Susanne Giese hat ihre Energiepreispauschale an Hinz&Kunzt gespendet.
Wenn Susanne Giese im Unterricht ihr Akkordeon auspackt, fragen ihre Grundschüler:innen schon mal keck, ob sie damit auf der Straße Musik mache und Geld verdiene. „Für die Kinder gehören Straßenmusiker zum Alltag in der Stadt“, sagt die Lehrerin. Manche der Musiker:innen seien ziemlich gut, findet sie und guckt sich bei ihnen auch schon mal das ein oder andere ab. „Und natürlich gebe ich meistens Geld!“
Spenden sei nicht selbstlos, findet die 56-Jährige. „Es gibt mir ein gutes Gefühl – und beide Seiten haben etwas davon.“ Zehn Prozent von dem, was ihr zur Verfügung stehe, spende sie regelmäßig. „Ich habe es doch gut mit einem festen Gehalt und einer bezahlbaren Wohnung. Ich komme zurecht.“ Deshalb hat sie die einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro an Hinz&Kunzt gespendet. „Die Leute, die auf der Straße leben, können gar nicht heizen.“ Die Pauschale haben einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige und Selbstständige aufgrund der hohen Energiekosten vom Bund erhalten. Für Rentner:innen, Studierende und Fachschüler:innen ist ebenfalls eine Einmalzahlung geplant.
Diese Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip hält Susanne Giese für falsch. „Uns geht es nur gut, weil es anderen in der Welt schlecht geht“, sagt sie. „Da müsste die Regierung gegensteuern.“ Wohnungslosigkeit und Verelendung hätten nach ihrem Eindruck in der Stadt zugenommen und drückten in die Quartiere. Offener Drogenkonsum sei mittlerweile keine Seltenheit mehr: „Als Anwohnerin schwanke ich da zwischen Mitleid und Ärger.“
Mit Süchten kennt Susanne Giese sich aus. Sie arbeitet nicht nur als Lehrerin, sondern auch am Suchtpräventionszentrum des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg (LI). Dort leitet sie Fortbildungen und arbeitet als systemische Beraterin mit dem Schwerpunkt Medien. „Wir machen keine Drogenkunde, sondern Lebenskompetenzförderung“, erklärt sie. Dies sei an den Schulen kein Fach, aber ein Pflichtgebiet – mit steigender Nachfrage, denn die schwierige Coronazeit, aber auch die Klimakrise und der Krieg lösen bei den Schüler:innen Ängste aus. „Wir wollen die Persönlichkeiten und die Resilienz der Kinder stärken, damit sie mit Unsicherheiten besser umgehen können.“ Dazu gehöre ein besserer Umgang mit Stress, Kommunikation und Selbstwahrnehmung.
Gegen ihren eigenen Stress hilft Susanne Giese Yoga – und Musik. Allerdings spielt sie in ihrer Frauen-Trommelband „sticks&stöckl“ eher selten das Akkordeon, sondern meist die Trommel. Straßenmusik hat sie übrigens tatsächlich mal gemacht, mit ihrer Flöte während ihres Studiums in Freiburg, erzählt sie lachend. Fürs Geldverdienen habe es allerdings nicht gereicht, sagt sie: „Die anderen waren einfach besser.“
