Straßenkinder : Junge Wohnungslose eröffnen eigenes Büro

Junge Wohnungslose in Hamburg haben jetzt ein eigenes Sprachrohr. Anfang April bezog die „Ständige Vertretung der Straßenkinder“ ein Büro in der Nähe des Hauptbahnhofs. Ihre Sprecher sind die ehemaligen Straßenkinder Oxana, Trietze und Lucas.

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Bilden in Hamburg künftig das Sprachrohr der Straßenkinder: Trietze, Lucas und Oxana (von links).

Die „Ständige Vertretung der Straßenkinder“ bekommt einen eigenen Ableger in Hamburg: ein Büro, in dem die ehemaligen Straßenkinder Oxana, Trietze und Lucas künftig als Vertrauenspersonen bei Problemen zwischen jungen Obdachlosen und Sozialarbeitern vermitteln.

Bereits in den vergangenen Jahren setzten sich Oxana, Trietze und Lucas ehrenamtlich für Straßenkinder ein. Bei einem Workshop-Wochenende für junge Wohnungslose in der brandenburgischen Gemeinde Jamlitz diskutierten sie 2013 erstmals über Möglichkeiten der Mitbestimmung und Teilhabe. Wie könnte es gelingen, Straßenkindern in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen? Kurzerhand gründeten sie die „Ständig Vertretung der Straßenkinder“. Die Gruppe prangert seitdem Missstände an, versucht Verbesserungen im Bereich der Sozialarbeit zu erwirken und organisiert regelmäßig den Straßenkinderkongress. In Anlehnung an das arme und hilfsbereite Mädchen aus dem gleichnamigen Roman von Michael Ende gründeten sie als Träger für ihre Arbeit den Verein „MOMO – The voice of disconnected youth“.

Für ihre Aufgabe sind Oxana, Trietze und Lucas gut vorbereitet, denn früher lebten auch sie immer mal wieder auf der Straße. Inzwischen habe er einen Platz in einer Jugend-WG erhalten, sagt Lucas. Geholfen habe man ihm im Kids, der Anlaufstelle für Straßenkinder am Hamburger Hauptbahnhof. Dort lernte er auch seine politischen Mitstreiter Oxana und Trietze kennen.

„Aber allein die Organisation des Straßenkinderkongresses kostet sehr viel Zeit“, sagt der 20-Jährige. „Das kann man eigentlich nicht nebenbei machen.“ Deswegen kam in Gesprächen mit ihren Sozialarbeitern die Idee auf, feste Stellen einzurichten. Tatsächlich fand sich eine Lösung: Oxana, Trietze und Lucas haben ihr Engagement zum Job gemacht. Sie absolvieren einen Bundesfreiwilligendienst. Unterstützt werden sie von Sozialarbeiterin Verena Lüer. Und die Sozialbehörde steuert insgesamt 37.000 Euro zur Finanzierung bei.

Etwa 500 junge Wohnungslose würden jährlich jeweils die beiden Hamburger Einrichtungen für Straßenkinder, Sidewalx und Kids, aufsuchen, sagt Lukas. Wenn Schwierigkeiten auftreten, dann bieten sich Oxana, Trietze und Lucas künftig als Vertrauenspersonen für die Straßenkindern an. „Das ist komplett neu und wir müssen schauen, wie das alles klappt“, sagt Trietze. Für Straßenkinder sei die Einrichtung der „Ständigen Vertretung“ aber auf alle Fälle ein Fortschritt, denn die Situation der Straßenkinder fände bislang zu wenig Aufmerksamkeit. „Dabei leben nach Schätzungen bundesweit 7000 bis 8000 Jugendliche auf der Straße“, sagt Lucas. Hinzu kämen noch etwa 30.000 junge Erwachsene, die immer mal wieder auf der Straße schlafen, weil sie es zuhause nicht aushalten.

So wie Oxana. Die 26-Jährige lief regelmäßig von Zuhause weg. Über andere Straßenkinder sei sie schließlich mit dem Kids in Kontakt gekommen. Inzwischen lebt Oxana seit drei Jahren in einer eigenen Wohnung. Jetzt gibt sie mit ihren beiden Kollegen ihre Erfahrungen weiter und unterstützt andere Straßenkinder.

Für Lucas ist die Tätigkeit für die „Ständige Vertretung“ und der Verein MOMO der erste richtige Job. Der Wechsel vom Klienten zum Sozialarbeiter-Kollegen sei ein ungewöhnlicher Schritt, räumt er ein. „Aber bisher gelingt uns Dreien das sehr gut.“ Ihr erstes großes Projekt steht schon fest: Im Frühjahr 2017 findet der nächste Straßenkinderkongress statt. Federführend in der Planung ist jetzt ihr Hamburger Büro. Lucas freut sich darauf. „Wir haben das ja schon gemacht“, sagt er. Im Unterschied zu früher würden sie jetzt aber auch entlohnt für ihren Einsatz.

Text und Foto: Jonas Füllner

Erreichen können Sie Oxana, Trietze und Lucas telefonisch während Ihrer Bürozeiten von Montag bis Freitag zwischen 10 und 14 Uhr unter: 040/28473384.
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