Jobcenter: Schlechte Noten für den Service

Hartz-IV-Empfänger sind mit der Arbeit der Jobcenter ziemlich zufrieden. So versteht zumindest die Bundesagentur für Arbeit die Ergebnisse einer Umfrage. Wirtschaftsexperten und eine Studie des Diakonischen Werkes legen eine andere Lesart nahe. 

Angeschmiert: Berliner Jobcenter. Foto: Actionpress

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat Hartz-IV-Empfänger gefragt, wie zufrieden sie mit ihren Jobcentern sind – und findet die Ergebnisse gut. Allerdings steht sie mit ihrer Meinung ziemlich alleine da.Laut einer Pressemitteilung der BA wächst „das Vertrauen in die Arbeit der Jobcenter und deren Mitarbeiter“. Jeder zweite Befragte habe angegeben, dass er eine gute Meinung von seinem Jobcenter hat.

„Durchweg positiv“ seien die Mitarbeiter beurteilt worden. 80 Prozent der Befragten hätten deren Freundlichkeit mit „gut bis sehr gut“ bewertet. „Zufrieden ist man auch mit den fachlichen Auskünften und mit der Unterstützung durch die Mitarbeiter (Durchschnitt Note 2.2)“, so heißt es in der Mitteilung weiter.

100 Hilfeempfänger wurden pro Jobcenter innerhalb der ersten sechs Monate dieses Jahres befragt – von einem Zufallsgenerator ausgewählte Personen, die in den Wochen davor einen Termin beim Jobcenter hatten. (Zum Vergleich: Aktuell gibt es in Hamburg mehr als 132.000 Hartz-IV-Empfänger) Bemerkenswert: Ausgelassen wurden dabei Personen unter 25 Jahren, die ausdrücklich nur nach einem Ausbildungsplatz suchen. „Diese Gruppe wird gesondert befragt“, begründet das ein Sprecher der BA. Zufall oder nicht – die U25-Gruppe wird von den Jobcentern besonders hart sanktioniert. Diese dürfte also auch besonders kritisch in ihrer Bewertung sein.

Wirtschaftsexperte: „Unterdurchschnittliche Kundenzufriedenheit“

Professor Christian Ringle, Experte für Zufriedenheitsstudien am Institute for Human Resource Management and Organizations der TU Hamburg hat zusammen mit seiner Kollegin Dr. Nicole Richter die Ergebnisse der BA-Befragung für Hinz&Kunzt unter die Lupe genommen – beide sind zu anderen Schlussfolgerungen als die BA gekommen. Und die geben wenig Anlass zum Jubel.

Ringle und Richter haben die Schulnoten-Bewertungen aus der BA-Befragung mit der bei Umfragen zur Kundenzufriedenheit üblichen Punkteskala von 0 bis 100 verglichen, wobei 100 den bestmöglichen Wert darstellt. Christian Ringle ordnet die Ergebnisse ein: „Unternehmen mit einem Wert von 75 liegen auf einem guten Niveau, wirklich gut wird es erst ab 80.“

Unterdurchschnittlich sei damit die Gesamtzufriedenheit mit dem Jobcenter, deren Wert bei 64 Punkten liegt, so die Forscher. 68 Punkte seien in der Bewertung der Mitarbeiter erreicht worden: Diese erzielten zwar gute Einzelergebnisse zum Beispiel für ihre Freundlichkeit, und die Qualität ihrer fachlichen Auskünfte. Dennoch zeige das Gesamtergebnis, dass das Vertrauen des Kunden und dessen Zufriedenheit in der Unterstützung seines Anliegens noch längst nicht dort sei, wo es als serviceorientierter Dienstleister sein müsste. Vielmehr spiegele das Gesamtergebnis (64 Punkte) eine unterdurchschnittliche Kundenzufriedenheit wieder.

Diese Einschätzung aus Sicht der Wirtschaftsexperten Richter und Ringle deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie des Diakonischen Werkes Hamburg. Dieses hat nämlich vor Kurzem eine eigene Studie zum Thema abgeschlossen. Dafür wurden 19 Hilfeempfänger und 11 Experten wie Sozialarbeiter ausführlich befragt. Thema: Wie werden Hartz-IV-Empfänger vom Hamburger Jobcenter behandelt? „Die durchgängige Rückmeldung war: Die Betroffenen fühlen sich schlecht behandelt“, sagt Dirk Hauer, beim DW Hamburg Fachbereichsleiter für Migration und Existenzsicherung zu den Ergebnissen. Was heißt das konkret? „Sie fühlen sich nicht ernstgenommen oder respektiert. Als wären sie Bürger zweiter Klasse.“

DW: „Konflikte haben strukturelle Ursachen“

Allerdings räumt Hauer ein, keine pauschalen Angaben machen zu können, da das Diakonische Werk eine qualitative Befragung durchgeführt hat, dass heißt eine nicht-repräsentative Gruppe wurde ausführlich interviewt. Laut Hauer haben zwischenmenschliche Konflikte auf dem Amt „strukturelle Ursachen“: „Es ist nicht unbedingt böser Wille der Mitarbeiter. Es sind Zielvorgaben und Weisungen zur Umsetzung des SGB II, die zu unauflöslichen Konflikten zwischen Hilfeempfängern und Sachbearbeitern führen. Und das äußert sich auf persönlicher Ebene.“ Generell gilt zumindest beim Hamburger Jobcenter: „Der Dienstleistungscharakter ist unterentwickelt.“

Dabei wollen die Jobcenter bundesweit ausgerechnet das sein: gute Dienstleiter. Das sagte Heinrich Alt, Vorstand für Grundsicherung bei der Bundesagentur für Arbeit. Handlungsbedarf sieht die BA allenfalls bei der Verständlichkeit der Antragsunterlagen (fast jeder zweite vergab hier die Noten drei bis sechs), bei der Erklärung der Bescheide und dem zeitlichen Zugang zum Sachbearbeiter (82 Prozent monierten das). „Wir wissen, wo sich Kunden mehr Unterstützung wünschen und werden das aktiv angehen“, verspricht Alt.

An diesem Versprechen muss er sich messen lassen, findet Dirk Hauer vom Diakonischen Werk Hamburg: „Das Wort von Herrn Alt in Gottes Ohr.“

Text: Beatrice Blank

Das Diakonische Werk Hamburg präsentiert die Ergebnisse seiner qualitativen Befragung „Respekt – Fehlanzeige? Erfahrungen von leistungsberechtigten mit Jobcentern in Hamburg“ am 30. August ab 13 Uhr im Dorothee-Sölle-Haus, Königstraße 54. Anmeldung zur Teilnahme an der Veranstaltung bitte bis 22.August an voelker@diakonie-hamburg.de