Spendensammeln im Netz : Fans finanzieren Album

Beim so genannten Crowdfunding unterstützen viele Einzelpersonen mit Internetspenden die Projekte von Künstlern. Die Idee setzt sich immer mehr durch. Auch der Hamburger Singer/Songwriter Wolfgang Müller sammelt so Geld für sein neues Album.

Singer/Songwriter Wolfgang Müller: Zeitlose Songs, moderne Finanzierung

Wolfgang Müller ist Wahl-Hamburger, Familienvater und nach eigenem Bekunden „keine Rampensau“. Der Mann singt in Deutsch über die Liebe und andere Katastrophen. Kürzlich beeindruckte er die Zuschauer in der TV-Sendung seiner Namensvetterin Ina Müller, die große Stücke auf ihn hält.

Derzeit laufen im Internet zwei Crowdfunding-Aktionen von ihm: Man kann sich für 79 Cent ein Spiel (Sail A Song) fürs iPhone herunterladen und so den Künstler unterstützen. Bei der zweiten Aktion kann man über die Hamburger Crowdfunding-Plattform Nordstarter Geld spenden. Ziel in beiden Fällen: einen Teil der Kosten für das neue Album und eine Tour reinzuholen.

Hinz&Kunzt: Ist Crowdfunding die Zukunft für Musiker?
Wolfgang Müller: Grundsätzlich glaube ich das schon. Für unbekannte Leute ist es allerdings sehr schwierig. Niemand unterstützt ja ein Projekt von Leuten, die er nicht kennt. Für Leute wie mich, die so im mittleren bis unbekannten Bekanntheitssegment gastieren, ist es schon eine gute Möglichkeit. Wobei ich jetzt noch nicht sagen kann, ob es funktioniert. Wenn ja, werde ich hinterher sagen, es ist eine sehr gute Möglichkeit (lacht).

Hinz&Kunzt: Wie bist du darauf gekommen, im Netz Spenden zu sammeln?
Müller: Es stand die Frage im Raum, wie ich die neue Platte eigentlich finanziere. Da dachte ich, es wäre eine ganz süße Idee, ein Spiel als Hingucker für das Crowdfunding zu benutzen. Ich wollte schon immer ein Spiel programmieren, in dem ein Matrose vorkommt. Das hatte ich als Bild im Kopf.

Hinz&Kunzt: Wie funktioniert das Spiel?
Müller: Man segelt mit einem Boot auf dem Meer. Die Musik, die man auf seinem iPhone gespeichert hat, setzt dabei die Wellen in Bewegung. Ziel ist es, über die Wellen zu springen und die Sterne vom Himmel zu holen. Dafür gibt es Punkte.

Hinz&Kunzt: Für jeden Download bekommst du 79 Cent, den du direkt ins Album steckst?
Müller: Ja, wobei ich gar nicht groß kalkuliert hatte, wie viel ich verkaufen muss, damit sich das rechnet. Das würde schon ein bisschen dauern … Weil auch viele gesagt haben, ich habe kein iPhone und würde die Platte aber gerne schon kaufen, haben wir gesagt: Okay, dann machen wir noch ein klassisches Crowdfunding-Projekt. Da kann man nun auch für die Platte und die anschließende Tour spenden.

Hinz&Kunzt: Du übernimmst damit ja auch mehr Verantwortung für die Finanzen. Wie läuft das genau?
Müller: Ich mache die Produktion komplett alleine, veröffentliche aber nicht in Eigenregie, sondern bei meinem Label Rintintin Musik von Michy Reincke.

„Ich war ein Exot“

Hinz&Kunzt: Wie bist du zur Musik gekommen?
Müller: Ich habe sehr lange klassische Gitarre gelernt. Mit 19 habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Erst auf Englisch und mit 25 Jahren dann auf Deutsch.

Hinz&Kunzt: Was hat dich dazu veranlasst?
Müller: Es liegt mir mehr. Ich bewege mich besser und lieber in einer Sprache, in der ich mich auskenne. Damals war das ja nicht so wie heute, wo es ein Meer von Singer/Songwritern gibt, die in Deutsch singen. Ich war damals noch ein Exot. Und ich fand es reizvoll, auf Deutsch emotional zu singen, ohne Schlager zu produzieren.

Hinz&Kunzt: Deine Vorbilder?
Müller: Leute wie Tom Liwa oder Nationalgalerie, hauptsächlich deutsche Sachen. Erdmöbel bewundere ich auch sehr. Der Markus Berges macht das ja mit einer Brachialgewalt und einer Ignoranz, die immer weiter geht (lacht). Jetzt nach Jahren haben sie damit Erfolg. Das finde ich toll. Wenn Leute, die offenkundig in keinster Weise ins Konzept passen, trotzdem ihren Weg gehen. Das macht Hoffnung.

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Hinz&Kunzt: Wie entstehen deine Songs?
Müller: Früher hatte ich viele Ideen und habe ständig Notizen gemacht. Heute habe ich nicht mehr so viele Ideen, dafür aber bessere (lacht). Wenn ich mal einen fantastischen Satz im Kopf hatte, dann nehme ich das auch mal mit meinem Telefon auf.

Hinz&Kunzt: In deinen Texten geht es um große Gefühle, aber du drückst nie das Offensichtliche aus. Stattdessen beschreibst du etwa, wie ein Lächeln von der Seite aussieht …
Müller: Ich versuche Sachen, Momente, Gefühle, Gedanken einzufangen, ohne sie dabei zu zerstören. Und das geht in der Regel am besten, wenn man sie nicht direkt benennt. Wenn man also nicht über das Gefühl singt, sondern das Gefühl erzeugt. Es ist ein bisschen so: Du kannst jemandem sagen, dass du ihn liebst oder ihn umarmen. Diese Umarmung sagt viel mehr als jedes Wort. So versuche ich zu texten.

Hinz&Kunzt: In Kritiken werden deinen Songs gern mal als altmodisch bezeichnet. Was hältst du davon?
Müller: Das war ein Eigentor. Das stand irgendwann bei uns im Pressetext. Altmodisch klingt ja eher verstaubt. Aber es stimmt schon ein wenig: Ich bin schon sehr in diesem altmodischen Singer/Songwriter-Denken verhaftet. Ich versuche, die Sachen zeitlos zu machen. Damit man nicht nach einem Jahr denkt: „Boah, das war ja voll 12-er!“ (lacht).

Hinz&Kunzt: Was willst du mit deiner Musik erreichen?
Müller: Ich habe eigentlich schon den Idealzustand. Wenn das jetzt klappen sollte mit dem Crowdfunding und auf jedem Konzert sind 100 Leute, dann ist das für mich super.

Hinz&Kunzt: Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Simone Deckner
Foto: Promo

www.mueller-musik.de
Konzert: 16.8., Küchensessions-Festival, Uebel&Gefährlich,  Feldstraße 66, 19 Euro

 

 

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