Winternotprogramm : Senator sortiert Obdachlose aus

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) legt im Umgang mit Obdachlosen eine neue Gangart vor. Weil 13 Osteuropäer in Hamburg arbeiten gehen, aber trotzdem in der Notunterkunft schlafen, spricht er von „Missbrauch“. Hinz&Kunzt sagt: Das ist Populismus!

In der Spaldingstraße ist regelmäßig überfüllt. Der Sozialsenator will jetzt Platz schaffen, in dem er arbeitende Obdachlose aussortiert. Bild: Mauricio Bustamante.

Mitten im Winter fährt Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) schwere Geschütze im Winternotprogramm auf. Auf Wunsch seiner Behörde hat der Zoll seit Mitte Januar vor der Notunterkunft verstärkt Kontrollen durchgeführt, um herauszufinden, ob darin Menschen übernachten, die arbeiten gehen. „Die Sozialbehörde hat uns gebeten zu überprüfen, ob dort nichtbedürftige Obdachlose wohnen“, sagt Zoll-Sprecherin Bianka Gülck zu Hinz&Kunzt. Das Prozedere: Zoll-Mitarbeiter warten vor der Unterkunft, ob jemand in Arbeitskleidung heraus kommt. Die fragen sie dann, ob sie auf dem Weg zur Arbeit sind. Von den 30 Bewohnern der Notunterkunft, die durch den Zoll angesprochen wurden, gingen dreizehn tatsächlich einer Arbeit nach. Sie hat die Stadt aufgefordert, kommerzielle Unterkünfte zu nutzen. „Im Vergleich zur Gesamtanzahl der dort Übernachtenden sind das ja nicht viele“, so die Sprecherin des Hauptzollamts Hamburg-Hafen. In der Spaldingstraße gibt es 230 Betten, oft schlafen dort aber deutlich mehr Obdachlose. 

Hintergrund sind die hohen Belegungszahlen der Notunterkünfte. Offenbar will die Sozialbehörde nun Platz schaffen, indem sie Schlafgäste aussortiert. „Wenn jemand arbeitet und trotzdem einen Schlafplatz in der Spaldingstraße belegt, der eigentlich für einen mittellosen Obdachlosen gedacht ist, habe ich kein Verständnis dafür“, sagt Sozialsenator Scheele. Damit macht der Senator es sich einfach: „Niemand schläft freiwillig in der Spaldingstraße, wenn er sich eine andere Unterkunft leisten kann“, entgegnet ihm Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Die Notunterkunft ist regelmäßig überfüllt. Rückzugsmöglichkeiten für die Obdachlosen gibt es dort nicht. „Auch wenn jemand arbeitet, kann er obdachlos sein“, so Karrenbauer.

Die rausgeschmissenen Obdachlosen haben eine Liste mit kommerziellen Unterkünften von der Sozialbehörde erhalten, auf die sie ausweichen sollen. Die sind allerdings zum großen Teil ausgebucht, wie Hinz&Kunzt-Recherchen ergeben haben. Bei der Größten ist sogar eine falsche Telefonnummer angegeben. Viele Unterkünfte liegen am Stadtrand und sind mit bis zu 40 Euro pro Nacht für die Wanderarbeiter wahrscheinlich nicht erschwinglich. Eigentlich wären die Arbeitgeber in der Pflicht, die Menschen angemessen unterzubringen. Außerdem empfiehlt die Sozialbehörde ihnen, die Beratungsstelle für osteuropäische Arbeitnehmer aufzusuchen. Dort sollen sie nach einer Beratung bei der Rückreise in ihre Heimatländer unterstützt werden.

Das eigentliche Problem sind die Arbeitsbedingungen, zu denen die oft osteuropäischen Obdachlosen in Hamburg beschäftigt werden. Eigentlich weiß das auch der Sozialsenator: Sie würden „in der Regel über skrupellose Schlepper mit falschen Versprechungen nach Hamburg gelockt“, sagte er noch im Herbst. Ziel dieser Kontrollen war aber nicht, diese Arbeitsbedingungen aufzudecken und womöglich zu verbessern. Der Zoll sollte lediglich herausfinden, ob in der Unterkunft auch Obdachlose übernachten, die einer Arbeit nachgehen. „Zoll deckt Missbrauch auf“ verlautet es reißerisch aus der Sozialbehörde. Damit betreibt sie angesichts der geringen Zahl der tatsächlich entdeckten arbeitenden Obdachlosen Populismus. „Der Senator spielt Arme gegen Arme aus“, kommentiert Sozialarbeiter Karrenbauer. „Er sollte sich lieber um die Ursachen kümmern.“

Text: Benjamin Laufer
Mitarbeit: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante