Völlig Dittsche und doch Country

Jon Flemming Olsen geht mit Olli Dittrich und Texas Lightning auf Tournee. Ab Oktober stehen die beiden gemeinsam im Imbiss

(aus Hinz&Kunzt 151/September 2005)

Jetzt könnte Jon Flemming Olsen alias Imbisswirt Ingo mal herrlich die Dittsche-freie Sommerzeit genießen. Doch stattdessen setzen sich die beiden die Cowboyhüte auf und touren als Country-Musiker durch die Lande. Wir wollten mal wissen, wer dieser Mann eigentlich ist, der immer munter gegen den Komiker und Grimme-Preisträger Olli Dittrich anspielt.

Wie würden Sie das finden? Sie besitzen einen Imbiss, sagen wir mal am Eppendorfer Weg. Und jeden Tag, den der Herrgott werden lässt, schlurft da ein Arbeitsloser im Bademantel rein, mit fettigen angedittschten Haaren, und sinniert stundenlang über den Zustand der Welt. Weiß alles und vor allem besser. Und dann perlt er Ihnen noch mit seinem überquellenden Bier den Tresen voll und spricht angewidert von Bakterien, die überall herumschwirren – und das in Ihrem blankgewienerten Imbiss.

Grillstation-Wirt Ingo – Sie wissen schon, der mit der Vorne-kurz-hinten-lang-Frisur – schwankt da böse zwischen völliger Abwehr, verbissenem Grinsen und aberwitziger Neugier. Aberwitzig deshalb, weil ausgerechnet seine Nachfragen Dittsche zu Höchstformen auflaufen lassen. Aber wollen wir mal ehrlich sein, auch wir können den Hals von Olli „Dittsche“ Dittrich nicht voll kriegen und gucken „Das wahre Leben“.

Und wenn’s doch mal zu viel werden sollte, dann zappen wir einfach weiter. Ganz so einfach ist das bei Ingo alias Jon Flemming Olsen nicht. Als Imbisswirt muss er sich ständig dieses Gedröhne anhören. Und jetzt geht er mit Texas Lightning und Olli Dittrich auf Tournee. Die beiden machen Musik zusammen. Kein Witz: Country-Musik. Kleiner, aber wichtiger Unterschied: Diesmal hat Ingo das Sagen: Jon Flemming Olsen ist der Boss von Texas Lightning, zusammen mit Jane Comeford Leadsänger und der Gitarrist der Band. Dittrich muss hinten sitzen, am Schlagzeug.

Geht ihm der olle Dittsche nicht gehörig auf den Sender? Wollten wir ihn fragen. Aber fast wären wir an Olsen vorbeigelaufen. Dabei treffen wir uns in einem Café in direkter Nachbarschaft zur Grill-Station im Eppendorfer Weg, die auch im normalen Leben ein Imbiss ist. Aber da ist niemand, der sich nach ihm umdreht, ihn als Ingo anquatscht. Wie auch, der Mann sieht in echt nicht nur kleiner und völlig unprollig aus: Er hat keine Haare auf dem Kopf, dafür ein modisches Minibärtchen. Eher der lockere Szenetyp.

Um auf die eigentliche Frage zurückzukommen: Auf den Wecker fallen sich Dittrich und Olsen höchstens als Dittsche und Ingo im „wirklich wahren Leben“, privat sind sie eng befreundet. Und selbst in der Sendung hat sich ihr Verhältnis „doch ein bisschen verändert“, findet Olsen. Viel mehr auf Abwehr sei der Ingo früher gewesen. „Selten ein Lächeln, oft schlecht gelaunt, kaum was gesagt“, charakterisiert er seine Figur. „Der Ingo fühlt sich zwar überlegen, kommt aber nie zum Zug, scheitert immer.“ Während der vermeintliche Verlierer – also der arbeitslose Bademantel-Träger und Welt-Interpretierer Dittsche – immer gewinnt. „Früher wollte Ingo viel mehr beweisen, dass er der Chef im Ring ist und die Oberhand gewinnt gegen die drohende Gefahr.“

Das habe er heute nicht mehr so nötig. Verursacht hat Ingos Veränderung „möglicherweise, dass Dittsche doch inzwischen viel mehr von sich persönlich erzählt. Über die Zeit hat er im Imbiss ein Zuhause gefunden.“ Olsen sagt das in einem Ton, als rede er von einem echten Menschen.

