Vor 30 Jahren versuchten Rechtsextreme in Rostock-Lichtenhagen, Hunderte Roma und Vietnames:innen zu töten. Viele sahen zu, klatschten Beifall, andere sahen weg. Bis heute ist nicht geklärt: Wie konnte es so weit kommen?
Ein Plattenbau, drei Sonnenblumen an der Fassade, Feuer in den Fenstern. Ein betrunkener Mann mit eingenässter Jogginghose, die Hand zum Hitlergruß erhoben. Polizisten, die vor jugendlichen Schlägern fliehen. Die Tonspur dazu: Johlen, Pfiffe, „Deutschland den Deutschen“ und „Gleich werdet ihr geröstet“.
Die Szenen sind bekannt, es sind Bruchstücke eines tagelangen Pogroms gegen obdachlose Roma und vietnamesische Arbeitsmigrant:innen in der jungen Bundesrepublik. Trotzdem bleibt auch heute unfassbar, was im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen geschah. Wieso stoppte niemand die Rechtsextremen, die Steine und Brandsätze auf wehrlose Menschen schleuderten? Wie konnten sich 3000 Schaulustige dazustellen, klatschen und jubeln? Während im Hochhaus Männer, Frauen und Kinder Todesangst erlitten, versorgten draußen Imbiss- und Getränkestände den Mob mit Bier und Wurst. 30 Jahre später blickt Deutschland mit Entsetzen zurück. Doch vieles bleibt ungeklärt.
„Roma werden aufgeklatscht“
So kündigten es anonyme Informanten in der Ostsee-Zeitung an. Ziel der Rechten war demnach die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge, kurz: ZAST, Hausnummer 18 des Sonnenblumenhauses an der Mecklenburger Allee. Sie war das einzige Aufnahmelager für Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern, bis zu 300 Menschen lebten dort, viele aus Osteuropa. Im Sommer 1992 wurde die ZAST zum Ort vergeblichen Hoffens für Hunderte asylsuchende Familien aus Rumänien…