„Sparpläne gefährden den sozialen Frieden“

schein1mal1Gabi Brasch, Vorstand der Diakonie Hamburg, über die Vorhaben der Regierung, im Sozialbereich mehr als 25 Milliarden Euro zu sparen

Am Montag stellte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre Pläne zur Einsparung von 80 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren vor. 25,6 Milliarden sollen bei den Sozialausgaben gekürzt werden. Kanzlerin Merkel dazu: „Wir haben im Bereich der Neujustierung von Sozialgesetzen vor allen Dingen darauf geachtet, wie wir die Arbeitsmarktpolitik effizienter gestalten.“

Wir stellen vor, welche Veränderungen die Regierung plant. Gabi Brasch, Vorstand des Diakonischen Werkes Hamburg und Gesellschafterin von Hinz&Kunzt erklärt, warum die Vorhaben nicht sinnvoll sind. „Die Maßnahmen sind sozial unausgewogen. Sie belasten einseitig die Schwächsten der Gesellschaft und gefährden den sozialen Frieden“, so Brasch.

Die Sparpläne im sozialen Bereich im Einzelnen:

Wegfall des Zuschlags beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II: Bisher erhielten Personen im ersten Jahr des Hartz-IV-Bezugs einen Zuschlag von bis zu 160 Euro im Monat, im zweiten Jahr bis zu 80 Euro. Jetzt wird der Zuschlag komplett gestrichen.

Ist das sinnvoll?

Gabi Brasch: Nein, wenn man den Sinn, den Übergang zwischen dem Arbeitslosengeld I und II abzufedern, in den Blick nimmt, ist diese Maßnahme nicht sinnvoll. Die Angst vor dem sozialen Abstieg und das Gefühl, von der Gesellschaft allein gelassen zu werden, verstärkt sich weiter. Schlimm trifft es Menschen, die vor der Arbeitslosigkeit ein höheres Einkommen hatten und daher auch ein höheres Arbeitslosengeld I. Mit dem Übergang zum Arbeitslosengeld II ist für sie der Einkommensverlust erneut sehr groß. Um diese Situation etwas abzumildern, ist der Zuschlag ja ursprünglich geschaffen worden.

Bis zu 160 Euro beziehungsweise 80 Euro weniger zur Verfügung zu haben, bedeutet eine erhebliche Einschränkung. Steuererhöhungen um diese Beträge monatlich würden auch in höheren Einkommensbereichen zu erheblichen Protesten führen.

Kein Rentenversicherungszuschlag für Hartz-IV-Empfänger: Künftig will die Bundesregierung für Hartz-IV-Empfänger keine Beiträge mehr in die Rentenkasse einzahlen. Bislang zahlt der Staat für jeden einen Betrag von rund 40 Euro pro Monat ein.

Ist das sinnvoll?

Gabi Brasch: Nein. Es ist zu erwarten, dass in Folge dessen der Anspruch auf Grundsicherung im Alter steigen wird, weil die Betroffenen ihre Rentenansprüche während der Arbeitslosigkeit nicht erhöhen können. Es handelt sich damit lediglich um eine kurzfristige Einsparung, die später ausgeglichen werden muss. Betroffen sind vor allem Erwerbslose, die eigene Rentenansprüche erworben haben und weiter durch Arbeitsaufnahme erwerben werden. Sie haben im Alter weniger Geld zur Verfügung.

Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger gestrichen: Auch Hartz-IV-Empfänger haben bislang im ersten Lebensjahr ihres Kindes einen Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 300 Euro pro Monat. Das Elterngeld mindert den Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht. Diese Leistung soll künftig gestrichen werden.

Ist das sinnvoll?

Gabi Brasch: Nein. Die Entscheidung unterstreicht, dass die Ansprüche Besserverdienender (der Höchstsatz des Elterngeldes bleibt unangetastet) zementiert werden und im unteren Einkommensbereich gekürzt wird. Das gefährdet den sozialen Frieden und ist ungerecht. Familien und Alleinerziehende, die von Hartz IV leben, verlieren 300 Euro pro Monat. Das ist in dieser Lebenssituation eine enorme Summe – ausgerechnet in der Babyphase, in der sowieso kaum Betreuungsangebote zur Unterstützung bei der Arbeitsaufnahme vorhanden sind. In Hamburg wird die Situation zudem durch die gerade beschlossene Erhöhung des Elterngeldes zusätzlich verschärft.

Ermessens- statt Pflichtleistungen für Arbeitslose: Arbeitslose haben bislang nach dem Motto „Fördern und Fordern“ Anspruch auf Eingliederungsmaßnahmen. Zumeist geht es dabei um Bewerbungstrainings oder Zusatzqualifikationen. Künftig soll der Vermittler beim Amt entscheiden, ob er Maßnahmen bewilligt.

Ist das sinnvoll?

Gabi Brasch: Nein. Eingliederungsmaßnahmen müssen kontinuierlich zugänglich sein. Wenn ich heute erwerbslos bin, brauche ich diese Eingliederungsmaßnahmen verlässlich. Eine Arbeitsmarktpolitik nach Kassenlage hilft wenig.

Wie soll der Haushalt stattdessen entlastet werden?

Die Schwächsten dürfen nicht einseitig belastet werden, sagt Gabi Brasch: „Die Auswirkungen der Krise müssen von den leistungsfähigen Teilen der Gesellschaft getragen werden. Anhebung des Spitzensteuersatzes, der Vermögenssteuer, die Finanztransaktionssteuer oder Anhebung der Erbschaftssteuer dürfen dabei keine Tabus sein und können ein Signal für eine sozial gerechtere Gesellschaft geben.“

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