Notschlafstelle : Winternotprogramm gestartet

Die Stadt stellt insgesamt 240 zusätzliche Schlafplätze für Obdachlose zur Verfügung, die meisten davon in einem Bürogebäude in der Innenstadt. Das Winternotprogramm ist damit besser aufgestellt als in den vergangenen Jahren. Doch wird das reichen?

Mit 240 zusätzlichen Schlafplätzen startete am 1. November das städtische Winternotprogramm. Damit gibt es rund 40 Plätze mehr als im Vorjahr. 82 davon werden wieder in Wohncontainern bei Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt, 160 zentral in einem renovierten Bürogebäude in der Spaldingstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs. Ein ganzes Stockwerk ist dort für Frauen und Paare reserviert. Für Obdachlose mit Hund gibt es im Pik As fünf zusätzliche Plätze.

Außer zwei bis sechs Betten gibt es in den Zimmer in der Unterkunft in der Spaldingstraße noch einen Stuhl pro Person und einen Tisch. Schränke gibt es nicht. Die Obdachlosen können allerdings ihr Gepäck tagsüber im Zimmer lassen, Wertsachen können extra abgegeben werden. Wie in den vergangenen Jahren in der bisherigen Winternotunterkunft in der Sportallee auch ist der Aufenthalt in den Räumen tagsüber nicht erlaubt. Das hatte Hinz&Kunzt immer wieder kritisiert. Erst ab 16 Uhr öffnet die Spaldingstraße täglich ihre Pforten und schließt sie nach dem Frühstück um 9 Uhr wieder. Apropos Essen: 25 Ehrenamtliche versuchen sowohl ein Frühstück als auch ein Abendessen aus Beständen der Hamburger Tafel zuzubereiten. Warm zu kochen wie früher in der Sportallee ist in der Spaldingstraße nicht möglich.

Mit 160 Plätzen ist das Haus deutlich größer als es das in der Sportallee war (regulär 100 Plätze). Der Träger fördern und wohnen hat das Wachpersonal für den Nachtdienst aufgestockt und ist im Gespräch mit den umliegenden sozialen Einrichtungen.

Scheele wollte auf keinen Fall wieder einen Bunker

Der neue Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat das Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit offensichtlich zur Chefsache gemacht. In den wenigen Monaten seit Amtsantritt hat er das Hochhaus an der Spaldingstraße umbauen lassen. Ein Fiasko wie der schwarz-grüne Senat mit dem Bunker wollte Scheele offenbar nicht erleben: Er habe sich den Bunker unter dem Hachmannplatz selbst angesehen, sagt er bei der Pressekonferenz, aber der sei „geeignet für einen Atomkrieg“, unzumutbar allerdings für Obdachlose und Mitarbeiter. Riskant sei seine Äußerung damals gewesen, räumt der Senator ein, denn ein geeignetes Ausweichquartier sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Sicht gewesen.

Ausgerechnet dem Bezirksamt-Mitte-Chef Markus Schreiber (SPD), darauf weist Scheele ausdrücklich hin, habe es die Sozialbehörde zu verdanken, dass sie das Haus an der Spaldingstraße nutzen kann.

Neue Beratungsstelle für osteuropäische Obdachlose

Hier gibt es ab sofort eine weitere neue Einrichtung: Im Erdgeschoss des Hochhauses an der Spaldingstraße wurde eine Beratungsstelle für osteuropäische EU-Bürger ohne festen Wohnsitz eingerichtet. Bei der Vorstellung des Winternotprogramms waren auch die beiden Honorarkonsulen Gerd-Winand Imeyer (Bulgarien) und Klaus Rainer Kirchhoff (Rumänien) dabei. Sie unterstützen die neu eingerichtete Beratungsstelle mit Ehrenamtlichen, die den Obdachlosen bei Behördengängen und Übersetzungen helfen sollen.

Trotz guter Beratung wird es schwierig werden, echte Perspektiven in Bulgarien und Rumänien zu finden: Es gibt kaum Arbeit und kein funktionierendes Sozialsystem, machten die beiden Honorarkonsulen deutlich. Einzige Perspektive: dass die Familie ihre in Deutschland gestrandeten Söhne und Väter wieder aufnimmt. „Die Menschen leben in Hamburg auf der Straße oft besser als zuhause“, sagte Klaus-Rainer Kirchhoff.

77 Übernachtungen am ersten Tag

Bereits die erste Nacht verbrachten, bei relativ milden Außentemperaturen, 77 Personen in der Spaldingstraße. Unklar ist noch, ob die Zahl der Plätze im Winter ausreichen wird. Senator Scheele versprach allerdings, dass es noch zusätzliche Plätze geben würde, falls dies erforderlich wären. Sein Ziel sei außerdem, dass nach Ende des Winternotprogramms möglichst viele Obdachlose nicht mehr auf die Straße, sondern in eine Unterkunft oder in eine eigene Wohnung ziehen könne. Damit das klappt, hat er die Fachstellen für Wohnungsnotfälle mit der Saga GWG an einen Tisch gebracht: Saga GWG und andere Wohnungsgeber sind nämlich seit Jahren verpflichtet mindestens 600 Wohnungen zusätzlich für Wohnungsnotfälle bereitzustellen. Die Zahl wurde nie erreicht. Laut Senator wird sich das jetzt ändern. Außerdem sollen im Frühjahr rund 520 Plätze für Wohnungslose und Flüchtlinge in allen sieben Bezirken eingerichtet werden.

Was der SPD-Senat in den wenigen Monaten seit Amtsantritt auf die Beine gestellt, kann sich, wenn denn alles wie geplant klappt, wirklich sehen lassen. Vor allem gibt es eine neue ergebnisorientierte Gesprächskultur: Während des gesamten Winternotprogramms treffen sich die sozialen Einrichtungen mit dem Betreiber fördern und wohnen und Behördenmitarbeitern. Wenn etwas nicht so läuft, „werden wir nachsteuern“, verspricht Scheele.

Text: Birgit Müller
Fotos: Mauricio Bustamante