Handballer Pascal Hens: Hart, aber fair

Respekt, Fairness und Teamgeist machen für HSV-Profi Pascal „Pommes“ Hens den Reiz des Handballsports aus – trotz schwerer Verletzungen und schmerzhafter Niederlagen. Ohne den Rückhalt seiner Mannschaft wäre der Sportler daran zerbrochen.

(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)

Handball ist kein Sport für Memmen. Das extrem körperbetonte Mannschaftsspiel auf dem harten Hallenboden gilt als eine der härtesten Sportarten der Welt. Für den Handballprofi Pascal Hens ist das keine große Sache. „Klar geht’s da zur Sache, aber daran gewöhnt man sich“, sagt der Rückraumspieler. „Jeder weiß, dass er eins auf die Fresse bekommen kann. Aber das gehört dazu, da beschwert sich bei uns im Team keiner. Wenn man auf die Abwehr draufgeht, dann müssen die Spieler sich halt wehren.“ Handball sei ein sehr fairer Sport: „Klar gibt’s im Spiel Reibereien, aber nachher ist das vorbei.“

Es ist eine der härtesten Sportarten der Welt. Doch Pascal Hens hält das Risiko beim Handball für vertretbar: „Wenn man über die Straße geht, dann kann einem genauso was passieren.“
Es ist eine der härtesten Sportarten der Welt. Doch Pascal Hens hält das Risiko beim Handball für vertretbar: „Wenn man über die Straße geht, dann kann einem genauso was passieren.“

Hens ist einer, der lieber macht als sabbelt. Lange still zu sitzen fällt ihm sichtlich schwer. Und so knarrt der zierliche Stuhl im Bistro bedenklich unter seinem Gewippe und Geruckel. Bedrohlich oder wuchtig wirkt der Zwei-Meter-Mann trotz seines Doppelzentnergewichtes nicht, da helfen auch keine Tätowierungen oder der drollige gelbe Punker-Hahnenkamm. „Pommes“ nennen sie ihn immer noch, weil er mal dünne Arme hatte, „Pommesärmchen“. Diese Zeiten sind lange vorbei, das stramme Krafttraining hat für bessere Stabilität und zwanzig Kilo mehr Muskeln gesorgt.
Der 30-jährige Handball-Nationalspieler ist ein Star geworden: Europa- und Weltmeister, Topspieler in einem der besten Clubs der Bundesliga. Sogar zum Buchhelden hat er es gebracht: In Birgit Hasselbuschs Jugendbuch „Ein guter Fang“ gibt er als umschwärmter Profi in einem fiktiven Hamburger Mädchen-Handballclub eine Trainerstunde. Abgehoben hat er trotz alledem nicht. Hens und seine Teamkollegen absolvieren in einem ganz normalen Fitness­center im Norden der Stadt zwischen Rentnertrupps und Stillmüttern ihr Regenerationstraining – und keiner guckt.
Müde sind die langen Kerle, am Vorabend haben sie ein wichtiges Spiel verloren. Darüber ist Hens nicht glücklich, auch wenn er die Niederlage runterspielen will: „Man muss schon Respekt vor dem Gegner haben, die Jungs können eben auch Handball spielen. Wenn wir einen schwarzen Tag erwischen, dann sieht man, dass wir keine Maschinen sind, sondern Fehler machen wie andere auch.“ Trotzdem wurmt es ihn, den Ehrgeizigen, gewaltig: „Nach dem Spiel geht man alles noch mal durch, hat alles vor Augen, kann nicht schlafen und fragt sich: ,Was haben wir da für eine Scheiße gemacht?‘“
Immerhin kann er heute besser mit Niederlagen umgehen als früher. Da hat er sich schon mal vor Wut seinen Walkman so lange auf den Kopf gehauen, bis das Gerät kaputtging. „Das ist aber ewig her“, wiegelt er lachend ab. Klar sei er immer noch stinkwütend, wenn sie ein Spiel versemmeln: „Gestern nach dem Spiel wollte ich auch was kaputt machen – hab ich aber nicht! Diese Aggressionen hätte man mal besser auf dem Spielfeld gehabt, denkt man dann danach.“
Gelegentlich sei auch der eigene Körper sein größter Feind. „Manchmal stehst du auf dem Spielfeld ein bisschen neben dir“, sagt er. „Viele Sportler kennen das. Obwohl man gerade spielt, kann man sich selbst dabei beobachten, was man in dem Moment macht, und kann doch nichts dagegen tun. Das ist frustrierend!“
Solche Frust-Momente sind bei Hens nicht von Dauer. Ein Stehaufmännchen sei er, das müsse man im Handball auch sein, da bleibe keiner lange liegen. „Ich bin kein Mensch, der schnell Trübsal bläst oder aufgibt“, sagt der HSV-Co-Kapitän. „Ich hatte viele Verletzungen, auch schlimme, bei denen ich drei, vier Monate pausieren musste – einen Bandscheibenvorfall oder den Bruch des Schienbeinkopfes. Da haben viele gedacht, der zerbricht jetzt daran. Aber für mich war das okay. Es war halt passiert, da kannst du nichts machen.“
Geholfen hat ihm damals der Rückhalt seiner Familie, aber vor allem auch seine Mannschaft mit ihrem Zuspruch: „Wir brauchen dich!“ Wie eine große Familie sei das, in der man gemeinsam etwas unternimmt, Siege feiert und Niederlagen verarbeitet. Daraus ziehe er viel Kraft, wenn er verletzungsbedingt draußen sei und wie auf einem Nebengleis fahre: „Am Ende führen die Schienen wieder zusammen. Die vergessen dich nicht.“ Können sie auch kaum: Wenn es geht, ist Hens dabei, auch wenn er nicht spielt. „Ich habe immer Angst, etwas zu verpassen“, sagt er lachend. „Wir haben so viel Spaß bei den Auswärtsspielen, abends wird noch Karten gespielt, da will ich doch dabei sein. Zu Hause zu sitzen, das geht gar nicht!“
Kein leichtes Leben für eine Partnerin an seiner Seite. Doch Pascal Hens’ Frau Angela kommt aus einer Handballerfamilie und hat selbst gespielt. „Nach Niederlagen muss ich mir manchmal ganz schön was anhören“, erzählt er. „Das muss ich dann abkönnen. Schließlich kennen wir uns schon ewig.“ Bereits als Kinder hätten sie gegeneinander gespielt. „Sie konnte mich nicht leiden, weil ich zu viele Tore für die Gegner gemacht habe. Da habe ich mir schon einige Beleidigungen von der Tribüne aus anhören müssen“, feixt er. Aber irgendwann hat’s trotzdem gefunkt, geheiratet haben die beiden 2009, und im Sommer erwarten sie Nachwuchs. „Einen Jungen“, sagt Hens stolz, „der wird bestimmt Handballer.“ Er selbst hat mit sechs Jahren angefangen, zu Hause in Mainz, „weil alle in meiner Klasse Handball spielten“, sagt er schlicht. Und weil er das eben gut konnte, ist er dabei geblieben.
Und noch immer überwiegt der Spaß am gemeinsamen Spiel. „Das ist wie eine gute Droge: die Atmosphäre, das Drumherum. Bei jedem Heimspiel kommen Zehntausend Leute! Das fesselt mich, ich möchte nicht ohne Handball leben.“ Und auch nicht ohne die Siege: „Ganz oben zu stehen, ,We are the Champions‘ zu hören und einen Pokal in die Luft heben zu können, das ist das geilste Gefühl.“
Noch dreht sich in Pascal Hens’ Leben alles um den Handball. Bundes­liga, Pokalspiele, vielleicht noch Olympia. „Drei, vier gute Jahre sind noch drin“, sagt er. Was kommen wird, wenn er mal nicht mehr spielen kann? „Keine Ahnung!“ und auch keine Lust, sich darüber Sorgen zu machen: „Ich könnte mir momentan kein besseres Leben vorstellen.“

Text: Misha Leuschen
Foto: Daniel Cramer

Buchtipp: „Ein guter Fang“ von Birgit Hasselbusch ist ein Jugendbuch vor allem für weibliche Handballfans und alle, die es werden wollen.
rororo rotfuchs, 6,95 Euro.

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