StrassenKunzt Edition : Riks wunderbare Welt

Mit Eliten hat er nichts am Hut. Für den Hamburger Kunstsammler Rik Reinking soll Kunst lebensnah sein und die Welt erklären. Dass das geht, zeigt die neue Kunstedition, die er für Hinz&Kunzt zusammenstellt.

(aus Hinz&Kunzt 234/August 2012)

Die Eltern von Rik Reinking waren pädagogisch schwer auf Zack. „Wir sind früher viel auf Reisen gewesen“, erinnert sich der 36-Jährige. „Ich kriegte dann den Reiseführer in die Hand, um das Programm zu machen. Das war toll! Ich hatte die Auswahl und durfte fast alles bestimmen – deshalb war ich von Museen und Kunst nie gefrustet.“ So wurde schon früh der Grundstein für seine Karriere als Kunstsammler gelegt. Die hat er mit 16 begonnen, da kaufte er sein erstes Bild – von Horst Janssen – und hat seither mit dem Sammeln nicht mehr aufgehört.

Wir treffen uns auf einem wildromantischen Hinterhof mitten in der Stadt. Hier lagern seine Exponate, wenn sie mal nicht rund um die Welt auf Ausstellungen gezeigt werden. Kunst, schrabbelige Industriearchitektur und Bohemeleben vermischen sich zu einer märchenhaften Kulisse mit Schwenkgrill und Tomatenpflanzen, rostigen Stahltüren und Wandmalereien. Am Boden der Lagerhalle liegt ein zusammen­gerollter Teppich, aus dem Beine mit Turnschuhen schauen. Daneben hockt ein lebensgroßer Mensch im Schneidersitz, in Folie eingeschlagen. Die Kapuze seiner Sweatjacke ist leer, der Kerl hat kein Gesicht – verstörende Kunstwerke des Amerikaners Mark Jenkins.

Die zeitgenössische Kunst hat es dem gebürtigen Hamburger angetan, vor allem Urban oder Street Art. Das können Graffiti oder Wandbilder sein, Aufkleber oder Tags. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Reinking heute ausgerechnet Kunst sammelt, die zum Teil aus einer Großstadtkultur ­entstanden ist. Denn groß geworden ist der Sohn eines Ingenieurs und einer Hausfrau in Oldenburg. „Unsere Eltern wollten nicht, dass wir Kinder in der Stadt aufwachsen“, ­erzählt er. Das fanden sie zu gefährlich: Jugendbanden, ­Drogen, Schlägereien, „die ganzen Aggressionen und Konfrontationen einer Großstadt“.

Was ihm an der manchmal rohen, eigenwilligen Urban Art gefällt? „Es ist Kunst, die an unserer Gesellschaft interessiert ist, keine kunstmarktgemachte Elite“, erklärt er. „Bei Urban Art erklären die Jungen den Alten, was los ist. Kinder und Jugendliche, die sonst nicht ins Museum gehen, die kennen sich aus. Weil sie dort ihre Helden sehen, und die heißen nicht van Gogh oder Rembrandt. Die heißen DAIM oder Banksy, die finden sie cool, weil sie ihnen lebensnah sind.“ Ihm hilft Urban Art, die Welt besser zu verstehen, sagt er schlicht. ­Dabei ist sie für ihn eigentlich gar nicht so kompliziert. „Ich habe ein großes Glück“, sagt er. „Ich kenne Neid und Missgunst nicht. Das macht mich unangreifbar.“

Wer sich unter einem Kunstsammler einen schnöseligen Anzugträger mit Kulturdünkel vorstellt, der liegt bei Rik Reinking völlig falsch. Handfest, freundlich und unkompliziert ist er. Hinter der Fassade des witzigen Unterhalters verbirgt sich ein schneller, scharfer Verstand. Schwindlig reden kann er sein Gegenüber, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und bleibt trotzdem beim Thema. Beim Geschäftemachen ist dieses Talent von Vorteil. Mit Geschäften für andere verdient der studierte Kunsthistoriker und Jurist das Geld, um seine mittlerweile umfangreiche Sammlung zu ­finanzieren. Reinking hat gute Kontakte. So bekommt er Suchaufträge von anderen Sammlern für besondere, oft rare Kunstwerke, die es aufzustöbern gilt. Wenn er den Besitzer zum Verkauf bewegen kann, gibt es für ihn eine Provision.

Für ihn bedeutet diese Arbeit nicht nur, seinen Sachverstand für zum Teil aufwendige Suchen zur Verfügung zu ­stellen. Zu Beginn sei es wie eine bezahlte Fortbildung gewesen, findet er: „Diese Reisen konnte ich mir selber gar nicht ­leisten. Ich bewegte mich global, lernte Kunst und Künstler kennen und konnte Kontakte knüpfen.“ Manche Objekte sind nicht nur selten, sondern auch sehr teuer. Reinking pumpt das Geld, das er als Provision für seine Arbeit erhält, gleich wieder in seine Sammlung. Er lebt dafür, Kunstwerke miteinander in den Dialog zu bringen, indem er thematisch Werke von Künstlern zusammenstellt, die auf den ersten Blick nicht zwingend miteinander zu tun haben. „Das ist die kreative Leistung des Sammlers – und dafür muss man diese Werke manchmal besitzen“, findet er.

Für Hinz&Kunzt bringt er nicht nur Werke, sondern auch Menschen miteinander in Kontakt. Er wirbt bei Urban-Art-Künstlern dafür, ein exklusives Werk für eine Hinz&Kunzt-Edition zu schaffen. Den Auftakt macht der Hamburger Künstler DAIM (siehe unten). Nach Abzug der Material­kosten wird der Gewinn zwischen Künstler und Hinz&Kunzt geteilt. „So haben beide Seiten etwas davon“, freut sich Reinking. „Optimal, oder?“

Text: Misha Leuschen
Foto: Daniel Cramer

Info: www.reinkingprojekte.com/de