Ganz und gar nicht „ausgemustert“

Wilfried Dziallas spielt im Ohnsorg-Theater den Handlungsreisenden

(aus Hinz&Kunzt 116/Oktober 2002)

Sein Gesicht kennt seit dem Fernseherfolg „Girl Friends“ fast jeder. Die Fans des Ohnsorg-Theaters lieben ihn sowieso seit Jahren. Und dennoch ist der Name Wilfried Dziallas einem breiten Publikum bisher nicht geläufig. Das ändert sich jetzt hoffentlich: Wilfried Dziallas spielt zum 100-jährigen Jubiläum des Ohnsorg-Theaters die Hauptrolle in „Utmustert – Tod eines Handlungsreisenden“.

Auf den ersten Blick wirkt Dziallas auch heute mit 57 Jahren, nach mehr als zwölf Hauptrollen in TV-Produktionen, unzähligen Nebenrollen, etwa 20 Jahren als Regisseur, Autor und Theatermime nicht wie ein Künstler aus dem Elfenbeinturm. Mit seinem großen kräftigen Körperbau würde man ihm ohne weiteres abnehmen, er sei Bauarbeiter, Landwirt oder Fernfahrer. So einer von der ehrlichen, grundsoliden Sorte: aufrecht, geradeaus, besonnen, norddeutsch-bodenständig, mit trockenem Humor und immer mit dem Schalk im Nacken.

Doch auch wenn man es ihm nicht ansieht, so muss das Talent zur Schauspielerei schon in dem kleinen Stepke Wilfried geschlummert haben: Kaum konnte er halbwegs lesen, inszenierte der Sechsjährige vor versammelter Verwandtschaft Mickymaus- Comics und las mit verstellter Stimme alle Rollen selbst. Die Vorstellung muss beachtlich gewesen sein, denn als der Kleine während seiner Einmann-Show erklären wollte, wen er jetzt gerade spiele, meinte seine Mutter: „Junge, das hören wir doch, wer du bist.“
Hätten alle damals so genau hingehört, man hätte es ahnen können: Hier ist ein Schauspieler im Werden. Es folgte mit zwölf Jahren eine eigene Inszenierung von „Max und Moritz“. „Ich war natürlich weder Max noch Moritz, sondern der Regisseur“, erinnert sich Wilfried Dziallas. Die Regie, sein zweites Talent, war aus der Taufe gehoben.

Wer denkt, so schnurstracks ging es jetzt weiter auf die Bretter, die die Welt bedeuten, der irrt. Schließlich befinden wir uns in Hamburg, der Stadt der Pfeffersäcke, und da muss einer erst mal was Anständiges lernen. Wilfried Dziallas wurde Groß- und Außenhändler, belegte Buchhaltungskurse und engagierte sich als Gewerkschafter. „Dann lernte ich bei meiner Arbeit ein paar Amerikaner kennen und wollte unbedingt in die USA.“
Mit 21 Jahren wanderte Dziallas in die Staaten aus. Und dort, an der Universität in Utah, gab ein Dozent endlich den offiziellen Startschuss für die Karriere als Schauspieler, als er erklärte: „Du gehörst auf die Bühne.“ „Da war mir plötzlich alles klar“, sagt Dziallas. „Das ist mein Weg.“ Er studiert Schauspiel und Regie, unter anderem bei Hollywood-Star Jack Lemmon.

„Aber ich bin kein fanatischer Künstler“, gesteht Wilfried Dziallas. „Kaum in Deutschland zurück, bin ich rückfällig geworden. Ich war 26, wollte eine Familie gründen und ihr finanzielle Sicherheit geben.“ Er studierte Volkswirtschaft, arbeitete als Berufsberater beim Arbeitsamt.
Erst spät macht er das Theater zu seinem Beruf, dann aber auch gleich richtig. „Da ein Beginn als Anfänger mit 38 Jahren schlecht möglich war, blieb mir nur der Einstieg von oben“, so Dziallas in einem Interview. Er gründet 1982 das Theater „Die Maske“ an der Marschnerstraße. Doch das ehrgeizige Projekt scheitert und wird zum finanziellen Desaster.
Im Jahr 1986 führt Dziallas zum ersten Mal als Gastregisseur am Ohnsorg-Theater Regie, ein Jahr später hat er einen Festvertrag an der Hamburger Traditionsbühne, ist mittlerweile Oberspielleiter des Hauses.

Seinen ersten Fernseh-Film „Sturzflug“, dreht er mit Torsten Näter drei Jahre später, seither ist er in unzähligen Filmen zu sehen, zum Beispiel als Vater von Mariele Millowitsch in „Girl Friends“ oder in der Jugendserie „Neues vom Süderhof“.
Dass er einem breiten Publikum nicht durch spektakuläre Hauptrollen, sondern durch viele kleinere Rollen ein bekanntes Fernsehgesicht geworden ist, stört ihn wenig. „Eine kleine Rolle muss sofort sitzen. Wenn man nur ein oder zwei Szenen hat, muss man sofort überzeugen“, so Dziallas. „Eine Hauptrolle kann dagegen entwickelt werden, selbst wenn der Schauspieler am Anfang des Stückes schwach ist, kann er am Ende doch tosenden Beifall bekommen.“

Seine aktuelle Rolle am Ohnsorg als Willy Lohmann in dem weltberühmten Stück „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller, war für ihn ein besonderes Anliegen: „Das Stück ist leider hochaktuell: Ein Mensch, der sein ganzes Leben lang dem Traum von einer sicheren Zukunft nachjagt, steht vor den Trümmern seiner Existenz, als er entlassen wird.“
Träume habe er selbst zur Zeit eigentlich keine, meint Dziallas. „Ich habe mir eigentlich alles erfüllt: Ich schreibe, führe Regie, spiele – das ist ein solches Glück, da brauche ich nicht mal ein Hobby.“ Gegen so viel Zufriedenheit im Beruf eines Schauspielers, könnte wahrscheinlich nicht mal die eingangs zitierte Großmutter Ohnsorg das Geringste einwenden.

Petra Neumann