Momentaufnahme : Eine Wohnung ist noch kein Zuhause

Frank, 46, verkauft an wechselnden Plätzen in der Innenstadt.

(aus Hinz&Kunzt 251/Januar 2014)

Frank haute nach einem Streit aus seiner Wohnung ab. Auf  der Straße hielt  er es nur ein paar Tage aus – dann kollabierte er.
Frank haute nach einem Streit aus seiner Wohnung ab. Auf der Straße hielt er es nur ein paar Tage aus – dann kollabierte er.

Vor knapp zwei Monaten landete Frank im Krankenhaus. Eines Morgens brach der 46-Jährige morgens vor einem Kiosk in Ohlsdorf zusammen. Zum Glück rief die Kioskbesitzerin sofort einen Krankenwagen. Frank hatte die Nächte davor draußen verbracht. „Ohne Schlafsack“, erzählt er. Irgendwann streikte sein Körper. Dabei hat Frank eigentlich eine Unterkunft. Aber er bekam Streit mit seinem Mitbewohner. Frank hatte Angst vor ihm und wollte nur noch weg. Weg aus seiner Wohnung, die für Frank eigentlich einen ersten Schritt zurück ins Leben darstellte.

Denn seine Alkohol- und Spielsucht haben im Leben von Frank viel zerstört. Als 17-Jähriger zog der gebürtige Hamburger mit seinen Eltern raus nach Buchholz in ein Reihenhaus.

„In so ein Kuhdorf zu ziehen, das war für mich eine Katastrophe“, erinnert sich Frank. Die letzte Bahn fuhr um 23.30 Uhr. Er schlief deswegen immer öfter bei Freunden in der Stadt. Dort konnte er feiern. Seine Ausbildung als Tankwart in Hamburg litt unter dem Umzug. „Ich habe auf einmal anderthalb Stunden bis zu meinem Ausbildungsplatz gebraucht“, erinnert sich Frank. Es gab Ärger mit dem Chef, nach einem Jahr brach er die Ausbildung ab. Über seinen Vater fand er 1985 einen neuen Ausbildungsplatz im Hafen. „Damals wurde noch von Hand gearbeitet“, erzählt Frank in breitem Hamburger Dialekt. Auch heute noch kann man sich gut vorstellen, wie der breitschulterige Mann Säcke schleppt. Aber auch das zog er damals nicht durch: Drei Wochen vor der Abschlussprüfung war Schluss. „Ich hab mir das durch meine Spiel- und Alkoholsucht kaputt gemacht. Vier Tage habe ich durchgedaddelt und gesoffen. Das war’s.“

Er fing an zu klauen und landete deswegen immer wieder im Gefängnis. Seine Mutter zog die Konsequenzen und schmiss ihn raus. „Ein Freund hat mir danach das Leben auf der Straße gezeigt“, sagt Frank. Zwei Jahre reiste er durch Deutschland. Später fand er wieder eine Arbeit: In einer Drückerkolonne versuchte er, Brillenreiniger an den Mann zu bringen. „Ich hatte immer einen Vorteil: Ich hatte einen Führerschein“, sagt Frank. Doch eines Abends geriet er in eine Polizeikontrolle, als er seine Kollegen noch vor deren Haustür absetzen wollte. Er hatte getrunken. „Nicht viel“, meint Frank. Aber es reichte wohl, um ihm den Führerschein zu entziehen.

Seit dieser Zeit hat Frank keine feste Arbeit mehr gefunden. Über einen Bekannten landete er 1999 schließlich bei Hinz&Kunzt. Einen festen Verkaufsplatz hat er sich nie aufgebaut. Trotzdem ist der Zeitungsverkauf für ihn wichtig: „Mir haben einige Käufer immer wieder den Rücken gestärkt.“ Das war notwendig, denn der 46-Jährige hat in den vergangenen Jahren viele Schicksalsschläge verarbeiten müssen: Seine Freundin verließ ihn, sein bester Freund starb und vor zwei Jahren diagnostizierten Ärzte bei Frank Tuberkulose. Die Krankheit hat er im Griff. Doch Frank sollte nie mehr auf der Straße schlafen. Das ist ihm in diesem Winter noch einmal klar geworden. Gut, dass Frank deutlich weniger als früher trinkt. „Mit Hartz IV kommt man ja auch nicht weit“, sagt Frank trocken. Und seine Wohnung? Frank ist seit dem Streit nicht mehr dorthin zurückgekehrt.

Hinz&Kunzt: Wo wohnst du, seit du das ­Krankenhaus verlassen hast?
Frank: Im Moment bin ich bei einem Freund untergekommen. Aber eines ­Tages hätte ich zu gerne eine richtige, eigene Wohnung.

Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante