Welche Rolle spielten Frauen in sozialen Revolutionen? Ein Gespräch mit der Philosophin Eva von Redecker anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März – auch darüber, was heutige Protestbewegungen aus der Geschichte lernen können.
Hinz&Kunzt: Große Proteste der vergangenen Jahre wurden von Frauen angetrieben, in Belarus, im Iran, die Klimabewegung: Was sagt das über unsere Gegenwart aus?
Eva von Redecker: Zunächst sagt das aus, dass wir Geschichte aus patriarchalen Geschichtsbüchern gelernt haben. So ungewöhnlich ist das nämlich nicht. Zum Beispiel waren bei der französischen und der russischen Revolution viele Frauen präsent und haben das Geschehen stark mitgestaltet. Nur kippt dieses Bild in der Überlieferung meist zu einem Bild weniger männlicher Helden. Aber ich glaube schon, dass aktuell etwas Besonderes passiert: Viele Fragen der Sorge um das Leben bündeln sich in diesen Protesten. Und darin kann eine Perspektive, die aus der traditionell weiblich geprägten Arbeit kommt, besonders weitreichend oder auch leitend sein.
In Ihrem Buch „Revolution für das Leben“ beschreiben Sie das Leben als zentrales Motiv heutiger Proteste. Was meinen Sie damit?
Ich habe erst mal beobachtet, dass es in vielen Bewegungen einen starken Bezug auf das Leben gibt. Vor allem geht es um die Befreiung aus der Sachherrschaft: So nenne ich es, wenn bestimmte Menschen einen Eigentumsanspruch an anderen Menschen oder an der Natur haben. Wenn einem etwas gehört, kann man darüber verfügen und es sogar zerstören. Dieses Aufbegehren gegen „Kaputtbesitz“ scheint mir ein gemeinsames Anliegen verschiedener Bewegungen zu sein, auch der Klimabewegung. Es zeigt, dass unsere kapitalistische Lebensform nicht nur ausbeutet, sondern auch das Leben zerstört.