Vom Tatort zum Bratort

Die fiktiven Imbissbuden der Kommissare

(aus Hinz&Kunzt 141/November 2004)

Schimanski hat es erfunden. Stöver tut es mit Hingabe. Jan Castorff, weil er sonst nichts anderes kriegt: Currywurst essen. Kein „Tatort“ ohne Frittenbude. Currywurst essende Kommissare gehören zu den „Tatort“-Krimis wie Mord und Totschlag. Auch wenn es nur um eine schnöde Wurst geht, so essen TV-Kommissare nicht irgendwo, sondern an den schönsten Buden der Stadt: im Hafen zum Beispiel mit Blick auf Blohm+Voss, Wasser und Schiffe.

Doch wie immer im Fernsehen ist selbst bei einem scheinbar so unbedeutenden Detail wie einer harmlosen Wurstbraterei Schwindel im Spiel: Die Imbissbuden kommen aus dem Depot des Filmausstatters. Oder vorhandene Gebäude werden als Imbiss „verkleidet“. Alles Fiktion, zu schön, um wahr zu sein. Warum eigentlich?

„Die Kommissare könnten natürlich genauso gut im Auto essen, aber das ist von den Bildern her langweiliger“, sagt „Tatort“-Produzentin Kerstin Ramcke. „Wir stellen den Imbiss beinhart vor die schönste Kulisse am Hafen, am Baumwall zum Beispiel. Oder wir rollern den Wagen direkt auf Brücke 1 an den Landungsbrücken. Das kommt immer darauf an, wie der Kameramann das haben will.“ Kerstin Ramcke steht selbst zwar „nicht so sehr“ auf Currywurst, hält aber die Imbiss-Szenen im „Tatort“ für unverzichtbar. „Natürlich bedienen wir Klischees, aber ich glaube das Klischee lebt und hat Wurzeln im realen Leben.“ Auch richtige Polizisten oder Security-Leute würden sich schnell mal eine Wurst „reinwerfen“, weil sie nicht mehr Zeit haben. „Es ist also nicht alles komplett erfunden.“

Nicht erfunden sind übrigens auch die jeweiligen Wurstbrater, die den Kommissaren Paul Stöver (Manfred Krug) oder Jan Castorff (Robert Atzorn) die Würste kredenzen. Sie sind keine Schauspieler, sondern echt. Genau wie die Würste.

So wie einst der Imbiss von Schimmi wirklich existierte. Vor 23 Jahren wurde der „City-Imbiss“ in Duisburg-Ruhrort quasi die zweite Heimat eines gewissen Horst Schimanski. Der Bulle mit der Schmuddeljacke hatte ja auch kein Zuhause. Die echte Frittenbude ist Vergangenheit. Heute steht dort ein Döner-Grill, aber ab und zu wird der Inhaber noch heute von älteren Kunden nach dem Raubein Schimmi gefragt.

Bleibt die Fiktion. Die aber muss möglichst authentisch wirken. Kommissare, sagt der Regisseur Dominic Graf, sind quasi „Helden der Arbeit“, unbestechlich, kompromisslos, aufrecht. Sie kämpfen gegen das Böse, Figuren eines „romantischen Genres“, „auf der Suche nach der Wahrheit“. Und wo essen chronisch unterbezahlte „Helden der Arbeit“? Natürlich nicht im Fünf-Sterne-Restaurant, nicht in der Beamten-Kantine, sondern in der Frittenbude um die Ecke.

„Kommste vonner Schicht, was Bessres gibt es nicht, als wie Currywurst“, sang ja auch schon Herbert Grönemeyer. Wobei der aus dem Ruhrpott kommt, wo die Wurstbraterei traditionell einen noch viel größeren kulturellen Stellenwert besitzt. So sehr, dass aus einer fiktiven „Tatort“-Imbissbude unlängst eine real existierende wurde. Vom Tatort zum Bratort, sozusagen. Die Kölner Produzenten hatten bis zum Sommer stets eine 50 Jahre alte Imbissbude für die Kommissare Ballauf und Schenk vom Filmdepot an den Rhein gekarrt. Dort, mit dem Kölner Dom im Hintergrund, erholten sich die Mordexperten bei einer Wurst von den Gräueltaten eines ganz normalen Arbeitstages. Laut WDR gab es so viele Anfragen nach eben diesem wunderschön gelegenen Imbiss, dass im Juni eine echte Bude am Rhein aufgestellt wurde. Dem NDR sind bislang wohl noch keine Massenanfragen der Hamburger Currywurst-Fans bekannt geworden. Warum eigentlich nicht?

Petra Neumann

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