Die Arbeitsgruppe 1 tauschte sich über die zentrale Frage aus: Wie können/müssen Straßenzeitungsprojekte mit Roma arbeiten?
Fest steht: Wer neue Gruppen im Projekt aufnehmen will, muss seine Strukturen entsprechend ändern. Insbesondere Roma bringen eine Kultur und eigene Strukturen mit, die sie nicht ohne weiteres verlassen werden und die unter Umständen mit den Vorgaben von Straßenzeitungsprojekten nicht vereinbar sind.
Die erste Arbeitsgruppe möchte statt des Begriffs „Integration“ vielmehr den Begriff „Inklusion“ verwenden. Das heißt: Neue Verkaufende mit dem aufnehmen, was sie mitbringen. Gegebenenfalls Strukturen erweitern. Dazu gehört auch, ihre Bedürfnisse zu ermitteln und individuell auf sie einzugehen (zum Beispiel: Sprachkurse). Auf keinen Fall: Menschen in ein Raster pressen.
Wichtig ist, festzustellen: Neue Verkaufende sind zunächst als Bereicherung – auch für die Auflage und den Verkauf der Straßenzeitung – wahrzunehmen. Dabei gibt es natürlich Problemlagen, etwa dass Roma weniger als Einzelne, sondern im Familienverband auftreten.
Alle Straßenzeitungen und alle Verkaufenden müssen sich – auch um ihr Projekt nicht zu gefährden – an Regeln halten (zum Beispiel, dass der Verkauf der Zeitung und Betteln nicht gleichzeitig geschehen dürfen). Vielleicht sind weniger Regeln hilfreich, die jedoch unbedingt eingehalten werden müssen.
Die Bedürfnisse neuer Verkaufende müssen erhoben werden. Die Motivation, eine Straßenzeitung zu verkaufen, ist zuallererst, ein Einkommen zu erwirtschaften.
Für Roma, so die Arbeitsgruppe, sei es zudem wichtig, dass auch positiv über sie berichtet werde (siehe AG 2) und dass ihre Geschichte andauernder Vertreibung ernst und wahrgenommen werde.
Was für die Frage der Aufnahme als Verkaufende keine große Rolle spiele, sei die Dauer des Aufenthalts von Roma in Deutschland/Österreich/der Schweiz.
Wertvoll und zugleich eine Herausforderung für Straßenzeitungen: Bestimmte gesellschaftliche Veränderungen werden bei ihnen zuerst sichtbar – verstärkte Armut bei Jugendlichen, Änderungen der Sozialgesetzgebung oder auch Zuwanderungswellen. Neue Problemlagen können die Projekte oft nicht allein meistern. Hier ist es wichtig, sich zu vernetzen, etwa mit Beratungsstellen, Flüchtlingshilfeorganisationen oder Rechtsexperten, um sinnvoll helfen zu können.
Das bezieht sich auch besonders auf die Situation von Asylwerbern und Asylbewerberinnen, die nach mehrjährigem Verkauf plötzlich verschwinden oder bei den Straßenzeitungen nach ablehnendem Bescheid im Asylverfahren um Hilfe vor der Abschiebung ersuchen (Idee: Schaffung von Vernetzung in der Rechtsberatung und –vertretung bei Asyl- und Bleiberechtsverfahren). Überlegt wurde auch die Einrichtung eines “Frühwarnsystems”, um etwa Informationen darüber zu erhalten, ob Verkaufenden womöglich inhaftiert wurden.
Auch für alteingesessene Verkaufende von Straßenzeitungen sind neue Verkäufergruppen eine Herausforderung – manche empfinden sie gar als Zumutung. Die Projekte haben hier die Aufgabe, ihren Verkaufenden ein Wir-Gefühl zu vermitteln und Konflikten vorzubeugen, etwa durch gemeinsame Aktivitäten (ein Chor, eine Fußballmannschaft, …). Durch ausgewogene Berichterstattung wecken Straßenzeitungsredaktionen Verständnis in der Bevölkerung – und bei den eigenen Leuten.
Gemeinsame Richtlinien können zu der Problematik nicht entwickelt werden, denn jede Straßenzeitung arbeitet anders.
Während Mo aus Wien vor allem Asylbewerber und Asylbewerberinnen und Roma als Verkaufende hat, verkaufen bei Surprise Asylbewerber nd Asylbewerberinnen und Schweizer. Den Global Player verkaufen in Wien ausschließlich Roma. Beim Augustin gibt es kaum Schranken, während Kupfermuckn Wert darauf legt, dass der Lebensmittelpunkt der Verkaufenden Linz ist. Hinz&Kunzt in Hamburg hat sich bislang noch nicht geöffnet, befindet sich aber in der Diskussion darüber, ob und wie das möglich sein könnte.