Warten auf den Paukenschlag

Das ehemalige Karstadt-Gebäude in Altona-Altstadt sollte abgerissen werden. Doch daraus wird erst mal nichts

(aus Hinz&Kunzt 177/November 2007)

Neulich am Nebentisch. Er: „Dass der Klotz da immer noch steht …“ Sie: „Nichts ist passiert, rein gar nichts!“ Pause – beide nehmen einen Schluck Kaffee. Wieder er: „Am besten sprengen; einfach in die Luft jagen!“ Und sie: „Das werden wir beide wohl nicht mehr erleben.“

Der junge Mann, der zu Quartiersmanagerin Katharina Regenstein gekommen ist, hat weit weniger brachiale Absichten: Er möchte im alten, seit Jahren leer stehenden Karstadt-Gebäude in der Großen Bergstraße eine Kunstaktion ausrichten. Die Besucher sollen einzeln auf eine Reise durch das verwinkelte Areal geschickt werden und möglichst bald die Orientierung verlieren. Könnte er dafür die oberen Stockwerke nutzen? Das Treppenhaus, den Keller, das Dach? Katharina Regenstein muss ihn enttäuschen: Die Gebäudeverwaltung erlaubt nur die Nutzung des Erdgeschosses. Trotzdem schauen sie nach einem Termin: Das Gebäude ist unter Künstlern mittlerweile heiß begehrt.

Die Große Bergstraße und ihre Umgebung ist ein Anziehungspunkt für junge Menschen geworden. „Die Künstler haben das Viertel eindeutig belebt“, sagt Katharina Regenstein. „Es ist hier abends wieder etwas los, die Leute fühlen sich auch wieder sicher.“ Trotzdem: Das reicht den Anwohnern nicht. „Zwar kann man wieder das meiste kaufen, was man so braucht, aber die Leute vermissen das Flair früherer Tage. Da kommt dann immer die Frage nach dem Schlachter, auch wenn es in anderen Vierteln längst keine Schlachter mehr gibt.“

Die Stadtplanerin registriert auch, dass viele neue Bewohner in den Stadtteil gezogen sind, auch weil die Mieten und Grundstückspreise noch vergleichsweise bezahlbar sind. „Doch die eilen durch die Fußgängerzone, schauen nicht nach links und rechts; wollen schnell rüber nach Ottensen.“

Ottensen gegen Altona-Altstadt. Weiterhin werden die beiden Stadtteile miteinander verglichen – und weiterhin ist Ottensen haushoher Sieger. Dabei ist es noch nicht lange her, da schien Ottensen – damals noch Mottenburg genannt – ebenso aufgegeben wie heute das Gebiet um die Große Bergstraße. „Das änderte sich erst, als man anfing, die alten Metall- und Schiffsfabriken für die Medienbranche umzubauen“, erzählt Architekt Peter Koch vom Kultwerk West, das Veranstaltungen zu Stadtplanung und Architektur ausrichtet. „Das wird Warten auf den Paukenschlag Das ehemalige Karstadt-Gebäude in Altona-Altstadt sollte abgerissen werden. Doch daraus wird erst mal nichts man nicht wiederholen können, schon weil es hier keine Fabriken gibt“, ergänzt er. „Aber es braucht einen Paukenschlag, allein damit das Quartier seinen schlechten Ruf verliert.“

Dieser Paukenschlag sollte der Abriss des ehemaligen Karstadt-Gebäudes sein. Doch der wurde jüngst um ein Jahr vertagt. Der Eigentümer, die Schweizer „k-werkstatt Baumanagement AG“, denkt neuerdings wieder über einen Teilumbau des 70er-Jahre-Baus nach, hat ein weiteres raumsoziologisches Gutachten in Auftrag gegeben – und blockiert so die Pläne von Bezirk und Senat.

Derweil beklagten sich im Kultwerk West kürzlich Bewohner von der anderen, der hübschen Seite Altonas, wie ihr schönes Ottensen vor die Hunde komme. Es platze aus allen Nähten. Noch der letzte freie Meter werde bebaut. Ein Besucher schlug halb im Ernst, halb im Spaß vor, am Wochenende Nicht-Ottensener den Zutritt zum Viertel zu verbieten. Eine Architektin räumte selbstkritisch ein, dass sie und ihre Kollegen zu eng bauen würden. Ein Fehler, aus dem man für Altona-Altstadt lernen könnte.

Doch wird das geschehen? Sigrid Berenberg, Vorsitzende des Kultwerks, sieht ungute Tendenzen. Es geht um eine Fläche in der Schomburgstraße, wo sich ein Park- und ein Fußballplatz erstrecken. Die soll bebaut werden – und das, wo es hier eng genug ist. Das Argument laute wie immer: Freiflächen oder Wohnungen für junge Familien, die man doch so für die Belebung eines Viertels brauche. Und da knickten dann alle ein.

Doch es gibt einen intelligenten Gegenvorschlag: Studenten der HafenCity-Universität haben sich die breiten Verkehrsachsen angesehen, die durch das Viertel führen – und vorgeschlagen, eine davon zu schließen und die Fläche zu bebauen.

Frank Keil

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