Hospiz : Abschied in Würde

Der Hamburger Fotograf Dmitrij Leltschuk stammt aus Weißrussland. Immer wieder dokumentiert er dort Missstände. In einem Hospiz in Minsk hat er besonders berührende Aufnahmen gemacht. Die Einrichtung braucht dringend finanzielle Unterstützung.


Er hat es eilig heute, der Tod. Dmitrij riecht ihn, sobald er das Gebäude betritt. Er ist sich sicher: „Diesen Geruch werde ich nie vergessen.“ Der Hamburger Fotograf will an diesem Tag Aufnahmen im Hospiz von Minsk machen. Er weiß, dass er dabei Menschen an ihrem Lebensende begegnen wird. Aber was er dann sieht, erschüttert ihn zutiefst. „In der ersten ­Viertelstunde sind gleich drei Hospizbewohner gestorben.“ Dmitrij schluckt. „Direkt vor meinen Augen.“

Dmitrij Leltschuk, der 1999 zum Studieren nach ­Hamburg kam, fährt immer wieder nach Weißrussland, um mit Fotoreportagen auf die Missstände in seinem Heimatland aufmerksam zu machen. Dabei geht er stets ein großes Risiko ein, denn unter dem Regime von Präsident Lukaschenko ­leben Journalisten gefährlich: „Pressefreiheit gibt es nur in der Theorie.“ Umso wichtiger ist es Dmitrij, der auch regelmäßig für Hinz&Kunzt arbeitet, seine Bilder in westlichen Medien zu veröffentlichen.

Die Aufnahmen aus dem Hospiz stammen vom vergangenen Sommer. Ursprünglich wollte Dmitrij damals seine Familie besuchen: „Mein Opa wird dieses Jahr 99 und ist sehr krank. Da nutze ich jede Gelegenheit.“ Zugleich überlegte er, wie es anderen kranken Menschen in Minsk geht, die nicht von ihren Familien versorgt werden können. Anfangs wollte er Fotoaufnahmen auf einer Intensivstation machen, doch der Chefarzt lehnte ab: „Er hatte Angst vor politischen Konsequenzen.“ Dafür gab er Dmitrij den Tipp, bei der Leiterin des Hospizes anzufragen. „Er sagte: ‚Vielleicht hat sie mehr Mut!‘“ Sie ­hatte. „Damit begann für mich die bislang härteste Reportage“, ­sagt Dmitrij. In den 28 Betten der staatlichen Einrichtung sah er ausgemergelte, wundgelegene Menschen. Er sah Fliegen über Gesichter krabbeln und Hände, die keine Kraft mehr hatten, sie wegzuscheuchen. Er roch den Tod, er sah den Tod. Und er sah den Mangel: „Hier fehlt Geld für alles: Medikamente, Windeln, Nahrungsmittel.“

Die Erfahrungen berührten ihn so sehr, dass er mithilfe des deutsch-russischen Kulturvereins RockFront ein Spendenkonto für das Hospiz einrichtete. „Die Menschen brauchen dringend Hilfe“, sagt Dmitrij. „Jeder hat das Recht auf einen Abschied in Würde.“

Weitere Infos zum Hospiz Minsk und zum Spendenkonto unter dl-photo.blogspot.de/2011/07/hospice-of-minsk_22.html