Mit dem VW-Bus durch Europa : „Zeit ist das, was man daraus macht“

20 Monate lang ist Oliver Lück mit seiner Hündin Locke im VW-Bus durch Europa gereist. Er traf Goldwäscher am Polarkreis, einen Sternekoch in Holland und den Fußballer Lionel Messi in Barcelona. Ausgewählte Geschichten aus dem daraus entstandenen Buch „Neues vom Nachbarn – 26 Länder, 26 Menschen“ liest er jetzt während einer dreistündigen Stadtrundfahrt – natürlich in seinem bewährten Bulli. Über seine Reiselust sprach Oliver Lück mit Hinz&Kunzt.

(aus Hinz&Kunzt 243/Mai 2013)

VW-Bus-Europa

HINZ&KUNZT: Wie ist die Idee zu einer so langen Reise entstanden?
OLIVER LÜCK: Das ist doch recht naheliegend; viele Menschen würden gern einmal länger unterwegs sein, können das aus zeitlichen Gründen jedoch nicht. Ich bin auch fruüher schon viel gereist und ein paar Monate am Stück unterwegs gewesen. Und allein unterwegs zu sein war mir auch wichtig.

Aber ganz allein waren Sie ja nicht.
Nein, ich hatte Locke dabei. Sie war noch ein Welpe, als wir aufgebrochen sind. Da ich vom Stadtleben die Nase voll hatte, habe ich meine Wohnung gekündigt und bin mit meinem kleinen Hovawart und meinem VW-Bus aufgebrochen.

Das war mutig. Hatten Sie keine Zukunftsangst?
Als Journalist kann ich überall arbeiten. Außerdem hatte ich eine Vereinbarung mit Spiegel Online über eine regelmäßige Ko-lumne namens Lück und Locke. Von früheren Reisen wusste ich, dass die Kosten unterwegs überschaubar sein würden.

In welcher Sprache haben Sie sich verständigt?

In Osteuropa sprechen ältere Menschen oft noch Deutsch, die jüngeren meist gut Englisch. Nur in Italien und Frankreich war es schwierig. Wenn es nicht anders ging, habe ich mir einen Dolmetscher gesucht.

Gab es Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind? 

Eingeprägt haben sich vor allem Alltags­situationen, in denen ich zum Beispiel bei Leuten mit am Esstisch gesessen habe. Das war wie Heimat und immer sehr herzlich und intensiv. Manchmal haben wir dann viele, viele Stunden am Stück geredet.

Ihre Lieblingsgeschichte?

Besonders hat sich mir eine alte Frau eingeprägt, die schon ihr Leben lang am Jakobsweg wohnt und dort die Pässe der Pilger stempelt. „Zeit ist das, was man daraus macht“, hat sie zu mir gesagt. Und das stimmt. Als ich am Ende unseres Gespräches auf ihre Uhr am Handgelenk sah, merkte ich, dass diese seit Stunden stehen geblieben war. Ein passendes Bild. Auch die Schwedin, die eine auf Kompostierung beruhende umweltfreundliche Bestattung erfunden hat, fand ich beeindruckend. Und Sergio Herman, einen niederländischen Drei-Sterne-Koch. Mit ihm habe ich drei Tage verbracht und am Ende in seinem Restaurant sechs Stunden lang gegessen. Daran werde ich mein Leben lang denken.

Und Lionel Messi? Den Fußballer haben Sie doch auch nicht zufällig getroffen.

Ich hatte ihn in meiner Zeit als Sportreporter schon zwei Mal interviewt. In Barcelona habe ich dann eine Woche auf den Termin gewartet. Es gibt aber Schlimmeres – Barcelona und Hamburg sind die schönsten Städte Europas.

Und jetzt bringen Sie Ihre Europa-Erlebnisse bei einer Stadtrundfahrt nach Hamburg. Was erwartet die Reisenden?

Eine ungewöhnliche Lesung im VW-Bus und gleichzeitig eine Stadtrundfahrt, die eine Reise durch Europa werden wird. Wir werden drei Stunden unterwegs sein und Orte anfahren, die zu den Geschichten aus dem Buch passen, wie etwa der Elbstrand für die lettische Sammlerin, die an der Ostsee lebt und aus Strandgut Kunstwerke macht. Oder Altenwerder: Es gibt nämlich auch ein belgisches Dorf, das einem Hafen weichen musste. Insgesamt werden wir 35 Kilometer durch Hamburg fahren.

Und Sie lesen beim Fahren?

Nein, keine Sorge, den Bus fährt jemand anderes. Ich lese die Geschichten und zeige dazu etwa 100 Dias meiner Reise. Wo die Tour endet, werde ich jetzt allerdings noch nicht verraten. Ich bin mir aber sicher, dass alle Fahrgäste an Bord Hamburg und auch Europa von einer neuen Seite und ein Stück weit besser kennenlernen werden.

Interview: Sybille Arendt
Foto: Oliver Lück

Zum Journalismus kam Oliver Lück (39) durch den Sport, schrieb aber bald auch über andere Themen. „Neues vom Nachbarn. 26 Länder, 26 Menschen“ ist sein erstes Buch (Rowohlt-Verlag, 320 Seiten, 9,99 Euro)

Stadtrundfahrt mit Lück und Locke: Do, 23.5., Fr, 31.5., Sa, 1.6., 18 Uhr, Parkplatz St. Pauli Landungsbrücken, Ankunft ca. 21 Uhr Talstraße. 35 Euro (inklusive Lesung, kulinarische Happen und Getränke). Lesungen: So, 2.6., altonale/­Hafenbahnhof, 16 Uhr, Eintritt frei und Do, 6.6., Dr. Götze Land&Karte, 19 Uhr, Eintritt 8 Euro, www.lueckundlocke.de

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