Dass die beiden jetzt auch zusammen mit einer Band auf Tournee gehen, ist gar nicht so ungewöhnlich. Eigentlich stand die Musik sogar am Anfang ihrer Freundschaft. Anfang der 90er-Jahre war das, da suchte Dittrich für seine Band jemanden, der die Harmoniestimmen singen kann. Der Keyboarder, der in Dittrichs Band spielte, spielte auch bei Olsen in der Band…

Das war schon die Zeit, als der Hamburger Jung mit dem dänischen Namen noch seinen ganz eigenen Traum vom Ruhm träumte. „Damals wollte ich noch Rockstar werden“, sagt er. Schon früh hatte er Bands gegründet, spielte Gitarre und komponierte Lieder, trat überall und nirgends auf, war ständig unterwegs. Ein paar mal waren er und seine Freunde kurz davor, es zu schaffen. Einmal sogar ganz kurz davor.

Doch mit Ende Zwanzig hatte er genug vom Träumen. Er stieg um auf Grafik-Design, gestaltete für gutes Geld Platten-Cover. „Eigentlich für alle großen Labels wie Universal, BMG…“ Und in den folgenden zehn Jahren für Musiker wie Udo Lindenberg, Echt, Selig, Phillip Boa, Stefan Gwildis oder Annett Louisan.

Nebenbei machte er weiter Musik. 1993 gründeten Olsen und Dittrich zusammen mit Stephan Zacharias „Die Bietels“ – ein Beatles-Trio. „Es war eigentlich eine Schnapsidee, wir wollten mal sehen, ob wir zu dritt das schaffen, was die Beatles zu viert nicht mehr erledigen konnten“, sagt Olsen und guckt, dass man fast denken könnte, er meint das ernst. Immerhin: In jener Zeit schaffte sich Olli Dittrich sein erstes Schlagzeug an: „Für 490 Mark ein Kinderschlagzeug aus dem Alsterhaus.“ Auf der Bühne stand er dann allerdings mit einem Ludwig Drum Set – genau dem, mit dem Pete Best seinerzeit mit den echten Beatles im Star Club aufgetreten war. Aber nach fünf Jahren „mit viel Spaß und vielen Konzerten im gesamten Bundesgebiet“ gingen auch die Bietels wieder getrennte musikalische Wege. Stephan Zacharias hat übrigens später unter anderem die Musik zu dem Film „Der Untergang“ komponiert.

Dass Olsen einmal bei der Country-Musik landen würde, hätte er selbst nie gedacht. Aber sie sei ein genauso weites Feld wie die Popmusik. „Insofern verstehe ich auch nicht, wie man kategorisch sagen kann, man mag Country-Musik oder mag sie nicht – das ist genauso wenig aussagekräftig wie zu sagen: Ich mag Popmusik oder ich mag sie nicht.“ Der Beweis: Nicht nur traditionelle Stücke wie „These Boots Are Made For Walking“ oder „Blue Bayou“ sind im Repertoire, sondern auch Madonnas „Like A Virgin“ oder „Kiss“ von Prince. „Wir haben den Songs das Cowboy-Hemd übergezogen“, nennt das Olsen. Und einen Riesenvorteil hat Country: „Das Schöne ist, dass man mit dieser Musik alt werden kann“, sagt Jon Flemming Olsen und hört sich kurzzeitig an, als wolle er gleich die Rente einreichen. „Nicht so wie Mick Jagger, der mit 70 noch im Gymnastikhöschen über die Bühne hüpfen muss.“

Wir danken Frau Wichmann vom Pony-Hof Niendorfer Gehege für die kostenlose Foto-Erlaubnis.

Birgit Müller

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