1076,60 Euro kosten. In 20 Jahren sollen es ganze 2216,60 Euro sein. Für die Mieter von Sozialwohnungen nicht bezahlbar. „Entweder haben sie es bis dahin geschafft, oder sie sind draußen“, sagt Sonnemann. Nur wenn den Mietern also in 15 Jahren der soziale Aufstieg gelingt, werden Sie in ihren Wohnungen bleiben können. Von einer „Zumutung“ spricht deshalb auch Olaf Duge von der GAL-Bürgerschaftsfraktion: „Das ist für eine dann ehemalige Sozialwohnung ein frecher Preis.“ Würde die Miete wie sonst üblich um maximal 20 Prozent steigen, läge sie 2028 bei 889 Euro. Allerdings: Die Wohnungen sind luxuriös ausgestattet. „Wir bauen luxuriöser als alle anderen in Hamburg“, sagt die Ehefrau von Gerhard Clausen zu Hinz&Kunzt. Die Mieter könnten so immerhin 15 Jahre günstig in einer Wohnung im Passivhaus mit Designer-Bad wohnen.

Auch Kanuanlegestelle und Tiefgaragenstellplätze gibt es noch. Sie müssen nur nicht mehr zwingend gemietet werden, theoretisch jedenfalls. Praktisch seien Mieter bei der Wohnungsübergabe dazu gedrängt worden, beklagt Mieter helfen Mietern. Ihnen wurde eine Vertragsergänzung vorgelegt, die in einem Unterpunkt erneut eine Vermietung des Tiefgaragenstellplatzes beinhaltetet. „In dieser Situation sind viele so aufgeregt, dass sie sich nicht jede Klausel durchlesen“, sagt Sonnemann. Außerdem unterschrieben sie häufig aus Angst, die Wohnung sonst nicht zu bekommen. „Der Vermieter hat gedroht, es fände keine Wohnungsübergabe statt, wenn die Mieter nicht sofort unterschreiben“, ergänzt Sonnemanns Kollegin Andree Lagemann. Die Hausverwaltung weist diese Vorwürfe barsch zurück: „Das ist doch totaler Blödsinn“, sagt Clausens Ehefrau. Nicht alle Mieter der bereits vermieteten Wohnungen hätten einen Tiefgaragenplatz gemietet.

Als einzigen Erfolg sehen Mieter helfen Mietern bislang die Zusage vom Vermieter, dass die einmaligen Zahlungen für Küchen und Fußböden zurückerstattet werden sollen. Doch auch hier berichten Mieter, dass die Hausverwaltung die Rückzahlung an den Abschluss eines Mietvertrages über einen Tiefgaragenstellplatz gebunden hätte. „Ihnen wurde gesagt: Wenn sie nicht unterschreiben, bekommen Sie das Geld nicht zurück!“, sagt Mieterhelferin Lagemann. Clausen bestreitet das: „Es stimmt einfach nicht.“

Die Einigung zwischen Vermieter und Behörden ist allerdings nur vorläufig. In einer Mietvertragsänderung zwischen der Clausen Hausverwaltung und einem Mieter heißt es: „Die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK) ist der Ansicht, dass einige der Vereinbarungen in diesem Mietvertrag so nicht hätten getroffen werden dürfen. Der Vermieter und seine Rechtsanwälte sind demgegenüber der Ansicht, dass die getroffenen Regelungen zulässig waren.“ Wer Recht hat, solle im Zweifelsfall vor Gericht geklärt werden.

Text und Foto: Benjamin Laufer

Hinweis: Dieser Artikel wurde am Donnerstag, den 2. August 2012 aktualisiert.

Weitere Artikel zum Thema