Mieter helfen Mietern-Interview : „Die Lage wird sich verschärfen“

Knapp zwei Jahre ist der SPD-Senat jetzt am Ruder. Studenten schlafen in Turnhallen, Flüchtlinge in Zelten, Obdachlose in Massenunterkünften. Was läuft falsch in der Hamburger Wohnungspolitik? Das wollten wir von Mieter-helfen-Mietern-Anwalt Marc Meyer wissen.

Marc Meyer von Mieter helfen Mietern sagt: „Sozialwohnungen brauchen längere Bindungen.“

Knapp zwei Jahre ist der SPD-Senat jetzt am Ruder. Studenten schlafen in Turnhallen, Flüchtlinge in Zelten, Obdachlose in Massenunterkünften. Was läuft falsch?
Die aktuelle Lage ist nicht nur das Ergebnis von zwei Jahren SPD-Politik. Was wir heute vorfinden, ist das Ergebnis der Wohnungsbaupolitik der letzten zehn Jahre. Und: Hamburg ist seit zehn Jahren wieder eine wachsende Metropole. Jedes Jahr kommen 10.000 bis 12.000 Menschen dazu, das entspricht etwa 5000 bis 6000 Haushalten.

„Der Drittelmix geht in die völlig falsche Richtung.“

Der Senat will jährlich immerhin 6000 Wohnungen bauen…
Diese Zahl täuscht. Es werden auch Gebäude abgerissen oder sie werden zu alt, um noch bewohnt zu werden. Wir gehen davon aus, dass 1000 Wohnungen im Jahr wegfallen. Dann hat man nur einen Zuwachs von 5000.

Darunter allerdings 2000 Sozialwohnungen…
Es fallen derzeit jährlich etwa 5000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung heraus, deren Mieten steigen also. Neu gebaut werden aber nur ca. 1200 Sozialwohnungen mit einem Mietpreis von knapp 6 Euro pro Quadratmeter. Da wird sich die Lage also verschlimmern. Die anderen 800 öffentlich geförderten Wohnungen haben schon einen Quadratmeterpreis von über 8 Euro. Die sprechen eher den Mittelstand an.

Bei Neubauprojekten sollen jeweils ein Drittel Sozial-, Eigentums- und normale Mietwohnungen entstehen. Ist das sinnvoll?
Der Drittelmix geht in die völlig falsche Richtung. Die frei finanzierten Wohnungen sind nur für überdurchschnittliche Verdiener anmietbar. Und Eigentumswohnungen können sich in der Regel auch nur Menschen mit besseren Vermögensverhältnissen leisten. Hamburg ist eine Mieterstadt: 80 Prozent der Wohnungen sind Mietwohnungen, nur 20 Prozent sind Eigentumswohnungen. Wenn wir in Großprojekten ein Drittel Eigentumswohnungen bauen, dann erhöhen wir damit die Eigentumsquote in der Stadt.

„Sozialwohnungsbau die einzige Möglichkeit, günstigen Wohnraum auf den Markt zu bringen.“

Sind Sozialwohnungen das richtige Instrument? Die fallen ja irgendwann aus der Mietpreisbindung.
Es ist ein Problem, dass die meisten Wohnungen nach 15 Jahren aus der Bindung fallen, weil die Miete dann schnell sehr teuer werden kann. Wir brauchen längere Bindungszeiten von mindestens 30 Jahren. Allerdings ist Sozialwohnungsbau die einzige Möglichkeit, günstigen Wohnraum auf den Markt zu bringen.

Welche Rolle spielt das städtische Wohnungsbauunternehmen Saga GWG?
Die Stadt kann der Saga GWG Vorgaben zur Vermietungspraxis und zur Bautätigkeit machen. Wir würden uns freuen, wenn die Saga GWG die Rolle als Preisdämpfer auf dem Wohnungsmarkt noch viel stärker ausfüllen würde. Sie sollte derzeit grundsätzlich keine Mieterhöhungen durchführen. In den letzten Jahren musste Saga GWG jährlich 100 Millionen Euro für den Kauf der ebenfalls städtischen GWG an den Senat abführen. Dieses Geld hätte der Senat in Wohnungsbau investieren und nicht in der Elbphilharmonie versenken sollen.

„Wir denken, dass der Eigentümer, der sein Haus aus Spekulationsgründen leer stehen lässt, keinen Hausfrieden mehr hat.“

Es gibt etwa eine Million Quadratmeter leer stehende Büros in der Stadt. Könnte man den nicht zu Wohnraum machen?
Wir gehen davon aus, dass es zig Bürogebäude gibt, bei denen sich das rechnen würde. Wenn wir nicht alle Menschen im Rahmen von Winternotprogrammen versorgt bekommen, ist es unerträglich, dass überall in der Stadt beheizte Bürogebäude leer stehen. Außerdem rechnen wir mit etwa 2000 leer stehenden Wohnungen, die man relativ kurzfristig auf den Markt bringen könnte. Die müssten nur saniert werden oder man müsste dem Eigentümer die Pistole auf die Brust setzen, denn nach dem Wohnraumschutzgesetz ist es verboten, Wohnraum leer stehen zu lassen.

Das Wohnraumschutzgesetz soll jetzt verschärft werden, wer ein Gebäude länger als drei Monate leer stehen lässt, macht sich dann strafbar.
Wir begrüßen die Verschärfungen im neuen Wohnraumschutzgesetz. Gesetze können aber auch Papiertiger sein. Die Behörden müssen so ausgestattet werden, dass sie die Sachen auch verfolgen können, die bei ihnen angezeigt werden.

…oder es kommen die Besetzer! Im November wurden in Hamburg mehrfach leerstehende Gebäude besetzt. Was meinen Sie – kann man so die Wohnungsnot lindern?
Besetzungen werden keine Lösung für alle Menschen sein, die hier unter der Wohnungsknappheit leiden. Aber es ist durchaus verständlich, dass Menschen vor dem aktuellen Hintergrund zu diesem Mittel greifen. Die Gerichte in Hamburg bewerten das nach wie vor als Hausfriedensbruch. Wir denken allerdings, dass der Eigentümer, der sein Haus aus Spekulationsgründen leer stehen lässt, obwohl Menschen in Not sind, keinen Hausfrieden mehr hat. Menschen, die auf illegalen Leerstand aufmerksam machen, sollten strafrechtlich nicht belangt werden.

Ein Blick in die Zukunft: Wird sich die Situation in zwei Jahren verbessert haben?
Ich befürchte, dass wir dann mindestens eine so schlechte Situation haben, wie jetzt. Die Stadt wächst jährlich um 6000 Haushalte. Selbst wenn die SPD jährlich 6000 Wohnungen zusätzlich baut, wird sich die Lage durch den Drittelmix – bei gleichzeitigem Wegfall von Sozialwohnungen – weiter verschärfen. Es müssen deutlich mehr preiswerte Sozialwohnungen gebaut werden!

Interview: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante 

Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg

Dieser Winter ist für Wohnungslose besonders hart: Ein Baby wird obdachlos. Wohnungslose Menschen müssen in Notunterkünften auf Stühlen und auf dem Fußboden schlafen, Studenten in einer Turnhalle und Flüchtlinge in Zelten. Die Dauerunterkünfte sind voll belegt, Wohnungen erst recht nicht frei. Dabei verfallen etliche unbewohnte Gebäude. Sozialsenator Scheele hat 1000 neue Unterkünfte versprochen. Trotzdem: Die Suche nach einer Herberge wird an vielen Orten in Hamburg zum Trauerspiel. Wir haben einige besucht und in unserer Karte verzeichnet:

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