Mietwucher : Amtsgericht verurteilt Abzock-Vermieter

Das Amtsgericht Altona verurteilte die Rauch&Veth GbR dazu, fast 53.000 Euro an das Jobcenter zurückzuzahlen. Die Firma hatte heruntergekommene Zimmer an Hilfeempfänger vermietet – zu „wucherischen Preisen“.

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Hier lebten sogar Ratten: Das zu Wuchermieten vermietete Haus in Ottensen.

Weil die Mieten „in einem deutlichen Missverhältnis zur Leistung gestanden“ haben, hat das Amtsgericht Altona die Rauch&Veth GbR dazu verurteilt, rund 53.000 Euro an das Jobcenter zurückzuzahlen. Die Firma hatte Zimmer in einem heruntergekommenen Haus in Ottensen zu Wucherpreisen an Hilfeempfänger vermietet. So verlangte Rauch&Veth für 17 Quadratmeter bis zu 350 Euro im Monat plus Nebenkosten. Als Hinz&Kunzt und weitere Medien das öffentlich machten, zog das Amt vor Gericht – und bekam fünf Jahre nach Klageerhebung Recht.

Für die Mieter, überwiegend ehemals Obdachlose und Haftentlassene, sei es nicht möglich gewesen, eine Wohnung zu finden, heißt es in dem Urteil, das Hinz&Kunzt vorliegt. „Diese schwierige Lebenssituation nutzte die Beklagte aus, indem sie ihnen Wohnraum anbot zu weit übersetzten wucherischen Preisen.“ Ob Rauch&Veth Berufung vor dem Landgericht einlegt, ist nach Angaben ihres Anwalts noch offen. Bis Ende Oktober hat die Firma dazu noch Zeit.

Das Urteil des Altonaer Amtsgerichts ist eine Sensation: Zwar ist das Abkassieren weit überhöhter Mieten mindestens eine Ordnungswidrigkeit und in krassen Fällen sogar eine Straftat. Doch liegt Mietwucher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur dann vor, wenn die vereinbarte Miete den ortsüblichen Zins um mehr als 50 Prozent übersteigt und der Vermieter außerdem eine Zwangslage seiner Mieter ausnutzt – etwa die, dass sie auf dem Wohnungsmarkt der Stadt keine andere Wohnung finden können. Diese Zwangslage müssen Gerichte nach verschiedenen BGH-Urteilen im Einzelfall prüfen und belegen – was in der Praxis dazu geführt hat, dass Zivilgerichte kaum noch Urteile wegen Mietwuchers fällen.

Den letzten entsprechenden Richterspruch in Hamburg könne er „nicht erinnern“, so Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg. Das Urteil des Altonaer Gerichts sei deshalb „wegweisend“. Der Geschäftsführer weiter: „Wird das Urteil rechtskräftig, werden viele Mieter, die in der Vergangenheit überhöhte Mieten gezahlt haben, eine Chance sehen, diesen unerträglichen Zustand zu beenden.“ Dabei helfe der Mieterverein gerne. Auch das Jobcenter habe es künftig leichter, gegen vergleichbare Wuchermieten vorzugehen. Für Vermieter hingegen „wird die abstrakte Gefahr der Rückzahlung konkret“.

Die haben vor Hamburger Gerichten derzeit wenig zu lachen. Vor wenigen Wochen erst hatte das Landgericht den Abzock-Vermieter Thorsten Kuhlmann wegen Betrugs beziehungsweise versuchten Betrugs in 103 Fällen zu 15 Monaten Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldbuße verurteilt. Einem anderen Vermieter wirft die Hamburger Staatsanwaltschaft Wucher in 22 Fällen und Betrug in drei Fällen vor. Die Anklage liegt dem Landgericht seit Längerem vor, wann darüber verhandelt werden wird, steht in den Sternen.

Bei den Ermittlungen gegen Rauch&Veth hat die Staatsanwaltschaft offenbar den Ausgang des Zivilprozesses abgewartet. Das dort erstellte Sachverständigengutachten werde ausgewertet, so die Sprecherin der Behörde auf Hinz&Kunzt-Nachfrage. Wann Anklage erhoben wird, ist ungewiss. Die Akte sei „erneut zu weiteren Ermittlungen“ an die Polizei versandt worden.

Text: Ulrich Jonas
Foto: Google Maps

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