Hinz&Kunzt : Unser Wochenrückblick

Was war das für eine ereignisreiche Woche: Die Tagesaufenthaltsstätte Herz As musste vorübergehen schließen, Baby Miranda fand in den Kreis der Familie zurück und unsere März-Ausgabe ist da! Was wir bei dem Wirbel verpasst haben, das holen wir jetzt in unserem Wochenrückblick nach.

Impressionen aus Hamburg Wilhelmsburg
In der Stadtentwicklungsbehörde fand ein Gipfeltreffen zwischen Wohlfahrts- und Immobilienverbände statt. Die Wohlfahrtsverbände kritisieren Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt.

Ich würde mich ja gerne mal überraschen lassen von wirklich neuen Zahlen, was die Kluft zwischen arm und reich in unserem Land betrifft. Nun gibt es neue Ergebnisse von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DWI) dazu, wie das Vermögen hierzulande verteilt ist. Demnach gibt es so viel Geld, dass jeder Erwachsene 83.000 Euro bekäme – würde man es gleich verteilen. Aber: Jeder fünfte hat gar kein Vermögen. Und bei sieben Prozent sind die Schulden sogar höher als der Besitz.  Seit mindestens drei Jahren ist die Verteilung des Vermögens so – und sie ist so ungerecht wie in keinem anderen europäischen Land.

Das passt so gar nicht zu der fröhlichen Meldung der Arbeitsmarktzahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die freut sich, dass die Zahl der Arbeitslosen nicht höher ist – was sie im Februar normalerweise immer wird.  BA-Vorstand Frank Weise prophezeit sogar: Die Perspektiven für Arbeitslose verbessern sich.

Trotzdem schlägt die Nationale Armutskonferenz (NAK) Alarm. Sie weist daraufhin, dass immer noch 100.000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherung sind. Nur wenige haben die Möglichkeit zum Wiedereintritt ohne Schulden genutzt. Die NAK sagt: nur 5000, andere Schätzungen belaufen sich auf bis zu 10.000. Die Frist für die schuldenfreie Rückkehr in eine Krankenversicherung lief bis Ende des Jahres 2013. Die NAK fordert, diese Frist zu verlängern. Das Gremium denkt, viele wussten vom Schuldenerlass gar nichts. Das vermutet auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Verbraucherschützer werfen den Krankenkassen außerdem vor, die Umsetzung eines Erlasses zu verschleppen. „Viele Versicherte hängen in der Luft, weil ihre Anträge nicht bearbeitet werden“, erklärten die Verbraucherschützer im Februar.

Was bislang nicht bekannt war: In der Europäischen Union stehen so viele Wohnungen leer, dass man dort alle Obdachlosen unterbringen könnte. Das geht aus Recherchen des britischen Guardians hervor. Allein in Deutschland soll die Zahl der Leerstände bei 1,8 Millionen liegen.

Bei solch gigantischen Zahlen wirken die Leerstandszahlen aus Hamburg geradezu lächerlich. Ergebnis einer Kleinen Anfrage der Grünen ist: Lediglich 2437 Wohneinheiten werden nicht genutzt. Erst seit vergangenen Sommer erfassen die Bezirke systematisch den Leerstand. Ob allerdings die Eigentümer ihrer Meldepflicht nachkommen, kann getrost bezweifelt werden. Denn 1469 der insgesamt 2437 leer stehenden Wohnungen wurden im Bezirk Mitte gemeldet. Es fällt schwer zu glauben, dass hingegen in ganz Eimsbüttel – wie vom Bezirk verkündet – lediglich 15 Wohnungen leer stehen. Doch damit nicht genug: Das neue Wohnraumschutzgesetz wird offenbar in den Bezirken äußerst unterschiedlich angewendet. „In den meisten Bezirken werden gemeldete Wohnungsleerstände anscheinend automatisch durchgewunken, in anderen werden sie gar nicht bearbeitet“, bemängelt Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. „Das wird der angespannten Wohnungsmarktsituation in unserer Stadt überhaupt nicht gerecht.“

Allerdings stößt die Hamburger Wohnungspolitik nicht nur auf Kritik. In Köln nahm Staatsrat Michael Sachs für das Bündnis für das Wohnen in Hamburg jetzt den „Surprise Prize“ entgegen. Den verleiht die Immobilienbranche einmal im Jahr für „Vorbildliches, Innovatives, Mutiges und besonders Kreatives“. Gelobt wurde der Preisträger von den Bauherren vor allem für die bereitgestellten Fördergelder und die hohe Zahl der Baugenehmigungen. Doch eine Baugenehmigung ist längst keine bezugsfertige Wohnung. Diese schmerzliche Erfahrung musste der Senat bereits machen. 6000 neue Wohnungen pro Jahr versprach die SPD zum Amtsantritt. Bis heute wurde diese Zahl nicht erreicht. Die Stadtentwicklungsbehörde hat darauf reagiert. Inzwischen veröffentlicht der Senat lieber nur noch neue Zahlen zum Stand der Baugenehmigungen: Vielleicht nicht gerade vorbildlich, aber auf alle Fälle „innovativ“ und „besonders kreativ“.

Dass der Mietenwahnsinn in Hamburg weiter seine Blüten treibt, ist leider Realität. In der WDR-Redezeit erklärt der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm wer davon profitiert und was den Wohnungsmarkt so sehr von anderen Märkten unterscheidet. „Der Bereich der Wohnungsversorgung ist eigentlich gar kein typischer Markt“, so Holm. „Gerade in Städten in denen es eine sehr große Nachfrage ist, da ist es für den Immobilienmarkt insgesamt gar nicht so attraktiv viel neu zu bauen. Sondern man kann ja einfach die Gewinnspanne im Bestand deutlich steigern.“

Immer mehr Gewinn durch steigende Mieten erwirtschaftet inzwischen auch die Saga GWG. 2008 wurde erstmals mehr als  100 Millionen Euro Gewinn gemacht. 2012 stieg die Summe auf 175,7 Millionen. Diese riesigen Gewinnsummen fließen allerdings in den allgemeinen Haushalt der Stadt und dienen nicht zur Sanierung oder dem Bau neuer Saga GWG-Wohnungen.

Nicht nur die Bezirke beschäftigen sich mit den schlechten Zugangschancen von Migranten auf dem Wohnungsmarkt. Bei einem Gipfeltreffen kamen in der Stadtentwicklungsbehörde die Wohlfahrtsverbände und Immobilienverbände zusammen, berichtet das Hamburg Journal. Kritik an einer Diskriminierung von ausländischen Wohnungssuchenden weist Peter Hitpaß vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen zurück. „Unsere Unternehmen behandeln Mieter aller Nationalität gleich“, sagt er gegenüber dem Hamburg Journal. „Insofern sind wir quasi wie das Tor zur Welt.“ Testanrufe des NDR belegen allerdings, dass Interessenten mit ausländischen Akzent oder mangelnden Sprachkenntnissen im Unterschied zu Deutschen eine Wohnungsbesichtigung abgelehnt wird.

Eine innovative Idee präsentiert derweil der Bezirk Eimsbüttel: Investoren werden bei der Vergabe von kommunalen Grund und Boden bevorzugt, wenn ein Drittel der neuen Wohnungen für einen Zeitraum von zehn Jahren der öffentlichen Unterbringung dient. Der Bezirk reagiert damit als Erster auf die steigende Zahl der Flüchtlinge und Zuwanderer.

Text: Beatrice Blank, Jonas Füllner
Foto: Action Press / Christian Ohde