Wochenrückblick : WM mit Nebenwirkungen

Seit Donnerstag schaut die Welt gespannt nach Brasilien, um die Fußball-WM zu verfolgen. Ist dort alles Friede, Freude, Fußballfest? Davon kann keine Rede sein, wie unser Wochenrückblick über Zwangsräumungen, Hungerlöhne und Proteste zeigt.

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Fußball ist nur ein Aspekt der WM.

Während am Donnerstag in São Paulo die Fußballweltmeisterschaft der Männer begann, protestierten in zahlreichen brasilianischen Städten Tausende gegen das Event. Ihr Hauptvorwurf an die Regierung: Sie hätte Unsummen in neue Stadien gesteckt, aber soziale Ausgaben sträflich vernachlässigt. Bei einigen Demonstrationen kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die Polizei setzte Gummigeschosse gegen die Demonstrierenden ein, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Für ihr hartes Vorgehen ist die dortige Polizei bekannt, viele Beamte gelten als gewalttätig und korrupt. Für den deutschen Nationalspieler Lukas Podolski trotzdem kein Grund, nicht auf einem Foto mit den bis an die Zähne bewaffneten Sicherheitskräften zu posieren, wie die taz kritisiert.

Im Vorfeld der Weltmeisterschaft wurden in vielen Städten Brasilien Arme aus ihren Häusern zwangsgeräumt. Eine zehnminütige Dokumentation auf Youtube zeigt die Vertreibung im Namen der WM und die Proteste dagegen in den Armenvierteln, den so genannten Favelas. „Für die Gesellschaft werden von dieser Weltmeisterschaft nur die Schulden übrig bleiben“, empört sich einer darin.

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Einen interessanten Einblick in die Welt der Armen Rios bietet der Blog der Journalistinnen Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl. Während der WM bloggen sie live aus der Favela, zeigen Fotos und Videos. „Die Bewohner der Favellas wurden immer als das Böse in der Gesellschaft betrachtet“, erklärt Jaroschewski in einem Beitrag des NDR-Magazins ZAPP ihre Motivation: „Viele sehen nicht, dass das ganz normale Menschen sind.“ Ihre Kollegin Peteranderl kündigt an, auch nach dem Fußballspektakel weiter machen zu wollen: „Ich finde es extrem wichtig, immer wieder drauf zu schauen. Nicht nur zur WM.“

Über das „unfaire Geschäft mit Sportartikeln“ berichtete am Mittwoch die Frankfurter Rundschau. Denn während der deutsche Hersteller Adidas mit Rekordumsätzen zur WM rechne, so der Vorwurf, würden Näherinnen über Hungerlöhne und schlechte Arbeitsbedingungen klagen. Eine Gewerkschafterin aus El Salvador berichtet in dem Artikel von Hungerlöhnen in den Zulieferbetrieben von Adidas. Ihr Kommentar zur Weltmeisterschaft: „Es macht mich wütend, wie die Spieler der Marke Glanz verleihen.“

Auch in Deutschland hat das Fußballfest Nebenwirkungen. Der Deutschlandfunk warnt davor, dass die Bundesregierung die allgemeine WM-Euphorie dazu nutzen könnte, unbequeme Entscheidungen ohne viel Beachtung der Öffentlichkeit zu treffen. Es wäre nicht das erste Mal, listet der Radiosender auf: 2006 wurde während der WM die Mehrwertsteuererhöhung beschlossen, 2010 die Krankenkassenbeiträge erhöht. Und während der EM 2012 beschloss der Bundestag das umstrittene Meldegesetz, nachdem Ämter die Adressen von Bürgern an Firmen weitergeben dürfen, so lange die Betroffenen nicht aktiv widersprechen. Es könnte sich lohnen, in den kommenden Wochen ein aufmerksames Auge auf das Treiben in Berlin zu haben.

Text: Benjamin Laufer
Foto: ActionPress